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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2062: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (III)


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 7/8 Juli/August 2016
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (III)[*]
Der Aufstand der Generäle

Von Paul Michel


Vor 70 Jahren öffnete der Wahlsieg der linken "Volksfront" in Spanien den Weg für eine revolutionäre Entwicklung. Dagegen formierten sich die faschistischen Kräfte, die versuchten, die neu gewählte Regierung Quiroga wegzuputschen.


Der Plan für den Putsch sah so aus: Am 18. Juli wollten die Putschisten im Handstreich alle Garnisonen in Spanisch-Marokko in ihre Hand bringen. Am 19. Juli sollte Franco von den Kanaren kommend in Marokko landen, den Aufstand proklamieren und das Kommando übernehmen. Dann sollten die Fremdenlegion und die Moros von der Flotte auf das Festland übersetzen. Dort sollten inzwischen die anderen Putschgeneräle in ihren Bereichen die Macht übernommen haben: General Mola im Norden, General Goded in Barcelona und General Queipo de Llano in Andalusien. Dann wollten sie zusammen mit Francos Fremdenlegion im Zangengriff auf Madrid marschieren.


Republikanische Regierung wiegelt ab

Am Nachmittag des 17. Juli 1936 begann der Putsch in Melilla, Spanisch-Marokko. Die Rebellen erschossen den Garnisonsbefehlshaber General Romerales und besetzten die Stadt. Am nächsten Tag war ganz Spanisch-Marokko in ihrer Hand, wer Widerstand leistete, wurde niedergemacht. General Franco setzte von Gran Canaria in einem schon eine Woche zuvor aus England gebrachten Flugzeug nach Marokko über.

Anstatt alle republiktreuen Kräfte zu mobilisieren und die Arbeiter zu bewaffnen, spielte die Regierung das Problem herunter. In einem Kommuniqué vom 18. Juli räumte sie ein, dass "ein Teil der Armee" sich in Marokko erhoben habe. Gleichzeitig versicherte sie jedoch, dass sich "auf der Halbinsel niemand, absolut niemand einem so sinnlosen Unternehmen angeschlossen hat". Nachrichten von Erhebungen der Putschisten in Malaga und Sevilla wurden von der Regierung dementiert.

Den ganzen Tag über benahm sie sich, als habe sie das Land unter Kontrolle und als seien keine besonderen Maßnahmen erforderlich. Noch am Abend des 18. Juli wies Ministerpräsident Casares Quiroga in einer Kabinettsitzung die von Largo Caballero im Namen der UGT erhobene Forderung, Waffen an die Arbeiter auszugeben, zurück. Als am selben Abend die Gewerkschaften CNT und UGT zum Generalstreik aufriefen, trat Casares Quiroga zurück. Der neue Regierungschef Diego Martínez Barrio, der "Hohepriester des Kompromisses", repräsentierte den rechten Flügel der Volksfront und war ebenso wenig bereit zur Mobilisierung des Widerstands gegen die Putschisten wie Casares Quiroga. Martínez Barrio suchte den Kompromiss mit ihnen und soll sogar für einige der aufständischen Generale Ministerposten freigehalten haben.

In Madrid strömten derweilen spontan Hunderttausende auf die Straße und forderten Waffen für den Kampf gegen die Generäle. Martínez Barrio lehnte das ab, weil er in einer Bewaffnung der Arbeiter das Ende der parlamentarischen Ordnung und den Anfang einer Arbeiterrevolution zu sehen glaubte. Unter dem Druck der Arbeiterschaft musste er aber noch am gleichen Abend zurücktreten. Sein Nachfolger José Giral verfügte am 19. Juli endlich die Ausgabe von Waffen an die Milizen der Arbeiterparteien und Gewerkschaften.

Mittlerweile hatten die Putschisten einige Regionen unter ihre Kontrolle gebracht. In Navarra, der traditionellen Hochburg der Karlisten, übernahmen die Truppen von General Mola die Macht. Schnelle Erfolge erzielten die Putschisten auch in Algeciras und Córdoba. Ihr größter Erfolg war in Sevilla, das als Bollwerk der Arbeiterorganisationen galt. Dort gelang es Queipo de Llano, im Handstreich die Kontrolle über ein Infanterieregiment zu erlangen, dessen kommandierender Offizier eigentlich republiktreu war. Zusammen mit Falangisten und der Guardia Civil brachten sie angesichts einer schlecht organisierten und zerstrittenen Arbeiterbewegung die Stadt schnell unter ihre Kontrolle. Im anschließenden Massaker wurden allein in Sevilla 9000 Arbeiterinnen und Arbeiter abgeschlachtet. Danach eroberten die Aufständischen innerhalb einer Woche weite Teile Andalusiens.


Bastionen des Widerstands: Barcelona und Madrid

Ihre größte Niederlage erlitten die Putschisten in Barcelona, der Hochburg der anarchistischen Bewegung. Dort befahl General Manuel Goded der Garnison, am Morgen des 19. Juli die Stadt zu besetzen. Als die Truppen von den Kasernen ins Zentrum der Stadt marschierten, stellten sich ihnen Tausende von schlecht bewaffneten, aber von unglaublicher Opferbereitschaft beseelte Anarchisten in den Weg und stürzten sich ohne Rücksicht auf Verluste in den Kampf. Als sich ihnen am Nachmittag 4000 Berufssoldaten anschlossen und an mehreren Stellen republiktreue Soldaten gegen ihre Offiziere meuterten, wendete sich das Blatt. Am 20. Juli kapitulierte General Goded und verlas übers Radio eine Erklärung an seine Gefolgsleute, dass sie ihren Widerstand aufgeben sollten.

In der Hauptstadt Madrid war die Montana-Kaserne die Hauptfeste der Rebellen. General Fanjul rief zwar den Ausnahmezustand aus, unternahm aber nichts, um die Stadt zu besetzen, sondern blieb in der Kaserne. Als sich vor der Kaserne immer mehr Menschen versammelten, ließ Fanjul am 19. Juli abends in die Menge schießen. Die Lage eskalierte, und am nächsten Tag wurde die Garnison gestürmt. Die eingesperrten Soldaten konnten sich befreien und verbrüderten sich mit den nur schlecht bewaffneten Angreifern. Die putschenden Offiziere, unter ihnen auch der General, wurden gefangengenommen. Ähnlich erging es den Verrätern in den anderen drei Kasernen der Hauptstadt.

In den baskischen Provinzen kamen die Putschisten ebenso wenig voran. Die Garnison von Bilbao rührte sich gleich gar nicht, und in San Sebastián meuterte zwar die Loyola-Kaserne, musste jedoch nach massiven Angriffen kapitulieren. Die Garnison im kantabrischen Santander ließ sich vom Widerstand der Bevölkerung überraschen und einschließen.

In Valencia erhob sich die Garnison nicht, schloss sich aber auch nicht der Revolution an. Der Provinzgouverneur lehnte es ab, den Gewerkschaften Waffen zu geben, versicherte ihnen aber, die Garnison sei über jeden Verdacht erhaben. Letztenendes blieb dort die Situation zwei Wochen unentschieden. Der Sturm auf die Kasernen, der in den meisten Teilen Spaniens bereits vom 18. bis 21. Juli erfolgt war, kam in Valencia erst Anfang August.


Zwischenbilanz

Obwohl an Soldaten und Waffen weit in der Überzahl, stand die Sache für die Aufrührer in den Tagen unmittelbar nach dem Putsch schlecht. Die Generalsclique hatte schwere Niederlagen erlitten und ihre Ziele weitgehend verfehlt. Sie hatte nacheinander einige ihrer fähigsten und angesehensten Führer verloren: Calvo Sotelo, Sajuro, Goded; bald darauf verlor sie auch noch José Antonio Primo der Rivera, den Führer der Falangisten, er wurde im Gefängnishof von Alicante hingerichtet. Die Putschisten hielten große Landesteile im Norden und kleinere im Süden. Die Republik aber hatte die Hauptstadt und die industriellen Zentren um Barcelona und Bilbao an der Nordküste in ihrer Hand.

Nach dem Beginn des Aufstands wurden die Putschisten in den großen Städten, in den die Arbeiterbewegung mobilisiert hatte, geschlagen. Die Präsenz Tausender, wenngleich schlecht bewaffneter, Arbeiter in den Straßen gewährleistete in der Regel, dass auch die republikanischen "Sturmtruppen", und oft sogar die "Guardia Civil", loyal blieben. Wo die Arbeiter aber zögerlich waren, sich von Loyalitätsbekundungen der Offiziere betören ließen und darauf warteten, dass die staatlichen Behörden die Initiative ergriffen, siegten in der Regel die Putschisten.

Die Militärs siegten auch, wenn sich die Arbeiterorganisationen durch die Sorge um die Erhaltung der bürgerlichen Legalität lahmlegen ließen. Hingegen hatten die Putschisten dort keinen Erfolg, wo es den Arbeitern gelang sich zu bewaffnen und wo sie sofort daran gingen, den Militärapparat zu zerschlagen, ohne sich darum zu kümmern, was einzelne Offiziere beteuerten oder wozu sich die Amtswalter der "legitimen" Staatsgewalt entschlossen oder nicht entschlossen.


Hitler rettet Franco

Ein schwerer Rückschlag für die Putschisten war, dass große Teile der Flotte, der in ihrem Plan eine Schlüsselrolle zugedacht war, den Putsch nicht mitmachten. Die Matrosen der spanischen Kriegsmarine hatten fast alle putschwilligen Offiziere erschossen und waren der Republik treu geblieben. Die Kriegsschiffe patrouillierten unter dem Kommando von Matrosenräten in der Meerenge zwischen Nordafrika und Spanien. Transportflugzeuge besaßen die Putschisten auch nicht. Franco saß also mit dem schlagkräftigsten Truppenteil, der Afrika-Armee, jenseits der Meerenge von Gibraltar in der Falle.

Er versuchte verzweifelt, Flugzeuge für den Truppentransport von Marokko nach Südspanien aufzutreiben. Als Verbündete boten sich Nazideutschland und das faschistische Italien an. Doch das Auswärtige Amt in Berlin reagierte zunächst nicht auf Hilfsdepeschen aus diversen Konsulaten auf spanischem Boden. Schließlich flog am 25. Juli 1936 der in Marokko lebende deutsche Geschäftsmann und NSDAP-Mitglied Johannes Bernhardt im Auftrag Francos in einem gekaperten JU-52-Flugzeug nach Berlin und übergab Hitler einen Brief Francos, in dem er um "10 Transportflugzeuge mit größtmöglicher Kapazität, 6 Jagdflugzeuge" sowie um "Maschinengewehre und Gewehre in größtmöglicher Menge sowie reichlich dazugehörige Munition" ersuchte, "ferner Fliegerbomben verschiedenen Typs bis zu 500 kg". Drei Tage später sagte Hitler seine Unterstützung zu. 30 Transportflugzeuge vom Typ JU 52 gingen unverzüglich nach Marokko ab.

Es begann das "Unternehmen Feuerzauber". Vom 28. Juli bis Oktober 1936 flog die erste Luftbrücke der Geschichte 13528 Soldaten und 270 Tonnen Kriegsmaterial von Marokko über die Meerenge nach Spanien. Zudem sicherten die deutschen Panzerschiffe Admiral Scheer und Deutschland als Begleitschutz nationalistische Schiffe, die über die Straße von Gibraltar Truppen aus Spanisch-Westafrika nach Südspanien transportierten.

"Ohne die deutsche und italienische Intervention hätte Franco nicht siegen können", urteilte damals auch Bürgerkriegsbeobachter Willy Brandt.


[*] Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Sie finden Teil I und II dieser Serie im Schattenblick unter:
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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2004: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (I)
SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2016: Revolution und Bürgerkrieg in Spanien (II)

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 7/8, 31. Jg., Juli/August 2016, S. 24
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. August 2016

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