Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → FAKTEN

INTERNATIONAL/156: Sri Lanka - Seit Jahren spurlos verschwunden, Karikaturisten leben gefährlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Januar 2015

Sri Lanka: Seit Jahren spurlos verschwunden - Auch in Südasien leben Karikaturisten gefährlich

von Kanya D'Almeida


Bild: © Vikalpa/Groundviews/CPA/CC-BY-2.0

Bild des seit fast fünf Jahren vermissten Karikaturisten Prageeth Eknaligoda
Bild: © Vikalpa/Groundviews/CPA/CC-BY-2.0

Colombo, 15. Januar (IPS) - Die Ermordung von Karikaturisten und Redakteuren des französischen Satiremagazins 'Charlie Hebdo' durch islamistische Extremisten beherrscht derzeit die Schlagzeilen von Medien in aller Welt. Seit dem Anschlag in Paris am 7. Januar sind in vielen Ländern Millionen Menschen auf die Straße gegangen, um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu verteidigen.

Doch Anschläge auf diejenigen, die mit spitzer Feder zu gesellschaftlichen Entwicklungen Stellung beziehen, erfahren im Tausende Kilometer entfernten Sri Lanka nicht einmal einen Bruchteil der Aufmerksamkeit, die den insgesamt 17 Opfern der Terrorakte in Frankreich zuteil wird. Vielleicht hat das damit zu tun, dass missliebige Karikaturisten in dem südasiatischen Inselstaat nicht vor aller Augen ermordet werden, sondern auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Wie im Fall Prageeth Eknaligoda geschehen, der seit dem 24. Januar 2010 vermisst wird. An jenem Tag telefonierte er gegen 22.00 Uhr mit seiner Frau Sandhya, um ihr mitzuteilen, dass er gerade das Büro verlasse und sich auf den Weg nach Hause mache, wo er aber nie ankam.

Seine Frau schaltete sowohl die örtliche Polizei als auch die Vereinten Nationen in Genf ein - bisher ohne Erfolg. Menschenrechtsorganisationen wie 'Amnesty International' halten es für möglich, dass die srilankischen Behörden bei Eknaligodas Verschwinden die Hände mit im Spiel hatten. Nachbarn berichteten, dass sie am Tag seines Verschwindens einen parkenden Lieferwagen ohne Nummernschild vor seinem Haus gesehen hätten. Es ist bekannt, dass in solchen Fahrzeugen schon viele Personen auf Nimmerwiedersehen abtransportiert wurden.

Eknaligoda, der als Cartoonist und Kolumnist für das Internetnachrichtenportal 'Lanka eNews' (LEN) arbeitete, hatte seinen Stift gegen Korruption, Menschenrechtsverstöße und die Aushöhlung der Demokratie in dem Staat gerichtet. Auf einer seiner bekanntesten Zeichnungen ist der Rücken einer halbnackten Frau zu sehen, die von einer Gruppe lachender Männer umzingelt wird. An der Wand dahinter sind die Worte "Die Mehrheit wünscht sich Demokratie" zu lesen. Einige Kommentatoren interpretieren die Zeichnung als Anspielung auf die Machtlosigkeit der Minderheiten in dem vorwiegend von Sinhala-Buddhisten bewohnten Land.

Der Karikaturist nahm auch Bildungsprobleme aufs Korn und zeigte, wie verheerend sich ein schwaches Schulsystem auf junge Menschen auswirken kann. In einem Cartoon thematisierte er den Selbstmord einer Schülerin an einer führenden Mädchenschule in der Hauptstadt Colombo.


Weit verbreitete Straffreiheit

Sri Lanka steht auf dem Index für Straflosigkeit des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) an vierter Stelle - zwischen den Philippinen und Syrien. Somit war es vielleicht nur eine Frage der Zeit, dass Eknaligoda mundtot gemacht wurde. Der ehemalige Generalstaatsanwalt Mohan Peiris erklärte 2011 vor einem UN-Komitee gegen Folter, dass Eknaligoda noch lebe und sich im Ausland aufhalte. Diese Äußerung nahm er später zurück.

Beweise dafür, dass er das gleiche Schicksal erlitten hat wie die insgesamt 19 srilankischen Journalisten, die seit 1992 kaltblütig ermordet wurden, gibt es allerdings nicht. Eknaligoda wird deshalb nicht offiziell zu denjenigen gezählt, die für ihre kritische Arbeit mit dem Leben bezahlten. Da seine Leiche nicht gefunden wurde, gibt es auch kein Grab, an dem seine Angehörigen um ihn trauern könnten.

Für die Familie des Karikaturisten wiegt sein Verschwinden schwer. In einem Interview mit IPS sagte Sandhya Eknaligoda 2012: "Nicht zu wissen, wo ein geliebter Mensch ist, bedeutet seelische Folter. Dies ist schrecklicher als körperliche Misshandlungen, bei denen alle die Spuren des Leidens sehen können."

Als die Nachricht von dem Massaker in Paris am 7. Januar Staats- und Regierungschefs in aller Welt erreichte, sprach der kurz darauf abgewählte srilankische Staatspräsident Rajapaksa den Hinterbliebenen sofort sein Beileid aus. Diejenigen, die Eknaligodas Fall genau verfolgt haben, werfen ihm Scheinheiligkeit vor. Von seinem am 9. Januar vereidigten Amtsnachfolger Maithripala Sirisena erhoffen sich Aktivisten nun ein Ende der Straffreiheit. An den neuen Staatschef erging bereits die Aufforderung, den Fall Eknaligoda aufzuklären.

"Sein überraschender Sieg am 8. Januar gibt Sri Lanka die Chance, die Voraussetzungen für die Pressefreiheit zu verbessern", meint der CPJ-Vertreter Sumit Galhotra. "Sirisena hat zugesichert, die Korruption zu beseitigen und für mehr Transparenz zu sorgen. Wir werden nun genau beobachten, ob er seinen Worten Taten folgen lässt."

Zu den Verbrechen gegen Journalisten zählt auch die Ermordung von Lasantha Wickrematunge im hellen Tageslicht des 8. Januar 2009. Der Gründer und Chefredakteur der bekannten englischsprachigen Wochenzeitung 'The Sunday Leader' kritisierte unumwunden alle Formen von Machtmissbrauch und Menschenrechtsverletzungen. Vor etwa 50 Menschen, die sich an seinem diesjährigen Todestag an seinem Grab versammelt hatten, warf sein Bruder Lal den staatlichen Ermittlern Versagen vor.

Wie Ruki Fernando, ein bekannter Graswurzelaktivist in Sri Lanka, erklärte, wurden seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten die Webseiten von 'TamilNet', 'Lanka eNews' wieder freigeschaltet. Das sei zunächst einmal ein gutes Zeichen, meinte er. "Doch nun müssten Fälle wie die von Wickrematunge, Eknaligoda und vielen anderen aufgeklärt werden."

Lal und Sandhya bitten nicht etwa um politische Gefallen, wie der Aktivist betonte. "Sie verlangen nur das, was die Justiz eigentlich von sich aus leisten müsste, ohne sich politisch instrumentalisieren zu lassen." (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/in-sri-lanka-cartoonists-arent-killed-theyre-disappeared/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Januar 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang