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TIERE/111: Ich bau' mir ein Nest - versteckt, entdeckt, bestohlen ... (SB)



Unter den Vögeln sind wahre Baukünstler zu finden. Aus den verschiedensten Materialien flechten und weben sie Kugeln oder Halbkugeln, Kokons, Schaukeln oder tropfenförmige Gebilde. Sie benutzen kleine Zweiglein, Tierhaare, beispielsweise Wolle von Schafen, Spinnweben, Blätter, Moos, Gräser, Lehm, Schilf und auch noch anderes. Ein Vogel allerdings baut sein Nest aus einem sehr ungewöhnlichen Material.

Der Vogel mit dem Namen Weißnestsalangane (Aerodramus fuciphagus) verwendet für seinen Nestbau etwas ganz Besonderes. Sein Nistmaterial hat er immer bei sich: seinen Speichel. Auch unsere Rauchschwalben nutzen ihn, um ihre Lehmnester damit zu verkleben und haltbar zu machen, doch der Weißnestsalangane benötigt keine weiteren Stoffe. Da wo er nistet und seine Jungen aufzieht, wäre es auch viel zu kompliziert, ständig hin und her zu fliegen, um geeignete Gräser zu suchen und sie dann auch noch zu einem Nest zusammenzustecken. Er bevorzugt tiefe, dunkle Höhlen als Brutplatz. Dort ist er vor Feinden am sichersten. An die steilen Höhlenwände gelangt kein größeres Tier heran, dass ihm gefährlich werden könnte. An geeigneten Felsvorsprüngen, möglichst in großer Höhe (bis zu 100 Meter), beginnt er seinen Bau.


Weißnestsalangane im Flug von unten fotografiert - Foto: 2008 by Lip Kee Yap from Singapore, Republic of Singapore (Edible nest swiftlet (Aerodramus fuciphagus)) [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons

Ein Weißnestsalangane im Flug
Foto: 2008 by Lip Kee Yap from Singapore, Republic of Singapore (Edible nest swiftlet (Aerodramus fuciphagus)) [CC BY-SA 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons



Baumeister in der Finsternis

Es scheint doch ziemlich seltsam, im Dunkeln ohne Hilfsmittel ein Nest zu errichten. Wie können die Salanganen das schaffen - ohne Licht? Ohne Baustoffe? Genau wie Fledermäuse orientieren sie sich durch Echoortung, wozu nur ganz wenige Vogelarten in der Lage sind. Beim Hineinfliegen in die dunkle Höhle stoßen sie kurze Klicklaute aus, mal zwei hintereinander oder auch nur einen. Der Schall dieser Laute wird an den Felswänden wieder zurückgeworfen. Die Vögel sind in der Lage, diese Signale aufzunehmen. Klicklaute und das Auffangen der Schallwellen, all das spielt sich in Millisekunden ab. Auf diese Weise gelingt es den Vögeln, sich ein "Bild" von der Umgebung zu machen und sich zu orientieren. So gelingt es ihnen auch, ihren Platz für ihr zukünftiges Nest zu finden. Gemeinhin wird das Salanganennest auch als "Schwalbennest" bezeichnet.

Wie gesagt, es wird aus der Spucke des Vogels gefertigt und das bringt eine besondere Bautechnik mit sich. Schicht für Schicht kleben sie ihren leicht angedickten Speichel an die Felswand und jedesmal müssen sie warten, bis eine Schicht getrocknet ist, dann erst kann die nächste aufgetragen werden. Es kann zwischen 39 und 55 Tage dauern, bis ein Nest fertig ist. Dann hat es die Form einer Halbschale und ist so stabil und fest am Fels verankert, dass Eier und Junge dort sicher sind. Die Eier selbst sind winzig und werden ca. 25 Tage lang bebrütet. Danach bleiben die Kleinen noch durchschnittlich 43 Tage im Nest und werden in dieser Zeit gefüttert.

Die Eltern gehen tagsüber auf Nahrungssuche und jagen hauptsächlich Kleintiere aus der Luft (Insekten, Spinnentiere, Käfer, u.a.). Die Weißnestsalanganen sind sehr gesellige Tiere und leben durchaus auch in riesigen gemischten Schwärmen mit anderen Seglern und Schwalben zusammen. Diese Vögel vollbringen wahrliche Meisterleistungen, sowohl im Nestbau als auch in der Brutpflege und sie verdienen wirklich höchste Achtung und Bewunderung.


Ihr größter Feind - der Mensch

Über sehr lange Zeiten waren die Höhlen ein sicherer Ort für die Weißnestsalanganen. In der geschützten Umgebung konnten sie ungehindert ihre Nachkommen großziehen. So konnten riesige Schwärme entstehen. In den Niah-Höhlen in Malaysia schätzte man die Anzahl der dort lebenden Vögel im Jahr 1931 auf ca. 2 Millionen. Eine neuere Zählung aus dem Jahr 1999 ergab nur noch ungefähr 300.000 Tiere. Was war in diesen 68 Jahren geschehen?

Der Mensch drang in ihre Brutgebiete, die hohen, dunklen Höhlen ein. Mit Leitern, Seilen und Licht kletterten sie die Felswände bis in größte Höhen hinauf und stahlen die Nester der Salanganen. Diese Arbeit war gefährlich und schwierig, denn die Vögel hatten ihre Nester gut am Fels befestigt. Aber das Risiko sind die Schwalbennestsammler eingegangen, denn es konnten - und so ist es auch noch heute - enorm gute Preise bei ihrem Verkauf erzielt werden.


Schwalbennestersuppe - eine gesunde Delikatesse?

Das halbschalenförmige Salanganennest hat einen Durchmesser von nur 6 cm, ist ca. 1,5 cm hoch und wiegt ungefähr 14 Gramm. Das Nest ist weißlich und erscheint fast durchsichtig. In der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) werden Schwalbennester zu Suppe verarbeitet und als eine Art Medizin verabreicht. Die soll gut für die Blutbildung sein und allgemein eine kräftigende Wirkung auf den Körper besitzen. Doch auch als Delikatesse wird die Schwalbennestsuppe in Asien, besonders in China, gern verspeist. Diese kulinarische Spezialität lassen sich mehr und mehr Restaurant-Besucher eine Menge kosten. Man spricht von den Schwalbennestern auch vom "Kaviar des Ostens" und sie sind ebenso oder sogar noch teurer. Kein Wunder, dass mit ihnen ein gewinnbringender Handel betrieben wird, was leider zur Folge hat, dass die Weißnestsalangen-Bestände rapide abnehmen. Die Nestsammler können für ihre "Beute" eine gute Stange Geld erzielen. In Malaysia werden beispielsweise Holzhäuser errichtet, um sogenanntes "Nest-Farming" zu betreiben. Diese Hütten haben mehrere Einflugöffnungen, aber keine Fenster. An den Wänden bauen die Salangenan ebenso ihre begehrten Nester, wie an Felsvorsprüngen. Doch für die Menschen ist es viel leichter, ihnen ihre mühselig errichtete Brutstätte zu rauben. In einem Jahr konnten in Malaysia über 200 Millionen Euro mit dem Schwalbennest-Geschäft erwirtschaftet werden. Die Gier nach mehr Geld und Gewinn scheint unbegrenzt und führt zu immer unwürdigeren Lebensbedingungen für diese Vögel, ähnlich der Massentierhaltung in den westlichen Industrienationen.


Die Folgen des Nest-Raubs

Eine Folge des Nest-Raubes ist, dass sich die Anzahl der wild lebenden Weißnestsalanganen, also jene, die in den dunklen, großen Felshöhlen nisten, extrem stark verringert. Ein weiteres ökologisches Problem ergibt sich aus den künstlich errichteten Nisthöhlen, die oft zuhauf an einem Ort errichtet werden. Die enorme Zahl an Salanganen, die hier ihre Nester bauen, brauchen natürlich auch etwas zu fressen. Sie ernähren sich von kleinen Spinnentieren, Käfern und vielen Insekten, auch jenen, die für die Bestäubung wichtig sind. Die Bauern in der Umgebung beklagen sich schon länger und sie befürchten, dass sich dadurch ihre Ernteerträge verringern. Auch viele Anwohner solcher Nisthäuser fühlen sich nicht wohl. Durch den Lärm und den Gestank der Vogel-Exkremente fühlen sie sich belästigt.

Gleich in zweifacher Hinsicht greift der Mensch auf eine schreckliche Weise in das Leben dieser Tiere ein. Zum einen werden die wild brütenden Weißnestsalanganen in ihrem Bestand bedroht, zum anderen führt das unwürdige "Nest-Farming" in den Nist-Häusern zu einer großen Belastung der Tiere. Ihnen werden wieder und wieder ihre Nester geraubt und die Vögel beginnen immer wieder mit dem Bau eines neuen. Daraus folgt eine hohe Stress-Belastung der Salanganen. Natürlich lässt der Mensch es zu, dass immer eine bestimmte Anzahl der Eier in den Nestern auch ausgebrütet werden kann, damit sie weitere Tiere für die Schwalbennest-Produktion erhalten.

Die Gier nach teuren kulinarischen Genüssen, die sich wohl in erster Linie nur wohlhabende Leute leisten können, macht es erforderlich, dass man sich um den Schutz dieser Vögel kümmern muss. Sie sollten wild und frei dort leben können, wo sie es schon immer getan haben. Ein Beispiel: Seit ca. 1994 bzw. 2003 besteht in Vietnam ein Naturschutz- und Meeresschutzgebiet. Weite Flächen werden vom Tieflandregenwald bedeckt, der Heimat und Rückzugsregionen für Wasservögel und Weißnestsalanganen bietet.

Eine grün bewaldete Insel ragt aus dem Meer - Foto: 2008 by Kok Leng Yeo [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons
Eine grün bewaldete Insel ragt aus dem Meer - Foto: 2008 by Kok Leng Yeo [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Das Naturschutzgebiet Cu-Lao-Cham in Vietnam
Foto: 2008 by Kok Leng Yeo [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://diepresse.com/home/leben/ausgehen/1271068/Schwalbennester_Der-Kaviar-des-Ostens

http://holidaycheck.de/prd/schwalbenhaeuser-schwalbennester-ban-laem-ein-kilo-vogelnest-um-1000-euro/e95c5fb4-e3d1-3edd-a98a-008466a70d40

TV-Sendung:
"Expeditionen ins Tierreich"
Dokumentationsreihe, Deutschland, 2011
Wie Tiere wohnen
Baumeister der Natur
Film von Mark Fletcher, Steve Greenwood
45 Min.



17. Oktober 2017


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