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INTERNATIONAL/030: Ägypten - Muslimbrüder wollen TV-Sender mit Spenden finanzieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. August 2011

Ägypten: Gegen das Establishment - Muslimbrüder wollen TV-Sender mit Spenden finanzieren

von Emad Mekay


Kairo, 30. August (IPS) - In Ägypten arbeitet die unter Mubaraks Regime lange verbotene politische Gruppierung der Muslimbruderschaft an der Entwicklung eines Medienkonzeptes, das sich durch Spenden und regelmäßige Beiträge ihrer zahlreichen Anhänger finanzieren soll. Als erstes Projekt hat der Fernsehkanal 'Misr 25' die Arbeit aufgenommen. Vorläufig beschränkt sich sein Angebot auf das Senden von Endlosschleifen mit Filmen über die Demokratiebewegung des Arabischen Frühlings.

Der Name Misr 25 (Ägypten 25) steht für den Volksaufstand. Im Gegensatz zu den finanzkräftigen ägyptischen TV-Sendern, die ihr Geld dem Wohlwollen des wirtschaftlichen oder politischen Establishments verdanken, soll Misr 25 in der Auswahl und Gestaltung seines Programmangebots unabhängig sein. "Als Vorbild könnten die britische BBC oder Radio Japan (NHK World) dienen", erklärte der Direktor des neuen Kanals, Hazem Ghurab. Der erfahrene Journalist hatte zuletzt beim internationalen arabischen TV-Sender 'Al Jazeera' in Doha, Katar, gearbeitet.

"Bei Erfolg garantiert uns unser Finanzierungskonzept die Professionalität und Unabhängigkeit, die den Privatsendern der Wirtschaftsbosse fehlt. Sie sind leichter zu manipulieren oder werden von der Politik eingeschüchtert", betonte Ghurab in einem Interview. Er setzt vor allem darauf, dass politische Sympathisanten und fromme Muslime seinen Sender mit einträglichen Werbeaufträgen versorgen. "Die Menschen warten ungeduldig auf den TV-Kanal der Muslimbruderschaft", betonte der Journalist.

Nach Ansicht des für das Wochenmagazin 'Shashaty' arbeitenden Fernsehkritikers Mohammed Said unterscheidet sich Misr 25 wesentlich von den vielen neuen privaten Fernsehkanälen und Pressemedien, die sich seit dem Sturz Mubaraks in Ägypten etabliert haben. "Die meisten waren mit dem alten Regime gut im Geschäft und geben sich jetzt alle Mühe, sich mit neuem Personal und neuen Kanälen von ihrer Vergangenheit zu distanzieren", sagte er.

Nach dem Sieg der Revolution ist Ägyptens Wirtschaftselite wegen ihrer Kumpanei mit Mubaraks langjähriger Regierung auf Druck der Öffentlichkeit und der Medien ins Visier der Justiz geraten. Etliche Unternehmer sitzen bereits im Gefängnis oder warten auf ihren Prozess. Unrechtmäßig erworbene Staatsgelder mussten zurückgezahlt werden.

Aus Furcht vor weiteren öffentlichen Nachforschungen und um Schaden von ihren Investitionen abzuwenden, versuchen zahlreiche Unternehmer, sich mit eiligst etablierten TV-Kanälen und anderen Medien bei der kritischer gewordenen Öffentlichkeit anzubiedern. So finanziert Naguib Sawiris, einer der reichsten Männer Ägyptens, zwei neue Fernsehsender. Zu Zeiten Mubaraks hatte er Milliarden US-Dollar mit staatlichen Telekommunikations- und Bauaufträgen verdient. Seine Familie ist auch an verschiedenen Zeitungsverlagen beteiligt.


Altes Geld fließt in neue Kanäle

Mit einer Reihe von TV-Kanälen, die unter dem Namen 'Capital Broadcasting Center' (CBC) an den Start gegangen sind, bringt sich Mohammed Al-Amin Ragab aus der Schusslinie. Er ist Geschäftspartner des mit Mubarak eng liierten Immobilien-Tycoons Mansour Amer, der der inzwischen aufgelösten langjährigen Regierungspartei NDP angehörte.

Auch andere mächtige Großunternehmer wie der Pharmamagnat Sayed Al-Badawi und Hassan Rateb, Besitzer eines Zement-Imperiums, investieren in das Fernsehgeschäft. Ihre privaten TV-Sender 'Al Hayat' und 'Al-Mehwar' hatten die Demokratiebewegung anfangs als vermeintlich von jüdischen Hintermännern in den USA und Israel gesteuerte Revolte diskreditiert. Auch das staatseigene Unternehmen 'Media Production City' profitiert von dem derzeitigen Fernsehboom in Ägypten. Seine Studios in den Außenbezirken von Kairo sind ausgebucht, und angesichts der wachsenden Nachfrage nach TV-Produktionsstätten werden weitere Studios gebaut.

"Hier kaufen sich die Unternehmer mit altem Geld ein, um neuen Einfluss zu gewinnen", kritisierte der Medienexperte Said. "Deshalb verspricht das volksnah finanzierte Medienkonzept der Muslimbruderschaft eine weniger einseitige Berichterstattung als Mubaraks alte Geschäftsfreunde mit ihren neuen TV-Kanälen. Warten wir ab, was daraus wird", meinte er. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2011