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FILM/046: Schöne Aussichten (Soziale Psychiatrie)


Soziale Psychiatrie Nr. 165 - Heft 3/19, 2019
Rundbrief der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.

Schöne Aussichten

von Ilse Eichenbrenner


Hi! AI

Im März war dieser Dokumentarfilm zum Thema künstliche Intelligenz in einigen Kinos zu sehen. Ich hätte wohl nicht auf ihn geachtet, wäre ich nicht zu einem Gespräch mit den Filmemachern geladen worden. Derartige Gespräche sind häufig öde, hier war es ganz anders. Es gab zahlreiche, erstaunlich fachkundige Fragen aus dem Publikum, und Regisseurin Isabella Willinger antwortete sehr kompetent. Erst jetzt wurde mir klar, dass ein derart hautnaher Film über die aktuelle Roboter-Generation höchst ungewöhnlich ist. Das umfangreiche Rohmaterial wurde inzwischen von Forschungseinrichtungen angefordert. Der Film wurde für die ZDF-Reihe »Das kleine Fernsehspiel« produziert, wird also sicher auch auf Ihrem Flachbildschirm zu sehen sein. Können humanoide Roboter bereits mit Menschen kommunizieren? Haben sie ein Bewusstsein? Diese Frage versucht die Regisseurin zu klären und besucht Labore in Italien, Japan und den USA. Sie ergreift die Chance, den stämmigen Texaner Chuck zu begleiten, der sich beim Hersteller persönlich einen Liebesroboter abholt. Er fährt mit seinem riesigen Wohnmobil zu dem Labor und bekommt gezeigt, wie er dem Roboter Kopf und Perücke abnehmen kann, um ihn zu transportieren. Erstaunlich schnell denkt man nicht mehr »Roboter«, sondern nennt das sehr weiblich aussehende Wesen - genau wie Chuck - Harmony. Die ersten Unterhaltungen sind zäh; manchmal sind Harmonys Antworten ganz im Sinne eines echten Smalltalks, manchmal sprudelt das Wikipedia-Wissen heraus, das ihr zu einzelnen Schlagworten einprogrammiert wurde. Das ist ungeheuer witzig, zerstört aber rasch die Illusion, einem eigenständigen Wesen gegenüberzusitzen. Chuck hat Harmony natürlich als Sexpartnerin gekauft. Nach einigen Tagen erklärt er der Regisseurin, er fühle sich nicht einmal wohl dabei, wenn er ihre Hand halte. Sie habe keinen eigenen Willen, und Berührungen seien nicht ihre eigene Entscheidung. Er erklärt Harmony und dem Zuschauer, dass er sie vorerst nur als gute Freundin bei sich haben wolle.

Parallel beobachtet der Film eine japanische Familie. Der Sohn bringt seiner Mutter einen süßen kleinen Roboter, der »Pepper« genannt werden soll. Pepper soll die Oma aktivieren und unterhalten. Er ist etwas begriffsstutzig, und auch hier ist die Kommunikation zunächst äußerst zäh. Doch dann kommt die jüngere Schwester der Oma zu Besuch, und diese geht resolut auf Pepper zu. Gemeinsam singen die alten Damen dem jungen Pepper ein japanisches Kinderlied.

Weshalb müssen Roboter menschenähnlich aussehen? Weshalb wird immer das Kindchenschema bedient? Ein Roboter könnte jede denkbare Gestalt haben. Gezeigt wird z.B. auch ein Luftballon, der sich auf spinnenartigen Beinen vorwärtsbewegt. In kurzen Sequenzen ist zu sehen, wie unendlich mühsam vor allem das Programmieren der Bewegungen ist. Die Regisseurin berichtet, dass sie Tage damit verschwendet habe, zu filmen, wie ein Roboter lernen sollte, einen Tretrapack von einem Raum in den anderen zu tragen.

Es ist noch nicht so weit, das wird dem Zuschauer klar. Die Wissenschaftler sind dem Rätsel der menschlichen Kommunikation und des Bewusstseins zwar auf der Spur, aber sie haben es noch nicht gelöst. Noch sind Roboter nur Maschinen, aber wie lange noch? Der Film erhielt den Max-Ophüls-Preis: Bester Dokumentarfilm 2019.

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Manic

Ich hatte mich gerade von den Robotern erholt, da kam die kanadische Filmemacherin Kalina Bertin nach Berlin. Sie hielt einen kleinen Vortrag, und es gab eine Woche lang die Möglichkeit, bei der Schering Stiftung Virtual Reality zu erleben. Man bekam eine jener merkwürdigen Brillen aufgesetzt, die mich immer an eine Schweißerbrille erinnern, dazu Kopfhörer und jeweils einen Controller in die Hand. Die Inszenierung dauerte 20 Minuten und sollte das subjektive Erleben in einer bipolaren Störung imitieren. Zunächst fand ich mich in einem Zimmer wieder, dann war ich plötzlich im Weltall und es schwebten bizarre Strukturen durch die Luft, die ich mit den Controllern manipulieren konnte. Es öffnete sich ein Wald, ich bewegte mich auf Blättern, und auf einer Lichtung stand plötzlich eine Badewanne. Zum Abschluss fand ich mich in einer abgewrackten Isolierzelle wieder. In den Kopfhörern war die Stimme der Filmemacherin zu hören, die von den Erlebnissen ihrer psychisch kranken Geschwister berichtete. Bruder und Schwester leiden beide an einer bipolaren Störung, und die Installation orientiert sich an deren Schilderungen. Ich war mir extrem unsicher, ob ich nun tatsächlich einen manischen Höhenflug und den depressiven Absturz erlebt hatte. Ich war komplett überwältigt, tippe aber eher auf einen LSD-Trip.

Parallel hat Kalina Bertin auch einen Dokumentarfilm über ihre Familie gedreht. Er ist bisher nicht auf Deutsch, aber dafür problemlos auf Vimeo verfügbar. In »Manic« erleben wir die Mutter der Filmemacherin und die beiden Geschwister im gemeinsamen Haus in unterschiedlichen Phasen. Felicia malt in ihrem vollgekramten Zimmer, François wird manisch, kifft und malträtiert das Klavier. Dann wirft er mit Küchenmessern und wird zwangseingewiesen. Die Regisseurin macht sich auf die Suche nach ihrem Vater, der ebenfalls an einer bipolaren Störung gelitten haben soll. Er hatte wechselnde Identitäten und Familien. Als Betrüger, aber auch als spiritueller Guru lebte er in der Hippie-Ära in der Karibik und zuletzt in Thailand, wo er 2006 von einer seiner Frauen erstochen wurde. Bertin hat alte Filmschnipsel montiert und interviewt eine ihrer vielen Halbschwestern und deren Mutter, eben jene Täterin. Der Vater der Filmemacherin hatte insgesamt 15 Kinder. Diese Story ist natürlich spektakulär, und man wird als Zuschauer ein wenig zum Voyeur. Zum Phänomen »Bipolare Störung« hat der Film neben einigen Szenen aus dem harten Alltag der Angehörigen vor allem den Hinweis auf die Bedeutung der Familiengeschichte beizutragen.

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Der verlorene Sohn

Der Abspann zeigt Fotos eines jungen, homosexuellen Mannes, der seine Geschichte aufgeschrieben hat. Er steht an der Seite seines Ehemannes, im Kreise seiner lächelnden Familie. Am Ende ist also alles gut, wonach es aber zunächst nicht aussieht.

Der verlorene Sohn ist der 18-jährige Jared, Sohn eines bibeltreuen Predigers. Als durch eine Intrige der Verdacht auftaucht, er könnte schwul sein, wird der Rat der Kirchenältesten eingeholt. Dann fährt die Mutter mit ihrem Sohn zu einer Einrichtung, in der eine Konversionstherapie durchgeführt wird. Hier verbringt er die Tage; mit seiner Mutter übernachtet er in einem Hotel, das Handy und sein Tagebuch muss er abgeben. Die jungen Leute müssen zunächst ein Genogramm erstellen. Der Leiter des Programms ist überzeugt davon, dass die Familie schuld an der sexuellen Verirrung der Teilnehmer ist. Manche der jungen Männer und Frauen leiden unter ihren vermeintlichen Sünden, andere nicht. Ganz allmählich wird Druck aufgebaut; Jared ist ernsthaft bemüht, doch allmählich wird er mürbe. Er erinnert sich an einige Schlüsselszenen in seinem Leben - und ihm wird klar, dass er Männer begehrt und dass sich das nicht ändern wird. Als ein junger Mann besonders gedemütigt wird und sogar eine Art Exorzismus über sich ergehen lassen muss, wachsen Jareds Zweifel. Als er an der Reihe ist, eine Art persönliche Inventur abzulegen, wird er zu einer Aussage genötigt, bleibt aber störrisch. Er rennt in das Büro, holt sein Handy aus dem Schrank und bittet seine Mutter, ihn abzuholen. Als sie kommt, will man ihn zurückhalten, doch sie droht erfolgreich mit der Polizei. Von nun an steht sie an der Seite ihres Sohnes, der vier Jahre später seine Erlebnisse publiziert. Das erste Mal kann er ein ernsthaftes Gespräch mit seinem Vater darüber führen, was man ändern kann und was nicht.

Der Jared dieses erfreulich differenzierten und vermutlich realistischen Spielfilms wird verkörpert von dem jungen Darsteller Lucas Hedges, der ganz aktuell in vielen sehr guten amerikanischen Produktionen zu sehen ist. Er war nominiert für den Oscar und für den Golden Globe. Seinen Namen habe ich mir gemerkt.

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Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit

Wie viele Filme über das Leben des psychisch labilen Malers Van Gogh habe ich schon gesehen? Wikipedia verzeichnet 13 Spielfilme. Zu Van Gogh findet sich eben viel Material; es gibt den umfangreichen Briefwechsel zwischen ihm und seinem Bruder, es gibt Nachlässe, Kontroversen, Anekdoten und Diagnosen, Beweise und Gegenbeweise. Psychoanalytiker haben nicht nur Pathografien, sondern ganze Werke über ihn verfasst. Nun also Julian Schnabel, nicht nur Regisseur, sondern vor allem bildender Künstler, der in dieses Gestrüpp einen weiteren Pfad zu schlagen versucht. Er fokussiert ganz auf die Innensicht; er will mit cineastischer Gewalt das subjektive Erleben des posthum so berühmten Malers filmisch umsetzen. Und er will noch mehr: Der Künstler Julian Schnabel will selbst gestalten, formen, Ausdruck verleihen. Die Kamera schlingert und flirrt, sie zoomt heran oder kippt auch mal weg. Das ist in manchen Momenten faszinierend, auf Dauer aber physisch und psychisch sehr anstrengend. Nicht jeder verträgt das. Die Geschichte ist bekannt, vor allem die Vorgeschichte sollte man kennen, sonst erschließt sich vieles nicht. Der Film springt unvermittelt hinein in die Jahre, die Van Gogh in Arles verbringt. Im Wirtshaus fragt er die freundliche Wirtin nach einer Unterkunft und wird auf das unbewohnte »Gelbe Haus« nebenan hingewiesen. Hier lebt Van Gogh einige Jahre und versucht vergeblich, ein Gemeinschaftsatelier aufzubauen. Lediglich der Maler Gauguin nimmt die Einladung an. Vincent hat eine enge Beziehung zu seinem Bruder Theo, der in Paris als Kunsthändler lebt und Vincents Leben finanziert. Die beiden Brüder schreiben sich fast täglich. Ein paar berührende Szenen zeigen, wie wichtig für Vincent der Trost, auch der körperliche Trost durch seinen Bruder und seine wenigen Freunde ist. Manchmal legt er seinen Kopf an Theos Brust und kommt ein wenig zur Ruhe.

Schnabel begleitet Van Gogh in die Natur und versucht zu zeigen, wie er die Natur erlebt und dies in seinen Zeichnungen und Bildern umsetzt. Immer wieder wandert Van Gogh mit seiner Staffelei über die Felder. Willem Dafoe, in Cannes für diese Rolle ausgezeichnet, gelingt eine eindrucksvolle Verkörperung des Künstlers nicht zuletzt dank seiner Physiognomie. Die psychische Störung, die immer vage bleibt, wird etwas unvermittelt eingeführt: Eine Schulklasse trifft bei einer Wanderung auf den Maler, die Lehrerin schimpft auf seine unanständige Darstellung eines Wurzelgeflechts, die Kinder bewerfen ihn mit Steinen - er rastet aus. Als Gauguin ihm mitteilt, dass er Arles verlassen will, schneidet sich Van Gogh - vielleicht genau deshalb - ein Ohr, vielleicht auch nur das Ohrläppchen ab. Nach Krankenhausaufenthalten begibt er sich freiwillig in die Nervenheilanstalt Saint-Rémy, wo man ihn in die Wanne des Dauerbads eingesperrt sieht; in der Nachbarwanne liegt ein martialisch tätowierter Mann, der auf ihn einredet. Van Gogh wirkt hilflos und freundlich. Er verlässt die Anstalt und wird sofort wieder eingeliefert, weil er von einer jungen Schönheit verlangt hat, sie solle sich in einer bestimmten Pose auf die Erde legen, damit er sie malen kann. Bei diesem zweiten Aufenthalt sieht man ihn gemeinsam mit anderen Patienten beim Spaziergang im Garten, alle Patienten sind eingeschnürt in eine Zwangsjacke. Schließlich wird er zum Pastor gerufen, der ihn befragt und zur Rede stellt: Seine Bilder seien schrecklich und keinesfalls eine Gabe Gottes. Die Bürger von Arles hätten sich in Form einer Petition gegen seine Rückkehr ausgesprochen. Nach diesem zeitgemäßen Entlassmanagement darf er unvermittelt gehen. Da er in Arles unerwünscht ist, zieht er nach Auvers-sur-Oise, wo der Arzt Dr. Gachet lebt, der sich für Kunst interessiert. Van Gogh findet Familienanschluss, verliebt sich - auch das ist strittig - in die Tochter des Hauses. Es folgt die fatale Schussverletzung und das frühe Ende. Um diese letzten Episoden in Van Goghs Leben gibt es besonders viele Spekulationen. Hat er sich selbst erschossen, oder war es ein junger Taugenichts, der mit Lederjacke und Flinte Cowboy spielte? Schnabel entscheidet sich für die zweite Version. Van Gogh schafft es mit dem Bauchschuss nach Hause, legt sich ins Bett und behauptet, sich selbst verletzt zu haben. Die Kugel wird nicht entfernt, er stirbt am 29. Juli 1890, im Alter von 37 Jahren.

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Zu jeder Zeit

Vielleicht kann sich der eine oder andere SP-Leser an den bezaubernden Dokumentarfilm »Sein und Haben« erinnern. Regisseur Nicolas Philibert hatte damals eine Dorfschule in der Auvergne besucht, in der ein Lehrer alle Kinder in einer einzigen Klasse unterrichtet. Um es vorweg zu sagen: Den Zauber seines 2002 erschienenen und preisgekrönten Films konnte Philibert mit »Zu jeder Zeit« nicht wiederholen. Das liegt vermutlich auch an seinem Sujet: der Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin in Croix-Saint-Simon in Montreuil. Es gibt hier keine entzückenden Kinder zu bewundern, keine romantische Landschaft, und als Zuschauer wird man nicht unbedingt von sentimentalen Erinnerungen überrannt - aber beinahe. Ich zumindest war fasziniert.

Wie mühselig es ist, seine Hände zu desinfizieren? Welches ist die »saubere« Hand, und was darf man mit ihr berühren? Die Auszubildenden sind unsicher, hängen mit den Augen an ihren Lehrern, versuchen erneut die Manschette des Blutdruckmessgeräts an der richtigen Stelle zu platzieren. Sie üben an ihren Mitschülern, den Lehrern oder Modellen. Philibert nimmt und lässt sich Zeit, das ist wunderbar. Für mich als potenzielle Patientin ist es ungeheuer interessant, Behandlung und Pflege einmal von der anderen Seite zu beobachten. Theorie und Praxis und dann die aufregenden Praktika in den verschiedenen Arbeitsfeldern fügen sich fast nahtlos aneinander. Nun berühren sie echte, leibhaftig leidende und manchmal sterbende Patienten. Man lernt die jungen Gesichter zu unterscheiden, die Temperamente, die Migrationshintergründe. Es gibt sogar eine kurze Sequenz in einer psychiatrischen Einrichtung. Der Praktikant sitzt mit einer vermutlich chronisch kranken Patientin auf einer Bank, mit Blick auf den kleinen Gemeinschaftsgarten. Die beiden führen einen hochgradig professionellen Smalltalk und schmauchen.

Die zweite Hälfte des Films ist den Praxis-Auswertungsgesprächen gewidmet. Wir dürfen dabei sein, wie die Ausbilderin vorsichtig fragt, wie es denn gelaufen sei? Was sei einfach, was sei schwer und was ganz unmöglich? Es ist ein behutsamer Dialog, in dem zurückgeschaut und nach vorne geblickt wird. Ist dies der richtige Beruf? Welche Abteilung kommt infrage, wo ist ein Platz frei, und was traut sich der junge Mann, die junge Frau auf keinen Fall zu? Ich erinnere mich an viele Auswertungsgespräche, die ich mit den Studierenden Sozialer Arbeit nach ihren Praktika geführt habe: Was haben Sie über sich herausgefunden - was fällt Ihnen schwer? Ist es der richtige Beruf und die Gemeindepsychiatrie das richtige Arbeitsfeld? So werde ich nun auch bei diesem neuen Film von Philibert ziemlich sentimental. Die Gespräche an einer der wichtigsten Schnittstellen des Lebens haben es in sich - für beide Seiten. Wann drehen wir den Film zu unserem Metier?

Philibert hat den Entschluss zu diesem Film gefasst, nachdem ihn eine Embolie in die Notaufnahme und auf die Intensivstation gebracht hatte. Er hat nachbereitet. Jeder von uns wird mal dran sein, vermutlich. Zu jeder Zeit.

Philibert hat 1996 übrigens auch in der berühmten französischen Klinik »La borde« einen Dokumentarfilm gedreht (»La moindre des choses«). Mit englischen Untertiteln ist er in voller Länge auf YouTube zu sehen:
www.youtube.com/watch?v=CKJp9JLqTkY

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Was streamt denn da?

Zum Abschluss ein kurzer Blick auf Netflix & Co. Manche haben vielleicht schon Julia Roberts als Sozialarbeiterin in der US-Serie »Homecoming« entdeckt, 2019 auch synchronisiert auf Amazon zu sehen: Heidi Bergman schlägt sich wacker als Quereinsteigerin in einem kleinen Zentrum für traumatisierte Kriegsveteranen, denen sie bei der Rückkehr in ihr Leben als Zivilisten helfen soll. Sie hört schon bald wieder auf, doch ihre Vergangenheit holt sie ein. Rückblenden, Vorschauen, weshalb nur kann sie sich an die Zeit im Zentrum nicht richtig erinnern? Dahinter steckt natürlich ein Quantum Verschwörung und Suspense, doch der Regisseur lässt Julia Roberts genug Zeit. So kann sie zeigen, dass sie nicht erst seit »Ben is Back« durch ihre differenzierte Darstellung zu berühren vermag.

Bei der Berlinale konnte man die ersten beiden Folgen der schwedischen Serie »Quicksand« begutachten. Den Rest habe ich gerade nachgeholt. Schauplatz der Serie sind die Elternhäuser, die Clubs und Yachten und die Klassenzimmer einiger Abiturienten aus der Stockholmer Oberschicht. Am Anfang steht eine Schießerei in der Schule, die zur Inhaftierung der 18-jährigen Hauptperson Maja führt. Wie inzwischen üblich, schlängelt sich die Handlung durch mehrere Zeitebenen, bis das Handlungspuzzle zusammengesetzt ist. Im Fokus steht Marias co-abhängige Beziehung zu dem affektlabilen, drogenkonsumierenden und womöglich depressiven Sebastian. Der Film beobachtet dies alles eigenartig kühl, fast unbeteiligt. Der »Filmdienst« meint dazu: »Quicksand ist gleichgültiges Fernsehen für gleichgültige Menschen.« Andere Rezensenten loben diese einfühlsame Verfilmung des Romans »Im Traum kannst du nicht lügen.« Ah ja?


Der verlorene Sohn
USA 2018; 115 Min.
R: Joel Edgerton
D: Lucas Hedges, Joel Edgerton, Nicole Kidman, Russell Crowe

Hi! AI
Dokumentarfilm
Deutschland 2017/2018; 85 Min.
R: Isabella Willinger

Homecoming
USA 2018; 1. Staffel (10 Folgen) auf Amazon Prime
R: Sam Esmail
D: Julia Roberts, Stephan James, Bobby Cannavale

Manic
Dokumentarfilm
Kanada; 86 Min.
R: Kalina Bertin
https://vimeo.com/ondemand/manic

Quicksand (Störst av allt)
Schweden 2019; 1. Staffel (6 Folgen) auf Netflix
R: Per-Olav Sørensen
D: Hannah Ardéhn, Felix Sandman

Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit
USA 2018; 111 Min.
R: Julian Schnabel
D: Willem Dafoe, Oscar Isaac, Mads Mikkelsen

Zu jeder Zeit
Dokumentarfilm
Frankreich 2018; 105 Min.
R: Nicolas Philibert

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Quelle:
Soziale Psychiatrie Nr. 165 - Heft 3/19, Juli 2019, Seite 51-54
veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2020

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