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ARBEITERSTIMME/206: Großbritannien - Der Durchbruch der British National Party


Arbeiterstimme, Winter 2009/2010, Nr. 166
Zeitschrift für die marxistische Theorie und Praxis
- Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein! -

Der Durchbruch der BNP


Unter der Führung von Nick Griffin ist in den letzten Jahren der Einfluß der BNP (British National Party) gewachsen. Mit den Kreistagswahlen und der Europawahl vom 4. Juni hatte die BNP ihren Durchbruch. Sie gewann einen Sitz im Kreistag von Lancashire und Sitze im Europaparlament in Nordwestengland und in Yorkshire. Die BNP hat jetzt auch ungefähr 60 Gemeinderatssitze. Ende 2007 hatte sie 10.000 Mitglieder. Vor kurzem wurde eine Mitgliederliste der BNP veröffentlicht - illegal beschafft - die 11.600 Mitglieder aufwies, einschließlich eines Angehörigen des House of Lords, also des britischen Oberhauses. Dieser Aufstieg der BNP verlangt nach einer Erklärung.

Der Faschismus begann in Großbritannien mit Oswald Mosleys New Party, einer Abspaltung von der Labour Party, wegen deren Unwillen, während der ökonomischen Krise von 1931 irgend etwas gegen die Massenarbeitslosigkeit zu unternehmen. Die Labour-Regierung kürzte sogar die Arbeitslosenentschädigung. Ramsey McDonald verließ die Partei und führte, zusammen mit einigen Unterstützern, eine "Nationale Koalition" an. Mosleys Partei wurde bald zur British Union of Fascists. Er bewunderte und kopierte Mussolini, seine BUF wurde größtenteils von ihm finanziert bis zum Aufstieg von Hitler an die Macht, als Mosley seine Gefolgschaft übertrug, den Antisemitismus übernahm und die Juden anzugreifen begann, speziell im Londoner East-End.

Mosley wurde unterstützt von bestimmten Zeitungen und Elementen in der herrschenden Klasse, die Mussolini und Hitler bewunderten wegen ihrer Unterdrückung der "Kommunistischen Gefahr" und der Aktivitäten der Gewerkschaften. Aber der Faschismus wurde in Großbritannien nicht benötigt, da die Kommunisten keine Bedrohung darstellten und die Gewerkschaften seit dem Ende des 1. Weltkriegs bis zum Generalstreik von 1926 eine Niederlage nach der anderen erlitten hatten; der Aufstieg der Labour Party wurde unterbrochen durch den Verrat von McDonald & Co.

Mosley wurde während des Krieges von 1939 bis 1945 interniert, er begann seine Aktivitäten aber wieder in den Nachkriegsjahren des Mangels und des Wiederaufbaus, nur dass er jetzt Einwanderer aus Westindien im Blickfeld hatte, die herübergebracht worden waren, um Lücken in der Arbeiterschaft zu füllen. Aber die verschiedenen faschistischen Gruppierungen blieben marginal bis zum Aufkommen der National Front in den 70er Jahren, die sich auf Einwanderer vom indischen Subkontinent einschossen. Diese waren geholt worden, um in der Textilindustrie zu arbeiten oder sie waren aus den frisch unabhängig gewordenen früheren britischen Kolonien in Ostafrika hinausgeworfen worden. Die Letzteren waren qualifizierte Arbeiter oder Fachleute aus der Mittelklasse, nicht ungebildete Bauern, wie es die Ersteren oft waren.

Die National Front wurde von der Linken bekämpft mit der Anti-Nazi League und Rock Against Racism, die von vielen der besten Bands und Musiker unterstützt wurden. Sie nutzten die Musik, um den jungen Leuten eine Botschaft zu senden. Zu dieser Zeit war das British Movement eine kleine extrem gewalttätige Neonazi-Gruppe. Die National Front zersplitterte letztendlich und der Aufstieg von Thatchers aggressiver rechtsgerichteter Politik machte die Tory-Partei attraktiv für manchen rechtsgerichteten Nationalisten und Rassisten.

Thatchers Ansichten und besonders ihre Anti-EU-Position, verbunden mit der desaströsen Einführung einer Poll Tax (Kopfsteuer), der mit einer massenhaften Zahlungsverweigerungsbewegung begegnet wurde, führte zu ihrer Absetzung. Seit damals haben nachfolgende Führer der Tories darum gekämpft, die Partei von einem Standort ganz rechts im politischen Spektrum zurück ins Zentrum zu bringen und der letzte, David Cameron, bemüht sich, dass sie mehr wie Blairs New Labour wird. Auf diese Weise ist Raum für eine rechtsgerichtete nationalistische und rassistische Partei entstanden. Das British Movement wurde zur BNP. Nick Griffin änderte ihr Image, indem er sich der älteren Neonazi-Führer entledigte, und er warf die alte politische Nazi-Last über Bord, um respektabel zu erscheinen.

Da New Labour Thatchers Wirtschaftspolitik fortsetzt und sich bemüht, attraktiv für soziale Schichten zu werden, die normalerweise Tories wählten, hat sich Labour seiner traditionellen Anhängerschaft entfremdet. Dann kam im Laufe des Jahres heraus, dass sich Abgeordnete Häuser gekauft, sie ausgestattet haben und allgemein ihre Spesenzulagen mißbrauchten, um in Saus und Braus zu leben. Die Details wurden Tag für Tag im Daily Telegraph veröffentlicht, bevor sie zensiert werden konnten. So fanden die Wahlen am 4. Juni in einer Situation der Unzufriedenheit mit New Labour sowie der Auswirkungen der Banken- und Finanzkrise statt; übertroffen wurde das alles noch durch die Empörung über korrupte Praktiken der Parlamentarier.

Eine hohe Zahl von Stimmenthaltungen führte zu einem Kollaps der Unterstützung für Labour. Sie verloren die Mehrheit in den letzten vier Kreistagen (county councils), in denen sie noch eine hatten. Labour landete auf dem dritten Platz hinter den Tories und den Liberaldemokraten. Bei der Wahl zum Europäischen Parlament wurde Labour Dritter hinter den Tories und der anti-europäischen UKIP (UK Independence Party). Für die Europawahlen ist das Land in Regionen aufgeteilt, in denen die Parteien mit Listen antreten. Im Gegensatz zu anderen Wahlen wird hier ein Proportionalsystem angewandt. So schaffte es die BNP, dass Nick Griffin in Nordwest-England gewählt wurde und ein anderer alter Nazi, Andrew Brons, in Yorkshire. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 35 Prozent. Von diesen erhielt Griffin 8 Prozent und Brons 9,8 Prozent. Landesweit erhielt die BNP 6,2 Prozent, sie erhielt insgesamt 943.598 Stimmen. Die Gesamtzahl der Stimmen für die BNP in den zwei Regionen, wo sie Sitze errang, war niedriger als bei der letzten Wahl, aber wegen der niedrigen Wahlbeteiligung ausreichend, um diese Mandate zu erringen. Landesweit aber stieg die Anzahl der Stimmen für die BNP um 1,3 Prozent an.

Die BNP hat sich in bestimmten Städten in Lancashire im Nordwesten von England, wo jahrhundertelang Baumwolle hergestellt wurde, eine Basis geschaffen. Wie der Kohlebergbau und die Metallindustrie, ist auch diese Industrie verschwunden. Die einheimische Arbeiterklasse fühlt sich von Labour betrogen und die BNP kann auf Moslems vom indischen Subkontinent als das Problem zeigen - heute steht der Islam im Brennpunkt der rechtsgerichteten Rassisten. Während des Wahlkampfs gab es viele Aktivitäten gegen die BNP von anti-rassistischen Organisationen, den Gewerkschaften, wie auch von religiösen Führern. Alle großen Parteien warnten vor der BNP. Die Medien berichteten viel darüber und verdeutlichten, dass die BNP eine gefährliche faschistische Organisation ist. Dies war vermutlich auch in der Gegend von Barnsley in Yorkshire der Fall und in anderen Teilen des Landes, wo die BNP eine Basis aufgebaut hat. Aber es schien nicht zu wirken.

Seit den Wahlen fand eine Diskussion unter antifaschistischen und antirassistischen Aktivisten statt über die Notwendigkeit, neue Wege zur Bekämpfung der BNP zu finden. Sie Nazis zu nennen, Belege aus der Vergangenheit für das gewalttätige Benehmen von Griffin und anderen Prominenten der BNP herauszustellen, ihre Leugnung des Holocaust usw., das ist nicht genug. Aufgrund ihres neuen, respektablen Images glauben die Wähler das nicht oder in anderen Fällen interessiert es sie nicht. Die meisten Wähler der BNP, sogar einige ihrer Abgeordneten, sind ehemalige Wähler von Labour, manchmal ehemalige Mitglieder. Daher kann eine Taktik, den Menschen zu erzählen, sie sollten Labour wählen, nicht funktionieren, wenn sie Labour die Schuld für ihre Probleme geben. Es muß eine Alternative zu Labour auf der Linken geben; aber diejenigen, die es gibt, sind nicht glaubwürdig. Gegenwärtig gibt es mindestens drei antirassistische Organisationen; die Schaffung einer vereinigten Organisation wäre ein Anfang. Die bestehenden Alternativen zu Labour auf der Linken sind entweder undemokratisch, wie Arthur Scargills SLP, oder sie haben sich gespalten, wie die SSP in Schottland und Respect. In wenigen Monaten werden Wahlen zum Unterhaus stattfinden; sollte Labour zermalmt werden, wie es sicher der Fall sein wird, besteht die Möglichkeit, dass sie auseinander bricht, weil sie unter New Labour zu einer leeren Hülle geworden ist, von oben gesteuert, ohne Beteiligung der Mitglieder. Die Gewerkschaftsführer halten den Schlüssel zur Zukunft in der Hand - kann Labour wieder aufgerichtet werden oder fangen wir wieder mit einer neuen Partei an?

m.j. (17.11.09)


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Quelle:
Arbeiterstimme, Nr. 166, Winter 2009/2010, S. 21-22
Verleger: Thomas Gradl, Postfach 910307, 90261 Nürnberg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2010