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WISSENSDURST/034: Himmelsleiter Wissenschaft - Unrecht der Starken ... (SB)



Ben und Stefan - Buntstiftzeichnung: © 2012 by Schattenblick

Grafik: © 2012 by Schattenblick

Auf Stefans Smartphone erklang krachlaut eine Schlagzeugsequenz aus "In-A-Gadda-Da-Vida", ein uraltes Musikstück aus der Zeit seiner Großmutter, dass Ben aber so gut gefallen hat, dass es sein Klingelton wurde. Eilig griff Stefan danach.

Stefan: "Was gibt 's, Ben?"

Ben: "Ach, ich wollte dir nur schon mal berichten, was ich so in Erfahrung gebracht habe und fragen, ob du vorbeikommen willst?"

Stefan: "Komm du doch lieber zu mir, denn ich habe inzwischen mit meiner Mutter ein sehr interessantes und na ja, emotionales Gespräch gehabt, du kennst sie ja, wenn sie sich so über etwas aufregt. Und über die Vernichtung der Lebensräume von Menschen und Tieren durch das Abholzen und Roden der Regenwälder ist sie sehr ungehalten, geradezu fassungslos. Aber sie nannte einige Aspekte, die ich so noch nicht bedacht hatte."

Ben: "Abgemacht, bin gleich bei dir."

Ben schwang sich auf sein Fahrrad und düste los in Richtung Stefans Wohnung. Wenig später saßen die beiden am Küchentisch bei Cola und Keksen.

Stefan: "Gestern habe ich meiner Mutter also erzählt, dass wir uns weiterhin mit der Herstellung von Bio-Kraftstoff und der Vernichtung der Regenwälder befassen, weil uns noch so vieles nicht klar ist, also, die Zusammenhänge und die Folgen und so. Daraufhin stand sie auf, ging ins Wohnzimmer und kam mit einer DVD zurück. Wir sahen uns einen Film an, der von der Freundschaft zwischen einem französischen Fotografen und einem Waldbewohner handelt. Der Waldmensch zeigt dem Fotografen, der auch den Film gedreht hat, wie sie schon immer im Wald und vom Wald gelebt haben. Mann, ich sag' dir, das ist ganz schon gefährlich und die Menschen dort müssen sich schon richtig gut mit den Gefahren auskennen und vor allem, wie man sie vermeiden kann."

Ben: "Ich weiß nicht viel über das Leben und die Bewohner im Regenwald, aber ich bin ziemlich sicher, dass ich dort nicht leben möchte. Die giftigen Schlangen und Spinnen oder wie soll man wissen, was man essen kann ohne daran zu sterben. Ich weiß nicht mal, welche Tiere es dort gibt, ob sie gefährlich sind und all so was. Keinen Schritt würde ich mich dort trauen, ohne ständig nach oben und unten zu sehen, ob irgendwo eine Gefahr lauert."

Stefan: "Klar, geht mir auch so. Aber lass' mich mal weiter erzählen, ich fasse mich kurz. Dieser Waldmensch hatte seine Einstellung zum Wald bekundet. Er sagte sie leben schon seit vielen, vielen Generationen dort. Der Wald ist ihnen Vater und Mutter, er beschützt sie und sie ihn. Sie jagen stets nur das, was sie auch sofort verspeisen können, denn bei dem Klima könnte man kaum etwas aufheben, das würde sofort schlecht werden. Sie kennen kein Geld und tragen keine Kleidung, nur Schmuckbänder und einen Lendenschurz zum Schutz."

Ben: "Das wäre auch nichts für mich ..."

Stefan: "Das ist doch klar, aber wenn du dort geboren worden wärst, dann wäre das doch völlig normal, weil alle anderen auch so herumlaufen. Und irgendwie leuchtet mir das auch ein. Denn dort regnet es ziemlich oft und sollten die Menschen schmutzig werden, so wäscht der nächste Regen sie wieder sauber. Stell' dir doch vor, sie würden Klamotten anziehen, dann müssten sie die doch waschen, bräuchten Waschmittel und all so was. Es ist dort stets warm genug und die Leute wissen sich auch vor Ungeziefer durch Einreiben mit bestimmten Pflanzen zu schützen."

Ben: "Wie dem auch sei. Ich bin froh, dass ich hier lebe, in der Stadt. Trotzdem beunruhigt mich etwas an der Sache. Selbst wenn ich nicht so leben möchte wie die Waldmenschen, ist das doch noch lange kein Grund, ihre Heimat zu zerstören. Und Tatsache ist doch, dass USA, China oder Europa beispielsweise in Brasilien oder Indonesien Land aufkaufen, Land auf dem zuvor Regenwald wuchs, der gerodet wurde - von wem auch immer - um Weideland für die Fleischproduktion daraus zu machen oder Palmöl-Plantagen anzulegen oder Kakaopflanzen anzubauen. Soviel jedenfalls habe ich schon herausgefunden."

Stefan: "Fassen wir mal zusammen. Dein Vater hatte uns letztes Mal gesagt, dass man in Europa, speziell die damalige Regierung in Deutschland, davon ausging, dass der Bedarf an Bioethanol aus dem einheimischen, ich glaube, Rapsanbau gedeckt werden könnte - und das war nicht möglich. Selbst wenn man in ganz Europa ölhaltige Pflanzen anbauen würde, es hätte nicht gereicht. Folglich hielt man nach anderen Möglichkeiten Ausschau ..."

Ben: "... und entdeckte die Palmöl-Pflanze."

Stefan: "Also, so wie ich das jetzt verstanden habe, war die schon lange bekannt, denn Palmöl ist in unfassbar vielen Produkten enthalten, in Lebensmitteln und Kosmetika, in einer bekannten Nusscreme, in Fertigpizza, in Hundefutter und Shampoo zum Beispiel. Aber dafür brauchte man nur vergleichsweise geringe Mengen. Man wusste also schon über die Ergiebigkeit der Ölfrucht Bescheid und auch, dass sie sehr günstig zu haben ist, weil die Arbeiter dort total wenig Lohn erhalten."

Ben: "Und als dann der Hype um den Bio-Sprit losging, da begann die Vernichtung der Regenwälder im großen Stil, denn man brauchte Unmengen an Öl.Ich weiß nur nicht, wie das alles funktionieren kann. Ich meine, wurden die dort lebenden Menschen denn überhaupt gefragt, oder hatten sie ohnehin nichts zu entscheiden. Wem gehörte das Land? Wem gehörte der Wald?"

Stefan: "In dem Film erklärte der Waldbewohner, für sie gilt, dass der Wald niemandem gehört und gehören kann. Sie verdanken ihm alles, aber sie würden deswegen nicht sagen, er wäre ihr Besitz. Sie kennen kein Geld und kein Eigentum, haben also auch bestimmt keine Landbesitzurkunden oder was man da so braucht. So war es sicher ein Leichtes, ihnen alles zu rauben. Ich glaube sogar, dass sich in Indonesien das ganze Land mit Wäldern im Besitz der Regierung befindet, die frei und nach ihren eigenem Interessen darüber verfügen kann. Warte mal, ich habe mir eine Zahl aufgeschrieben, ah ja, hier: die Anbaufläche für Ölpalmen soll in Indonesien seit 1981 von 2.300 Quadratkilometern auf ca. 90.000 Quadratkilometer im Jahr 2015 vergrößert worden sein. Das ist gigantisch, ich kann 's mir kaum vorstellen."

Ben: "Dann scheint der Regierung dort das Leben der Menschen im Wald und auch das der Tiere nichts zu bedeuten?"

Ein großes, längliches Baumhaus mit Spitzdach auf hohe Stämme gestellt, als Schutz vor Feinden aller Art - Foto: 2006 by Jayapura, Indonesia (Korowai Treehouse) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Baumhaus der Korowai, einem Volksstamm aus Papua Neuginea
Foto: 2006 by Jayapura, Indonesia (Korowai Treehouse) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Stefan: "In Indonesien wird der Regenwald als ungenutztes Land angesehen, das für Öl-Palmen, Weiden und die Besiedlung gebraucht wird. Es wird einfach bestritten, dass es im Wald lebende Naturvölker gibt. Die Menschen, die sogenannten Papuas, werden aus dem Wald geholt und zwangsweise zivilisiert. Sie sollen ihre Baumhäuser verlassen und Hütten bauen und vor allem sollen sie Hosen tragen. Ihre Kultur und Lebensweise wird gewaltsam zerstört. Aber gleichzeitig wird versucht, den Waldmenschen Versprechungen zu machen."

Die Aufnahme ist von schräg unten fotografiert und gibt einen Einblick auf den Eingang des Baumhauses - Foto: 2006 by Jayapura, Indonesia (Korowai Treehouse) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Eingangsbereich des Baumhauses
Foto: 2006 by Jayapura, Indonesia (Korowai Treehouse) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Ben: "Was für Versprechungen denn?"

Stefan: "Ich habe gelesen, dass ihnen gesagt wird, sie erhielten Essen zugeteilt, Reis und Hühner und sie würden Kleidung erhalten, angefangen mit einer Turnhose. Und sie würden Arbeit bekommen und das Leben in Hütten sei viel angenehmer. Es gab wohl einige, die sich davon haben locken lassen ..."

Ben: "... weil sie bestimmt nicht damit gerechnet haben, was für Folgen das Ganze auch für sie hat."

Stefan: "Ja, das glaube ich auch. Wollen wir uns noch um die Auswirkungen der Vernichtung der Regenwälder auf das Klima dort und weltweit kümmern?"

Ben: "Und was der Verlust der Baumarten und anderer Pflanzen bedeutet, vor allem was all das für die dort lebenden Tiere bedeutet."

Stefan: "Okay, das machen wir!"

Ben: Nun jetzt aber nicht mehr, denn ich habe da ein klitzekleines Problem. Ich habe versprochen, heute rechtzeitig zum Abendessen zu Hause zu sein."

Fortsetzung folgt ...



Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

http://www.faszination-regenwald.de/info-center/zerstoerung/palmoel.htm

http://www.watchindonesia.org/1645/der-untergang-der-waldmenschen?lang=de

http://www.zeit.de/2015/52/indonesien-borneo-umwelt-urwald-waldbrand

TV - Dokumentation
"Wir tanken Regenwald"
Die Lüge vom Bio-Diesel
Dokumentation, Deutschland, 2016
Film von Florian Schneider, Ines Rainer
45 Min.


6. Juni 2017


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