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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2240: Feminismus heißt Widerstand


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 4 · April 2018
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Feminismus heißt Widerstand

Dokumentiert: Rückblick auf den Internationalen Frauentag


Der diesjährige 8. März erlebte eine sehr kämpferische Frauenbewegung, die teilweise die sozialen Proteste anführte.


Im Jahr 2017 rief Angela Davis die Teilnehmerinnen des Frauenmarsches dazu auf, Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit zu intensivieren, militanter zu werden in der Verteidigung von verletzlichen Gesellschaftsgruppen und den Widerstand auf die Straße, ins Schulzimmer, an den Arbeitsplatz zu bringen. "Das hier ist erst der Anfang." Was sich zu dem Zeitpunkt noch als hoffnungsfrohe Wunschvorstellung anhörte, wurde am Internationalen Frauentag 2017 in Ländern wie Argentinien, USA, Italien, Polen sichtbar: Die Frauenstreikaktionen hatten sich breiter vernetzt. Die von ihnen angeführten Demonstrationen gaben Anlass, von einer neuen feministischen Bewegung zu sprechen. Im Herbst 2017 kam ein weiterer Anstoß: Millionen Frauen beteiligten sich an der Metoo-Kampagne und sorgten dafür, dass die Skandalisierung von Gewalt gegen Frauen wieder auf der Tagesordnung steht.

Der Schwung, der international von dem Frauenmarsch ausging, erklärt sich vor allem aus der Verbindung feministischer Anliegen mit sozialer Gerechtigkeit und Antirassismus. Der 8. März 2018, gemeinsamer Bezugspunkt der Bewegung, wurde wieder kämpferisch. Wir versuchen einen, sicher lückenhaften, Blick auf die weltweiten Aktivitäten zu werfen.


Spanien

Spanien war diesmal das Land, wo die Frauen es tatsächlich geschafft haben, einen Generalstreik anzuführen. Über 5 Millionen Frauen - und Männer - beteiligten sich am 8. März am Frauenstreik. Dieser Generalstreik war im ganzen Land spürbar. 200 Intercity-Verbindungen fielen aus, Büros blieben leer, Radio- und Fernsehsendungen fielen aus, Schulen blieben geschlossen, an den Universitäten gab es Kontrastprogramme, Straßenblockaden führten zu Verkehrschaos. Die wichtigste Tageszeitung des Landes, El País, postete Fotos mit leeren Redaktionsräumen. Es gab 120 Demonstrationen und 182 Kundgebungen in über 200 Städten. Bis in die Nacht hinein belagerten Frauen die Straßen und Plätze. Allein in Madrid gingen eine Million Menschen auf die Straßen, in Barcelona 600.000, in Zaragoza 300.000, in Sevilla 100.000. Die großen Gewerkschaftsverbände CC.OO und UGT hatten zu zwei Stunden Arbeitsniederlegung aufgerufen, die Frauenverbände zu einem 24-Stunden-Streik.

Der erste Frauenstreik in der Geschichte des Landes wurde im Vorfeld von "8.-März-Komitees" vorbereitet, an denen feministische Gruppen und Initiativen, einzelne Frauen, die bisher nicht politisch aktiv waren, aber auch lokale und nachbarschaftliche Gruppen sowie linke Organisationen teilnahmen und Themen wie Arbeit, Pflege, Konsum etc. diskutierten. So wuchs eine feministische Bewegung, die auf der Überholspur die traditionelle Linke und Gewerkschaften hinter sich ließ. Natürlich muss man sehen, dass der Streik in dieser Breite nur mit den Gewerkschaften möglich war. Sie spielten aber keine treibende Rolle. Seit dem Jahr 2012 hatten sie, trotz der sozialen Verwerfungen, die die Austeritätspolitik der Regierungspolitik mit sich brachte, nicht mehr zu Streiks aufgerufen. Sie verharrten eher in Orientierungslosigkeit.

Unter dem Motto: "Ohne Frauen steht die Welt still" vereinigte der Frauenstreik die verschiedensten Forderungen: gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Vaterschaftsurlaub, mehr freie Zeit. Der Forderung nach Teilung von Haus- und Pflegearbeit wurden dekorativ durch aufgehängte Schürzen mit verschiedenen Aufschriften demonstriert. Als Frauen in Madrid ein Mittagessen für das Volk auf der Gran Vía, der wichtigsten Einkaufsstraße der Stadt ausrichten wollten, schritt jedoch die Polizei ein.

Im Baskenland wurde vier Stunden gestreikt. In Koldo Mitxelena wurden deshalb kurz vor 12 Uhr die Besucher höflich zum Verlassen der Bibliothek aufgefordert, dann zogen die Beschäftigten zum Boulevard, um am Sitzstreik und an der "Tupper-Party" teilzunehmen, dem großen Essen in der Altstadt. Speisen und Getränke mussten mitgebracht werden. So wurde der Protest durch einen "Konsumstreik" ergänzt.

"Genug ist genug" war jedoch auch hier der gesellschaftliche Aufschrei gegen Gewalt, der nicht nur die unterschiedlichen Initiativen und Gruppen in Spanien vereinigte, sondern auch einen internationalen Bezug herstellte.

Die konservative Regierungspartei und die neoliberale Partei Ciudadanos, die den Frauenstreik zunächst strikt ablehnten, versuchten in letzter Minute noch auf den fahrenden Zug aufzuspringen, was durchaus als Erfolg zu werten ist. Selbst die katholische Kirche und die Königin zollten den Frauen Tribut. Der Erzbischof von Madrid ließ sich vernehmen: "Ich verstehe das. Man muss seine Rechte verteidigen. Ich würde das auch tun, auch die Heilige Jungfrau Maria tut das." Die Bürgermeisterinnen von Madrid und Barcelona stellten sich hinter den Streik.


Italien

In Italien ging der FrauenStreikTag einher mit einem allgemeinen Streik im Transportsektor sowie in öffentlichen Einrichtungen. Schulen und Kindergärten waren vielfach geschlossen, in den Krankenhäusern gab es Notdienste - in allen Einrichungen haben Frauen gestreikt. Eisenbahn und Flughäfen sowie der öffentliche Nahverkehr konnten nur eingeschränkte Dienste anbieten. Die Frauenorganisation Non una di meno hatte, zusammen mit anderen, zu einem 24-Stunden-Streik aufgerufen, die Gewerkschaften hatten sich teilweise angeschlossen. In über 40 Städten gab es Kundgebungen und Demonstrationen, die teilweise sehr massiv waren.

Sie wurden begleitet von einer Vielfalt von Aktionen, die verdeutlichten, wo die Frauen der Schuh drückt: In Turin blockierten sie die Straßen mit Einkaufswagen und über die Straße gespannter Wäsche, in Pisa zogen sie vors Gericht und lasen die Namen der Opfer von Frauenmorden vor, in Mailand forderten sie lautstark: "Pfarrer raus aus unseren Unterhosen, Kirche raus aus unseren Schulen", in Rom prangerten sie den desolaten Zustand der Universitäten an, wo das Personal für die einfachsten Dienstleistungen fehlt (u.a. Beratungsstellen gegen Gewalt gegen Frauen) und Frauen zwar studieren, aber kaum lehren dürfen. Auch das Arbeitsministerium wurde belagert, um gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu protestieren. Gemeinsame Forderungen waren eine auskömmliche Grundsicherung, ein europäischer Mindestlohn, universelle Sozialleistungen. Die Demonstrationen verbanden symbolisch mehrere Orte, an denen Frauen Opfer rassistischer und faschistischer Übergriffe geworden waren.


Schweiz

Nach 40 Jahren Gleichheit der Geschlechter in der Schweizer Verfassung verlangen Frauen endlich konkrete Maßnahmen, um auf kantonaler Ebene die Lohngleichheit umzusetzen. In den größeren Städten fanden Kundgebungen und Demonstrationen u.a. zu diesem Thema statt. In Bern forderten Frauen "gleichen Lohn bei gleicher Arbeit". Sie bezogen sich auf eine Entscheidung der "Männermehrheit im Ständerat", nichts gegen die Lohndiskriminierung von Frauen unternehmen zu wollen. Ein Schwerpunkt lag auf der Qualität der Kinderbetreuung und den unhaltbaren Arbeitsbedingungen der dort Beschäftigten. Eine "Unterfinanzierung mit System" bezeichnete die Gewerkschaft den Einsatz von Praktikantinnen, die für wenig Geld ganze Arbeit in der Kinderbetreuung leisten müssen.


Österreich

In Österreich richteten sich die vielfältigen Aktionen vorwiegend gegen die schwarz-blaue Regierung. Deren geplante Einschnitte im sozialen Bereich trifft vor allem Alleinerziehende, geflüchtete Frauen, Niedrigverdienerinnen, Opfer von häuslicher Gewalt... Das "Frauenvolksbegehren 2.0" spielte am 8. März eine besondere Rolle. Es heißt 2.0, weil es im Jahr 1997 bereits ein Frauenvolksbegehren gab. Nun muss es wiederholt werden, weil die Politik versäumt hat, längst überfällige Reformen einzuleiten. Die wichtigsten Forderungen des Frauenvolksbegehrens, für das Unterschriften gesammelt wurden, sind: Frauenquote, Gratisverhütung, kostenlose Kinderbetreuung und Schutz vor Gewalt.


Griechenland

Durch Athen zogen Tausende gegen jede Form der Unterdrückung. "Keine Toleranz gegenüber Sexismus, Patriarchat und Kapital" tönte es laut und deutlich. Aufgerufen hatten feministische Strukturen, aber auch Organisationen der radikalen Linken, Studierendengruppen, Flüchtlingsinitiativen und Gruppen der LGBTQ-Bewegung. Die hohe Erwerbslosigkeit, die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse in Verbindung mit einem kollabierenden sozialen Sicherungssystem sowie die Schließung von Strukturen der Daseinsvorsorge, wie Kindertagesstätten, treffen Frauen im besonderen Maße. Einst erkämpfte Rechte, wie Unterstützungsleistungen bei Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft, gibt es nicht mehr. Kündigungen wegen Schwangerschaft sind keine Ausnahmen.


Deutschland

Die meisten Veranstaltungen fanden unter dem Dach des DGB und der städtischen Gleichstellungsstellen statt und widmeten den Frauentag dem historischen Ereignis "100 Jahre Frauenwahlrecht". Hundert Jahre, aber immer noch gibt es keine gleichberechtigte politische Teilhabe von Frauen, noch immer werden Frauen schlechter bezahlt als Männer. Die Forderungen der DGB-Frauen richteten sich an die große Koalition. Elke Hannack, stellvertretende DGB-Vorsitzende forderte die neue Regierung auf: "Alle Hürden in den Blick zu nehmen, die Frauen im Laufe ihres Lebens an einer gleichberechtigten Teilhabe am Erwerbsleben hindern, ist die wichtigste Voraussetzung, um die Entgeltlücke, die Arbeitszeitlücke und die Rentenlücke zwischen Frauen und Männern endlich zu überwinden."

Laut und kämpferisch ging es auf den Straßen zu. Feministische Bündnisse organisierten in größeren Städten Demonstrationen zum Frauen*kampftag mit einer deutlich höheren Teilnahme als noch im letzten Jahr. In Düsseldorf zogen etwa 2.500 Teilnehmerinnen durch die Stadt und stellten sich mit dem Motto "Unser Feminismus bleibt antirassistisch" solidarisch, kritisch und offensiv gegen den wachsenden Nationalismus, Rassismus und Sexismus.

In Sprechchören und auf Transparenten traten sie gegen sexuelle Gewalt und für gleiche Bezahlung von Frauen ein. Vertreten waren u.a Transgenderorganisationen, DIE LINKE, Antifaschistinnen und ein beeindruckend großer Block kurdischer Frauen und Männer, die gegen den türkischen Angriff auf Efrîn und die deutsche Beteiligung protestierten.

In Berlin hatten zahlreiche feministische, trans- und intersexuelle Initiativen, lateinamerikanische Gruppen und mehrere Organisationen geflüchteter Frauen sowie verschiedene Parteien zu einer Demonstration gegen Patriarchat, Krieg, Rassismus und Faschismus aufgerufen, dem Aufruf folgten 5.000 Menschen. Malalai Joya, eine afghanische Frauenrechtlerin, zog eine Bilanz nach fast 17 Jahren Krieg in ihrem Land. Sie erinnerte an den Beginn der NATO-Intervention, der es angeblich auch um die Freiheit der Frau in ihrem Land ging, und resümierte, es gebe keinen Fortschritt, der all das Leid der Zivilbevölkerung aufwiegen könne.

"Feminismus heißt Widerstand" lautete das Motto dieser Demonstration. Andere thematisierten die sich dramatisch zuspitzende soziale Lage im Land, von der vor allem Frauen betroffen sind - hier trafen sich ihre Forderungen mit den der Gewerkschaften. Frauen verdienen immer noch weniger als Männer. 80 Prozent der erwerbstätigen Frauen arbeiten in einem Teilzeitjob, zwei Drittel aller Minijobber sind Frauen, viele davon ohne Sozialversicherung. Armut und Altersarmut sind weiblich. Von den 13 Millionen Menschen, die an oder unter der Armutsgrenze leben, ist die große Mehrzahl Frauen und Kinder.

Gut sichtbar war das Bündnis pro Choice, das das längst überfällige Menschenrecht auf körperliche, sexuelle sowie reproduktive Selbstbestimmung einklagte, vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um den Paragraphen 219a.


Türkei

"Ich verurteile diejenigen, die über Gewalt an Frauen sprechen. So etwas gibt es in unserer Kultur nicht" - O-Ton der Vorsitzenden der AKP-Frauen. Schweigen wollten Frauen in der Türkei jedoch nicht. Trotz des Ausnahmezustands zogen Tausende durch die Straßen von Istanbul, um vor allem ein Zeichen für Frauenrechte und gegen Männergewalt zu setzen. Nach Umfragen der Istanbuler Kadir-Has-Universität werden Frauen zunehmend Opfer von Gewalt. Allein im Februar 2018 wurden 47 Frauen getötet. Die häufigsten Gründe: Sie wollten sich scheiden lassen. Gewaltsame Übergriffe wegen "unmoralischer" Kleidung oder gegen joggende Frauen sind häufig, der weibliche Anteil an der Erwerbstätigkeit gering.

Der Ruf nach Gleichberechtigung zieht sich daher durch unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen. Einige Bündnisgruppen nutzen die Demonstration um sich gegen die Frauen- und Familienpolitik der Erdoğan-Regierung zu äußern. Sichtbar waren auch vereinzelt Transparente mit der Aufschrift "Baris" (Frieden) als Antwort auf den Vernichtungskrieg der Türkei in der kurdischen Region Syriens.

In der eher liberalen Stadt Istanbul verlief die Demonstration weitgehend friedlich. In Izmir und Ankara kam es jedoch zu massiven Polizeieinsätzen.

In Diyarbakir kamen trotz des Verbots Frauen zusammen, um ein Zeichen des Friedens zu setzen. Das brachte auch die neue HDP-Vorsitzende, Pervin Buldan, zum Ausdruck: "Wir werden nicht die Sprache der Männer sprechen, nicht deren Krieg befürworten. Im Krieg gegen Efrîn weinen Mütter um ihre Kinder, ob es die Mütter der gefallenen Soldaten oder der Bewohner von Efrîn sind."

"Die Frauenbewegung ist die letzte große Bastion auf Freiheit und Emanzipation", sagte der Politikwissenschaftler und Historiker Ismail Küpeli zu den mutigen Frauen, die trotz der Gefahr von Verhaftungen auf die Straße gingen.


Tunesien

Die Frauenbewegung rief in Tunis zu einer Demonstration auf, zu der 3.000 Menschen kamen. Ihre Hauptforderungen war die Gleichstellung von Mann und Frau im Erbrecht. Angeblich schreibt der Koran vor, dass Frauen nur die Hälfte erben dürfen, vor allem in bezug auf das Land und auf kleine Werkstätten spielt das eine große Rolle.


Lateinamerika und Karibik

Zahlreiche Organisationen verschiedenster Länder schlossen sich einem transnationalen Streikaufruf an, um sichtbar zu machen, wie ein Tag ohne Frauen aussehen würde. Gewalt gegen Frauen war ein zentrales Thema in allen Ländern Lateinamerikas. In dem transnationalen Aufruf stand: "Wir streiken für diejenigen, die nicht mehr da sind, weil sie Opfer des extremsten Ausdrucks der machistischen Gewalt geworden sind: der Frauenmorde. Allein im Jahr 2016 wurden 1.998 Morde in 17 Ländern Lateinamerikas und der Karibik registriert. In dieser Region werden täglich 12 Frauen ermordet, allein weil sie Frauen sind."

In Uruguay rief der Gewerkschaftsbund PIT-CNT zu einem Generalstreik auf.

In Brasilien fanden in mehr als 60 Städten Kundgebungen statt. Die Frauen der Landlosenbewegung (MST) legten in der Stadt Extremos im Nordosten von Brasilien die Produktion eines Textilunternehmens lahm. Im Jahr 2016 war das Unternehmen von Fláchia Rocha verurteilt worden, weil die Arbeiterinnen dort unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten mussten. Rocha bereichert sich seit den 50er Jahren durch Steuerbefreiung und öffentliche Finanzierung. Er unterstützt auch die Arbeits- und Rentenreformen der Regierung Temer.

Im mexikanischen Bundesstaat Chiapas organisierten Zapatistinnen vom 8. bis 10. März ein internationales Frauentreffen, zu dem mehr als 7.000 kamen. Diskutiert wurde über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Lage der Frauen, als Arme, als Indígena usw., aber auch über allgegenwärtige Gewalt: 7 Frauen pro Tag werden durchschnittlich in Mexiko getötet, schätzungsweise 10-13 Menschen verschwinden täglich. Die meisten Verschwundenen sind junge Männer, aber es gibt auch Frauen unter den Opfern. Die Mütter organisieren seit Jahren Hungerstreiks und Protestmärsche. Auf dem Treffen berichtete eine Mutter eines der 43 verschwundenen Studenten von Ayotzinapa über den Stand der Ermittlungen. Die Leiche ihres Sohnes wurde noch nicht gefunden, trotzdem will der Staatsanwalt die Ermittlungen einstellen.

Argentinien, das Land, von dem die Bewegung "Ni una menos" (Nicht eine einzige weniger) ausging, hat auch in diesem Jahr gezeigt, welch eine Dynamik in dieser neuen Frauenbewegung steckt. Allein durch die Art der Vorbereitung: Der Frauenstreik am 8. März wurde in der Hauptstadt Buenos Aires durch Frauenversammlungen in den Stadtteilen vorbereitet, in denen Hunderte von Frauen zusammenkamen; an der größten unter ihnen nahmen Freitag für Freitag um die 1.500 Menschen teil. Worum ging es ihnen? Um die ungleiche Bezahlung zwischen Frauen und Männern, um das Recht auf den eigenen Körper, gegen sexuelle Gewalt - aber auch gegen die Gewalt gegen die indigene Bevölkerung, von der gerade kurz zuvor ein junger Mann erschlagen worden war, oder die Polin, die vergewaltigt und dabei fast zu Tode gekommen war - Organisationen junger Frauen hatten sich ihrer angenommen, so dass sie an einer der Kundgebungen teilnehmen konnte. Oder um Töchter von Müttern, die auf der Straße leben, weil sie kein Dach mehr über dem Kopf haben.

All das sind Fragen, die nicht nur ein Geschlecht angehen, sie gehen die gesamte Gesellschaft an. Aber die Frauen führen den Widerstand dagegen an. Die Form des Streiks erlaubt ihnen, die ganz verschiedenen Unterdrückungsmechanismen zu thematisieren, die sie erleiden - als Hausfrauen, als Arbeiterinnen, als Migrantinnen, als Landfrauen, als Indigene usw. So kam es am 8. März zu einem historischen Moment: Frauen aus allen fünf gewerkschaftlichen Dachverbänden (CGT, CGT Corriente Federal, CTA, CTA Autonoma, CTEP), aus Strukturen, die keiner dieser Dachverbände angehören, und aus sozialen Bewegungen marschierten auf der Demonstration (die muss gigantisch gewesen sein) im selben Block und überwanden damit historische Spaltungen. Das gelang, weil es nicht das Ergebnis von Vereinbarungen an der Spitze der Verbände war, sondern das Ergebnis der vorherigen Zusammenarbeit in den vorbereitenden Versammlungen. Diese Arbeit und die zentrale Thematisierung der Frauenarbeit stellt eine Herausforderung sowohl für die hierarchisch organisierten Gewerkschaften dar als auch für einen Feminismus, der über Gewalt gegen Frauen spricht, aber von der Arbeitswelt nichts wissen will.

Dieser zweite Internationale Frauenstreik hat die Frauenbewegung in Argentinien zur wichtigsten Opposition gegen die Regierung Macri gemacht.


USA

In den USA fielen die Aktionen diesmal bedeutend kleiner aus als im vergangenen Jahr. Der Aufruf forderte einen "Tag des Feminismus der 99 Prozent" und richtete sich damit explizit gegen den weißen Mittelschichtsfeminismus à la Hillary Clinton, der die Ausbeutung der Frauen am Arbeitsplatz ausklammert. Sexuelle Gewalt, prekäre Arbeit, das Recht auf Abtreibung spielten auch hier eine große Rolle, aber auch der Kampf für eine bezahlbare Wohnung und für Personenfreizügigkeit, und vor allem der Schulterschluss mit den schwarzen und den palästinensischen Frauen. Demonstrationen mit mehreren hundert Teilnehmerinnen wurden u.a. aus New York City, Portland, San Francisco, Berkeley und Madison (Wisconsin) berichtet.


Asien

Indien: In Kolkata wurde der 8. März diesmal von einem breiten Bündnis vorbereitet, zu dem alle Frauenorganisationen eingeladen waren. Die inhaltlichen Schwerpunkte waren Neoliberalismus und Gewalt gegen Arbeiterinnen, sexuelle Gewalt, Kommunalismus - d.i. in diesem Fall die Ethnisierung der Gewalt gegen Frauen, etwa indem Gewalt gegen muslimische Frauen ausgenutzt wird, um Stimmung gegen die muslimischen Gemeinden zu machen. Zu Erwerbsarbeit haben Frauen immer weniger Zugang, und Hausarbeit wird nicht als Arbeit betrachtet. Die Organisationen brachten zwei Flugblätter hervor, eines war von 23 Organisationen unterzeichnet, ein anderes von 6. Ein Dissenspunkt war der Umgang mit Sexarbeiterinnen: Die 6 Organisationen forderten ihre volle Anerkennung als Arbeiterinnen, die 23 waren dagegen. Dennoch gelang es, auch eine gemeinsame Plattform der 29 Organisationen zu formulieren, auf deren Grundlage ein halbtägiges Programm auf die Beine gestellt wurde. Zu deren Forderungen zählten u.a. gleicher Lohn für gleiche Arbeit, eine deutliche Anhebung des Mindestlohns, Anerkennung der Dienstmädchen als Arbeiterinnen, die Einrichtung von Horten an allen Arbeitsplätzen, das Recht auf freie Partnerwahl unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, Ende der Kriminalisierung von Sexarbeiterinnen.

In Delhi gab es eine Demonstration vor dem Parlament.

Südkorea: In Seoul versammelten sich 500 Frauen, um öffentlich ihre Unterstützung für die MeToo-Kampagne zu erklären. Einige Politiker beeilten sich, ihre Zustimmung zu bekunden, schließlich finden im Juni Gouverneurswahlen statt.

Philippinen: In Manila protestierten die Frauen gegen die willkürliche Ermordung von Frauen, insbesondere der kommunistischen Opposition. Präsident Duterte hatte gefordert, die Soldaten sollten ihnen in die Genitalien schießen.

Afghanistan: Mehrere hundert Frauen demonstrierten in Kabul für Bildung und gegen die brutale Gewalt des patriarchalischen Systems.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 4, 33. Jg., April 2018, S. 6-7
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2018

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