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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/2510: Energiekonzerne - Raus aus dem Markt!


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 11 · November 2022
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Energiekonzerne - Raus aus dem Markt!

Die einzige nachhaltige Alternative zur Preistreiberei

von Angela Klein


200 Mrd. Euro kostet der "Doppel-Wumms", mit dem die steigenden Energiekosten abgefedert werden sollen. Der Vorschlag geht zurück auf die sog. "Konzertierte Aktion", der auf der Seite der Gewerkschaften der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis und auf der Seite der Unternehmer BDI-Präsident Siegfried Russwurm angehören.

Vorgesehen ist eine Entlastung der Gasverbraucher in zwei Phasen:

  • Im Dezember übernimmt der Staat einmalig die Abschlagszahlung der Gas- und Fernwärmekunden, sowohl für Privat- als auch für Gewerbekunden.
  • Ab Anfang März 2023 bis mindestens April 2024 gilt für private Haushalte und kleinere Unternehmen für eine Grundmenge von 80 Prozent des Gasverbrauchs ein staatlich garantierter Bruttopreis von 12 Cent pro Kilowattstunde (einschließlich aller staatlich veranlassten Preisbestandteile). Der erhaltene Betrag muss nicht zurückgezahlt werden, selbst wenn der tatsächliche Verbrauch in der Jahresendabrechnung niedriger ist als angenommen.
  • Für Fernwärmekunden beträgt der garantierte Bruttopreis 9,5 Cent.
  • Für die Industrie gilt die Gaspreisbremse bereits ab Januar 2023. Sie soll für 70 Prozent ihres Verbrauchs einen festen Beschaffungspreis von 7 Cent pro kWh zahlen und für den darüber hinausgehenden Verbrauch den Marktpreis. Die zweimonatige Verzögerung zulasten der Privatkunden wird mit den Verwaltungsschwierigkeiten gerechtfertigt, die Maßnahme umzusetzen.

Für Privathaushalte sowie kleinere und mittlere Unternehmen würden sich die Entlastungen bis April 2024 auf insgesamt 71 Mrd. Euro belaufen, für die Industrie auf 25 Mrd., insgesamt also 96 Mrd. Euro. Die Bremse wird über einen Sonderhaushalt Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in Höhe von 200 Mrd. finanziert, für den Kredite aufgenommen werden.


Es ist natürlich gut, dass es wenigstens die Gaspreisbremse gibt und die Gasumlage fallen gelassen wurde; für viele Haushalte wird die Bremse deutlich spürbar sein. Aus reiner Liebe für sozial Benachteiligte geschieht dies dennoch nicht. Denn erstens haut die Gas- und Stromrechnung auch bei Haushalten mit mittlerem und höheren Einkommen mächtig rein. Zweitens aber treffen die exorbitanten Energiekosten die Industrie im Mark. Sie kann sie nicht immer vollständig auf die Verbraucher abwälzen.

Ihre Konkurrenzposition auf dem Weltmarkt verschlechtert sich dadurch, sodass einige Unternehmen bereits darüber nachdenken, die Produktion in Billigenergieländer auszulagern. Das gilt, einer Untersuchung der Financial Times zufolge, sowohl in der Stahlindustrie, in der Chemie-, Keramik- und Papierindustrie, bei Glas und Zement, Düngemittelherstellern, Autobauern. Für Großverbraucher von Erdgas als Rohstoff wie die chemische Industrie bleibt dann immer noch das Problem der Gasknappheit.

Zusätzlich zur Inflation zeichnet sich deshalb am Horizont eine Rezession ab. Das ifo-Institut in München schätzt das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr noch auf 1,6 Prozent, prognostiziert aber für 2023 ein Minus von 0,3 Prozent. Und das sind Zahlen, die auf der Annahme eines absehbaren Endes des Krieges fußen.

Zahme Kritik

Auf der Linken - Partei wie Bewegungen - wird die Gasbremse als sozial unausgewogen kritisiert, weil Haushalte, die viel verbrauchen (reiche Haushalte), genauso behandelt werden wie solche, die wenig verbrauchen (arme Haushalte) und dementsprechend auch mehr Geld bekommen. Das ganze Gerede, die Bremse sei so ausgestattet, dass es auch einen Anreiz zum Sparen gebe, läuft ja ins Leere, wenn nicht gezielt Maßnahmen ergriffen werden, die den exorbitanten Energieverbrauch der Reichen bestrafen.

Gemeinsam sind den linken Bündnissen, die sich derzeit gegen die Teuerung bilden, Forderungen, die auf eine Regulierung der Märkte und auf die übliche Umverteilung des Reichtums hinauslaufen: Höchstpreise an den Energiebörsen, Besteuerung kurzfristiger Spekulationsgewinne und eine allgemeine Übergewinnsteuer sowie höhere Löhne. Auf der Demonstration am 22.10. in Düsseldorf war die Hauptparole: "Runter mit den Preisen, rauf mit den Löhnen."

So weit, so gut. Das löst aber das Problem nicht, dass die Preise für Energie weiter steigen. Dagegen hat die EU jetzt, auf mächtigen Druck einiger europäischer Länder, einen Gaspreisdeckel beschlossen - gegen den Widerstand der deutschen Bundesregierung, die die Konzerninteressen gefährdet sieht. Am Ende musste Scholz klein beigeben, rangelt aber immer noch darum, auf welcher Höhe der Preis deckelt wird.

Der Deckel setzt an den Großhandelspreisen für Gas an und beschränkt diese auf ein bestimmtes Niveau. Das ist schon wirksamer, weil es die Preistreiberei tatsächlich schon beim Großhandel stoppt. Das heißt aber nicht, dass die Konzerne für den Rest aufkommen. Das wäre "antikapitalistisch" und somit des Teufels.

Nein, am Ende zahlt auch hier der Steuerzahler die Differenz zwischen Markt- und gedeckeltem Preis - über einen Sonderposten auf der Gasrechnung und eine direkte staatliche Ausgleichszahlung nach täglichem Börsenschluss am Spotmarkt für Strom.

Die Energiekonzerne, die schon jetzt höhere Profite denn je einfahren und faktisch die größten Kriegsgewinnler sind, dürfen sich also weiterhin in geradezu obszöner Weise auf Kosten der Bevölkerung bereichern.

Das Übel an der Wurzel packen!

Energie gehört zur Daseinsvorsorge, sie muss ebenso wie Wasser, Bildung, Gesundheit und Wohnen für alle erschwinglich und ausreichend zur Verfügung stehen. Die Forderung der Linken nach Vergesellschaftung der Energiekonzerne ist richtig. Sie bringt aber nur dann etwas, wenn die Staatskonzerne nicht selber nach privatwirtschaftlichen Kriterien handeln - wie etwa die Deutsche Bahn.

Die Energieunternehmen müssen vom Markt genommen werden, wie vor der Liberalisierung des Strom- und Gasmarkts. Schließlich ist diese noch nicht so lange her: Strom wird an der Energiebörse in Leipzig seit dem Jahr 2000, Gas seit 2007 gehandelt. Davor gab es in Deutschland vier große Energieversorgungsunternehmen (EVU) in staatlicher Hand, die jeweils ein regionales Monopol hatten. Deshalb konnte es einen Einheitspreis für die Kilowattstunde Strom und für den Kubikmeter Gas geben.

Es ist gar nicht einzusehen, warum wir solche Verhältnisse nicht wieder einführen können. Die Preise wären einfach, übersichtlich, für jeden nachvollziehbar; Schwankungen zwischen verschiedenen Anbietern könnten leicht ausgeglichen werden.

Noch hält sich der linke Protest in Grenzen - insgesamt 24.000 haben sich an den sechs Demonstrationen vom 22.10. beteiligt. Das liegt auch daran, dass der DGB gespalten ist - nur Ver.di, GEW, NGG und die IG BAU waren mit dabei. Die Chemiegewerkschaft IGBCE meint, wenn sie ihre Unternehmen schützt, schützt sie auch die Arbeitsplätze, und hält ihre Beteiligung an der Konzertierten Aktion für ausreichend. Und die IG Metall schiebt in der Tarifrunde die IGBCE vor, damit sie keinen Arbeitskampf vom Zaun brechen muss.

Aber mit Einmalzahlungen - auch wenn sie ordentlich sind wie in der Chemie - ist auf Dauer kein angemessener Inflationsausgleich zu haben. Und die Gaspreise sind nach dem Deckel-Beschluss auf EU-Ebene zwar wieder drastisch gefallen - was zeigt, wie politisch dieser Preis ist! -, aber auf das alte Preisniveau werden wir so schnell nicht wieder kommen.

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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 11, 37. Jg., November 2022, S. 2
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven (VsP)
SoZ-Verlag, Regentenstr. 57-59, 51063 Köln
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 6. Dezember 2022

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