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INTERNATIONAL/148: Honduras - Neues Geheimhaltungsgesetz schränkt Kontrollfunktion der Medien ein (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Juli 2014

Honduras: Neues Geheimhaltungsgesetz in der Kritik - Behinderung von investigativem Journalismus befürchtet

von Thelma Mejía


Bild: © Thelma Mejía/IPS

Das neue Gesetz schränkt die Kontrollfunktion der Medien ein
Bild: © Thelma Mejía/IPS

Tegucigalpa, 10. Juli (IPS) - Das im Januar in Honduras verabschiedete Gesetz zum Schutz von Staatsgeheimnissen beschränkt rigoros die Meinungsfreiheit, leistet Korruption Vorschub und sorgt dafür, dass Informationen über Verteidigungs- und Sicherheitsfragen 25 Jahre lang unter Verschluss bleiben. Diesen Vorwurf erhebt eine unabhängige Regierungsbehörde in einem Bericht, zu dem IPS wenige Wochen vor der Veröffentlichung Zugang erhalten hat.

Das Gesetz zur Geheimhaltung staatlicher Dokumente mit Bezug zur Sicherheit und nationalen Verteidigung wurde am 24. Januar unmittelbar vor dem Ende der letzten Legislaturperiode vom Parlament verabschiedet. In einer zweitägigen Marathonsitzung hatten die Abgeordneten ein Paket aus etwa 100 Dekreten und Gesetzen gebilligt. Drei Tage später trat Juan Orlando Hernández sein Amt als neuer Staatspräsident an. Hernández gehört wie sein Vorgänger Porfirio Lobo der konservativen Nationalpartei an.

Im Oktober 2013 war die Verabschiedung des Gesetzes zunächst am Widerstand der Vereinigung der Bürgermedien (AMCH) gescheitert, die darin eine Verletzung des Rechts auf Information und Meinungsfreiheit sah.


Breiter Interpretationsspielraum

In dem bisher unveröffentlichten Bericht des Instituts für den Zugang zu staatlichen Informationen (IAIP) wird bemängelt, dass das Gesetz nicht genau definiert, was unter 'nationaler Sicherheit' zu verstehen ist. Damit sei einer willkürlichen Auslegung Tür und Tor geöffnet. IAIP ist eine unabhängige Behörde, die die Einhaltung des Gesetzes über Transparenz und Zugang zu staatlichen Informationen garantieren soll.

Laut Paragraph 3 des Gesetzes fallen unter die Geheimhaltungspflicht "Angelegenheiten, Handlungen, Verträge, Dokumente, Informationen, Daten und Gegenstände, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte der nationalen Sicherheit oder der Verteidigung schaden oder diese gefährden könnten".

Zudem werden in dem Gesetz vier Stufen der Geheimhaltung festgelegt: 'privat', 'vertraulich', 'geheim' und 'streng geheim'. Diese betreffenden Informationen müssen für jeweils fünf, zehn, 15 oder 25 Jahre unter Verschluss gehalten werden. Diese Fristen können vom Rat für Nationale Sicherheit und Verteidigung noch verlängert werden. Dem Rat gehören die Minister für Verteidigung und Sicherheit, die Generalstaatsanwaltschaft, der Geheimdienst und der Vorsitzende des Generalstabs der Streitkräfte an.

Bei als 'privat' eingestuften Informationen handelt es sich etwa um Dokumentationen oder internes strategisches Material aus staatlichen Institutionen, dessen Verbreitung "unerwünschte institutionelle Folgen" haben könnte.

Von "vertraulichen Informationen" wird gesprochen, wenn die Veröffentlichung den Sicherheitssektor, die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung "unmittelbar" in Gefahr bringen würde. 'Geheimes' Material enthält Informationen von nationaler Relevanz, die von höchster Stelle kommen und deren Verbreitung die "Verfassungsordnung, die Sicherheit, die nationale Verteidigung, internationale Beziehungen und das Erreichen nationaler Ziele" bedrohen würde.

"Streng geheim" bezeichnet die höchste Stufe der Geheimhaltung und bezieht sich auf Material, das, sofern es öffentlich bekannt würde, "außerordentlich ernsten" inneren und äußeren Schaden verursachen würde. Auch die Souveränität und die territoriale Integrität des Staates würden damit in Gefahr gebracht.


Verwendung von Steuereinnahmen nicht überprüfbar

Omar Rivera von der Gruppe der Zivilgesellschaft (GSP) meint, dass der große Interpretationsspielraum, den das Gesetz biete, sehr beunruhigend sei. Alle möglichen Informationen könnten somit unter einem Deckmantel verschwinden. Seine größte Sorge gilt der sogenannten 'Sicherheitssteuer', die Firmen und Einzelpersonen seit zwei Jahren als Beitrag zum Kampf gegen mangelnde Sicherheit und Gewalt entrichten müssen. Nach Einschätzung Riveras wird das Gesetz verhindern, dass Fakten über die Verwendung der Steuereinnahmen des Staates an die Öffentlichkeit kommen.

Der IAIP-Bericht erhebt ähnliche Bedenken. So könnten Informationen über einen Staatsbeamten, der der Korruption beschuldigt werde, als 'streng geheim' eingestuft werden. In diesem Fall würden sie für 25 Jahre unter Verschluss gehalten. Nach Ablauf dieser Frist wäre eine strafrechtliche Verfolgung von Staatsbediensteten nicht mehr möglich.

"Durch dieses Gesetz kann die Regierung, wie dies Katzen tun, ihren eigenen Dreck verscharren" erbost sich Eduardo Tinoco, Besitzer eines kleinen Lebensmittelgeschäftes. Wöchentlich muss er umgerechnet 20 US-Dollar Schutzgeld an eine der Banden zahlen, die das Viertel El Sitio im Nordosten der Hauptstadt kontrollieren. "Ich zahle für alles Steuern, sogar um leben zu können", meint er. Durch das Gesetz lässt sich seiner Meinung nach der Missbrauch von Geldern vertuschen.

Laut dem Menschenrechtsexperte Roberto Velásquez werden Presse- und Meinungsfreiheit direkt durch das Gesetz eingeschränkt. Recherchen und der Verbreitung von Informationen werde damit ein Riegel vorgeschoben. Er verweist auf Paragraph 10, in dem es heißt: "Sollte sich absehen lassen, dass klassifizierte Dokumente den Medien zur Kenntnis gelangen, sollten diese auf die Natur des Materials hingewiesen und dazu aufgefordert werden, die Klassifizierung zu respektieren."

Alle diejenigen, die Kenntnis von Verschlusssachen erhalten, sind verpflichtet, diese Informationen geheim zu halten und der nächstgelegenen Zivilbehörde, Polizeiwache oder Militärbehörde Meldung zu erstatten, dass die Information durchgesickert ist. Das neue Gesetz unterminiert das seit fünf Jahren geltende Transparenz-Gesetz, indem es dem IAIP das Recht entzieht, zu entscheiden, welche Informationen als geheim einzustufen sind. Garantien für Meinungsfreiheit und investigativen Journalismus werden auf diese Weise missachtet.


Druck von 'Transparency International'

Die IAIP-Direktorin Doris Madrid fordert eine Überarbeitung des Geheimhaltungsgesetzes. Es sei verfassungswidrig und verstoße gegen internationale Abkommen. Ein Antrag auf Revision oder Zurücknahme des Gesetzes wurde allerdings im März vom Parlament abgelehnt.

Wie IPS erfuhr, hat die international tätige Organisation 'Transparency International' die Unterzeichnung eines Abkommens mit der Regierung über die 'Open Budget'-Initiative von einer Reform des Gesetzes abhängig gemacht.

Honduras wird zu den Ländern Lateinamerikas mit der höchsten Korruption und den meisten Sicherheitsgefahren gerechnet. Nach Informationen des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) weist der Staat mit 8,4 Millionen Einwohnern die höchste Mordrate der Welt aus. Dem Observatorium für Gewalt und der Nationalen Universität von Honduras zufolge kommen auf je 100.000 Honduraner statistisch gesehen 79,9 Morde. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/07/honduran-secrecy-law-bolsters-corruption-and-limits-press-freedom/
http://www.ipsnoticias.net/2014/07/ley-de-secretos-hondurena-potencia-corrupcion-y-limita-a-la-prensa/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2014