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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1445: Elektroautos - Ein Beitrag zum Umweltschutz?


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 9 - September 2010
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Elektroautos
Ein Beitrag zum Umweltschutz?
Eine Studie im Auftrag der Europäischen Linkspartei sagt Nein

Von Rolf Euler und Angela Klein


Ist der reine Elektroantrieb für den Pkw eine Lösung für die Umweltbelastung durch den Verkehr? In einer Studie, die im Auftrag der Europäischen Linkspartei durchgeführt wurde, haben Wissenschaftler den Beitrag des Elektroautos zum Umweltschutz geprüft und widerlegen interessierte Werbeschlagworte.[*]


Das Elektroauto wird als zukünftige Alternative zum erdölgebundenen Autofahren propagiert - nicht hauptsächlich von Umweltverbänden, sondern von der Elektroindustrie, einigen Autokonzernen und der Bundesregierung. 2020 sollen eine Million Autos mit reinem Elektroantrieb fahren - im Unterschied zu den bisher erhältlichen sog. Hybrid-Fahrzeugen, deren Elektromotor nur in der Stadt und beim Beschleunigen läuft, während auf langen Strecken ein Verbrennungsmotor für den Vortrieb und gleichzeitig die Ladung der Akkumulatoren sorgt.


Das E-Auto ändert nichts am Verkehrsaufkommen

Die erste entscheidende Einschränkung, die die Wissenschaftler feststellen, lautet: Wenn von den interessierten Kreisen der Industrie über Elektromobilität gesprochen wird, bezieht sich das auf den bestehenden Pkw-Verkehr, der nicht verringert werden soll. Elektromobilität meint nicht die grundlegende Umstellung des Verkehrssystems weg vom Individualverkehr. Auch der zunehmende Lastwagenverkehr ist überhaupt nicht im Fokus, für ihn steht eine E-Auto-Lösung im bisher bekannten Sinne überhaupt nicht zur Verfügung, nur die (Rück-)Verlagerung auf die Schiene macht da Sinn. Der CO2-Ausstoß eines Pkw trägt natürlich erheblich zur Gesamtbelastung des Klimas bei. In Deutschland stammen fast 18% der klimaschädlichen Kohlendioxidemissionen aus dem Straßenverkehr.

Der Elektroantrieb wird für ähnliche Pkw-Modelle gebaut wie die bisher bekannten - vorzugsweise für Klein- und Mittelklassewagen wie den Elektro-Smart, der schon zur Probe gefahren werden konnte. Je größer das Fahrzeug, desto stärker die Motorleistung und damit die Batterieleistung, die eingebaut werden muss. Geht man von der jetzigen Fahrleistung eines im Normalbetrieb fahrenden Pkw aus, sind dessen Reichweite wie auch Höchstgeschwindigkeit mit einem Elektromotor nur dann zu erreichen, wenn mehrere hundert Kilogramm Akkuleistung eingebaut werden.

Die Mehrzahl aller im Auto zurückgelegten Fahrten kann ohne weiteres von E-Autos geschafft werden - 80% der Strecken, die durchschnittlich in Deutschland gefahren werden, sind kürzer als 20 Kilometer - vorausgesetzt, am Zielort steht eine Ladestation. Das Elektroauto wäre damit mehr oder weniger ein reines Stadtfahrzeug, also eher der "berühmte" Zweitwagen, zusätzlich zur Reiselimousine. Die Reiselimousinen sind bisher nicht für die Umstellung auf Elektromotor vorgesehen; sie werden weiterhin mit Benzin oder Diesel angetrieben, bestenfalls mit Hybridmotoren ausgestattet.

Das E-Auto schafft den Konzernen damit einen zusätzlichen Absatzmarkt, nur in kleineren Mengen Ersatz für jetzige Autos.

Der Nebeneffekt wäre, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoß eines Herstellers sinken und damit die Zulassung größerer verbrauchsintensiver Fahrzeuge weiter ermöglichen würde. Wird doch dabei auf die sog. "Null-Emission" im Fahrbetrieb selbst abgestellt, unabhängig von der Frage, wie der Strom erzeugt wird, der dort verbraucht wird. Die Modellpolitik der Hersteller Audi, Daimler, Porsche spricht da für sich - immer mehr Allrad- und Luxusmobile stehen in den Verkaufshallen.


Milliardeninvestitionen

Das E-Auto ist ein Beatmungsprogramm für die Energie- und Autokonzerne. RWE plant in NRW ein Stromversorgungsnetz für ein Pilotprojekt mit Ladestationen und anfänglich Autos auf Mietbasis. Das Laden von Autoakkus auf Park-and-Ride-Plätzen und an anderen öffentlichen Stellen erfordert dabei ein gigantisches Investitionsvolumen. Evonik (früher RAG) steigt in Bau und Entwicklung von Akkus ein. Volkswagen will in wenigen Jahren serienreife Fahrzeuge auf den Markt bringen. Daimler hat den Smart als Elektroauto vorgestellt. Diese Firmen propagieren den reinen Elektroantrieb und behaupten, die hohen Kosten der Batterien würden bei Massenproduktion sinken.

Die dazu notwendigen Investitionen werden von der Bundesregierung großzügig gefördert. Bis 2020 sollen eine Million Elektro-Autos auf deutschen Straßen fahren - dieses zuerst von Bundesumweltminister Gabriel verkündete Ziel wurde von seinem Nachfolger Röttgen übernommen. Im Konjunkturprogramm II wurden dafür insgesamt 500 Millionen Euro bereit gestellt, davon 100 Millionen allein für den Elektroantrieb.

Für die Kunden wird die Sache teuer: Die Kosten für Lithium-Ionen-Akkus in der erforderlichen Größenordnung werden auf 10.000-20.000 Euro geschätzt. Nach 100-150 Kilometer Fahrleistung muss ein solcher Akku wieder aufgeladen werden, was mehrere Stunden dauert. Ein Akku kann bislang aber nur einige hundert Ladezyklen durchhalten, das heißt, dass er für ein geplantes Autoleben nicht reichen würde.

Das Problem der langen Tankzeiten wollen einige Hersteller durch den Einsatz von Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien (LiFePo4) lösen, die mit halb soviel Lithium auskommen, nicht in Brand geraten und sich in wenigen Minuten aufladen lassen. Doch auch in diesem Fall müssten alle drei Jahre 6000 Euro für eine neue Batterie hingelegt werden.


Weg von den fossilen Energien

Bis 2020 sollen die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr gegenüber dem Jahr 1990 um ein Viertel verringert werden - deutlich weniger als die Gesamtemissionen, die um ein Drittel sinken sollen.

Die genannte Studie sieht die Aussichten kritisch, ob dies mit Elektroautos gelingen kann. Neben der Lösung der Akkuprobleme ist die entscheidende Frage, aus welchen Quellen der Strom erzeugt wird. Der heutige Strommix enthielt 2009 noch zu etwa 57% fossile Energien und über 22% Kernenergie; Windkraft, Biomasse, Wasserkraft und Fotovoltaik machten 14,8% aus. Die Studie meldet jedoch Zweifel an, ob der wesentliche Antrieb für den Ausbau des Elektroautos aus dem Wunsch kommt, den Anteil der regenerativen Energiequellen am gesamten Stromverbrauch zu steigern. Wie vor vielen Jahren von den Energieversorgern die Elektrospeicherheizungen propagiert wurden, weil sie die Kraftwerke in Dauerbetrieb in der Grundlast auch nachts ausnützen wollten, so wird heute der elektrische Autoantrieb und die Ladung von Akkus als Ziel der Stromerzeugung behandelt, gänzlich unabhängig von der Frage, aus welcher Quelle dieser Strom kommt. Für die Energiekonzerne geht es dabei um die Steigerung ihrer Umsätze, für die Automobilkonzerne um die Schaffung eines neuen Produkts, das angesichts der Klimadiskussion eine höhere gesellschaftliche Akzeptanz verspricht als die bisherigen Luftverschmutzer, deren Treibstoffverbrauch sich bislang nicht in einem ausreichenden Maße senken ließ.

Die Wissenschaftler haben die Kohlendioxid-Werte eines Elektro-Smart und eines konventionellen Smart gemessen. Dabei geben sie bei den konventionellen Antrieben den direkten Ausstoß an, der bei der Ottomotorvariante 103 g/km, bei der Dieselmotorvariante 88 g/km beträgt; bei der Elektromotorvariante gehen sie vom bestehenden Strommix aus, demzufolge beträgt der Ausstoß 71 g/km.

Beim bestehenden Strommix würde eine Ersetzung des bisherigen Pkw-Fuhrparks durch E-Autos also nur unerheblich CO2 einsparen - bei allerdings erheblichen Mehrkosten für den Verbraucher. Dabei ist noch unberücksichtigt, dass moderne Autos mit sehr vielen elektrischen Vorrichtungen versehen sind (vom Licht über Heizung und Servos bis zur elektronischen Steuerung), die beim E-Auto alle zusätzlich von der Akkuladung abhängen und dessen Reichweite bis zur Neuladung entsprechend verkleinern. Im Winter käme erschwerend die temperaturabhängige Minderleistung der Batterie dazu.

Die Studie stellt daher fest, dass das Ziel, den Kohlendioxid-Ausstoß im Verkehr zu senken, mit anderen Mitteln billiger und schneller erreicht werden kann, als wenn der Individualverkehr auf kurzen Strecken mit E-Autos bewältigt wird, ohne dass sich sonst am Strommix etwas ändert. Selbst bei normalen Autos wäre eine Schadstoffreduktion jetzt schon mit viel geringeren Kosten als bei Umstellung auf E-Antrieb möglich: durch Gewichtsreduktion, kleinere Motoren und geringere erreichbare Höchstgeschwindigkeit und geringere Beschleunigungswerte. Der VW Polo, der statt 5,5 nur 3,5 Liter Durchschnittsverbrauch erreicht, kostet nur 3000 Euro mehr.

Die Wissenschaftler akzeptieren, dass der E-Antrieb trotzdem für viele Zwecke nützlich ist, weil es gerade in Städten auch auf die Umweltbelastung in den Straßen ankommt. Dies macht jedoch nur dann Sinn, wenn der eingesetzte Strommix massiv auf erneuerbare Energien umgestellt wird und die Elektromobilität diesen regenerativen Strom nicht anderen Verwendungen "entzieht", wo er ebenfalls dringend zur Schadstoffreduzierung benötigt wird.


Autoakkus als Netzpuffer?

Der in den letzten Jahren erfolgte Ausbau von regenerativen Energiequellen, Wind und Sonne (allein im letzten Jahr über 3 GWp zusätzliche Fotovoltaik), hat nach Ansicht der Fachleute einen massiven Regelbedarf, um das wetterbedingt schwankende Angebot und die ebenfalls im Tages- und Jahresverlauf schwankende Nachfrage, die allerdings relativ bekannt ist, auszugleichen.

Die Studie bewertet auch die Idee, diesen Ausgleich über eine große Zahl von Autoakkus zu erreichen, die ans Stromnetz gehängt werden. Zu Zeiten geringen Verbrauchs, etwa nachts, werden dabei die Akkus geladen; wenn Spitzenverbräuche es erfordern - z.B. wenn sie tagsüber auf dem Firmenparkplatz an der Ladesteckdose hängen - werden sie über das Stromnetz entladen.

Darin sehen die Wissenschaftler jedoch keine ausreichende Antwort auf die Notwendigkeit, den Energieeinsatz grundsätzlich umzustellen, zumal diese Lastverteilung auch beim bestehenden Strommix schon nötig ist. Leider gehen sie auf das Problem nicht näher ein - zum Beispiel durch eine Erläuterung, wie viel Strom bei Lastspitzen tatsächlich gebraucht wird (heute springen dann Gasturbinengeneratoren an) und wie viele Autos dann zum Entladen "am Netz" hängen müssten, deren Besitzer es vorübergehend nicht brauchen.


Lithium - woher nehmen und nicht stehlen?

Als leistungsfähigere Akkus werden seit Jahren Lithium-Ionen-Akkus eingesetzt. Aus Mobiltelefonen, Digitalkameras und Laptops sind sie nicht mehr wegzudenken. Auch für Autos werden sie entwickelt wegen der höheren Leistungsdichte. Aber: Wo wird Lithium gewonnen? Da macht es doch sehr stutzig, dass vor einiger Zeit US-Militäruntersuchungen bekannt gaben, in Afghanistan seien große Vorkommen an Lithium erkannt worden - abgesehen von anderen interessanten Bodenschätzen. Auch aus dem Hochland von Bolivien werden wichtige Vorkommen gemeldet, um die sich ausländische Firmen bemühen. Die große Nachfrage nach Lithium wird noch steigen, wenn wie geplant gesteigerte Mengen großer Auto-Akkus aus diesem Element hergestellt werden sollen. Der Hinweis auf Vorkommen in Afghanistan sollte sehr nachdenklich machen über die Hintergründe des dortigen Krieges.


Elektromobilität anders gedacht

Wenn Elektromotoren für den Verkehr eingesetzt werden, sollte der Einsatz zuerst dort erfolgen, wo der elektrische Betrieb schon seit langer Zeit erfolgreich ist: in Bussen des öffentlichen Nahverkehrs. Hier spielt das zusätzliche Gewicht keine so große Rolle, und an jeder Wendestelle kann eine Ladestation eingerichtet werden. Weiter können alle Kurzstreckenfahrzeuge (Mofas, Roller, Taxis...) auf Elektro umgestellt werden.

Doch es bleibt die Frage: Geht es nur darum, jetzt noch preisgünstiges Benzin oder Diesel künftig durch teuren Strom zu ersetzen? Oder müssen nicht vielmehr drastische Maßnahmen zur Verringerung des CO2-Ausstoßes, der Lärmemission, des Ressourcenverbrauchs unternommen werden? Letztlich geht es doch darum, von der Verbrennung fossiler Brennstoffe wegzukommen - ohne Einsatz von Atomenergie?

Und dies geht am einfachsten und preiswertesten durch die Abkehr vom Schwerpunkt auf den Individualverkehr.


[*] Axel Friedrich/Rudolf Petersen, "Der Beitrag des Elektroautos zum Klimaschutz - Wunsch und Realität". Eine Studie im Auftrag der Fraktion DIE LINKE im Europaparlament.


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 9, 25.Jg., September 2010, S. 12
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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Die Soz erscheint monatlich und kostet 3 Euro.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2010