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INTERNATIONAL/170: Kuba - Zugang zum Internet, junge Leute hoffen auf zügige Informatisierung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. September 2015

Kuba: Zugang zum Internet - Junge Leute hoffen auf zügige Informatisierung

von Yvet González



Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Eine Gruppe von Menschen vor der medizinischen Bibliothek im Viertel El Vedado in Havanna, wo es inzwischen eine WiFi-Verbindung gibt
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

HAVANNA (IPS) - Jugendliche in Kuba warten ungeduldig auf einen zügigen Ausbau des Internets. Doch ebenso wie bei den laufenden Reformen scheint sich die Regierung mit Blick auf die Informatisierung der Gesellschaft an das Motto 'langsam aber sicher' zu halten.

"Ich würde gern auch von zu Hause aus ins Internet gehen", meint Beatriz Seijas, die vor dem Eingang zu einem Gebäude in der Avenida 23 im Zentrum der Hauptstadt Havanna sitzt. In dieser Straße, die besser unter dem Namen 'La Rampa' bekannt ist, hat das staatliche Telekom-Unternehmen ETECSA im Juli einen der 35 neuen Hotspots mit öffentlichem Internetzugang eingerichtet.

Diese Dienstleistung ist allerdings teuer. Seijas erzählt, dass sie zwei US-Dollar pro Stunde bezahlt. "Vorher konnte ich nicht mit einem Telefon oder Tablet-Computer ins Internet gehen", sagt die 19-jährige Studentin. "Dabei ist das doch eine ganz normale Sache."


Drei Milliarden Internetnutzer weltweit

Laut den Vereinten Nationen nutzen mehr als drei Milliarden der insgesamt etwa 7,1 Milliarden Erdenbürger das Internet. Gleichwohl ist die digitale Kluft sehr breit und reflektiert die globale Armut und Ungleichheit.

In Kuba verlangen vor allem junge Leute, die etwa 26 Prozent der insgesamt 11,2 Millionen Einwohner ausmachen, eine größere Öffnung der Gesellschaft hin zu den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Im Juni dieses Jahres gab es laut ETECSA im Land mehr als drei Millionen Mobiltelefone.

Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) sieht den Inselstaat bei der Entwicklung des Sektors unter 166 Staaten nur auf Platz 125. Nach Schätzungen der UN-Behörde hatten im Jahr 2013 lediglich 3,4 Prozent der kubanischen Haushalte private, staatlich regulierte Internetzugänge. Die meisten wählten sich über Modem ins Internet ein. Nur ein kleiner Teil der Nutzer, darunter Journalisten und Künstler, hatten DSL-Zugänge.

Im selben Jahr registrierte das nationale Amt für Statistik ONEI etwa 2,9 Millionen Nutzer des Internets und des staatlich kontrollierten Intranets, über das sich eine beschränkte Zahl an Websites im In- und Ausland aufrufen lässt.

Die begrenzte Verfügbarkeit des Internets in Kuba erklärt sich durch die finanziellen Probleme des Staates und das von den USA seit Jahrzehnten aufrechterhaltene Handelsembargo. Die Regierungen beider Länder haben allerdings in jüngster Zeit einen Schritt aufeinander zu gemacht. Eine Folge des Tauwetters war die Wiedereröffnung der Botschaften in Havanna und Washington am 20. Juli.


IT-Firmen in USA wollen mit Kuba kooperieren

Manager des US-Suchmaschinendienstes Google boten der kubanischen Regierung von Präsident Rául Castro Unterstützung beim Ausbau schneller Internetzugänge an. Auch weitere Unternehmen wie Netflix, Apple, Amazon und Airbnb meldeten sich mit Vorschlägen. US-Regierungsvertreter regten in Havanna an, den Sektor für ausländische Investoren zu öffnen. Der US-Telefonanbieter IDT verständigte sich mit ETECSA über direkte Verbindungen zwischen beiden Staaten.

In einem Online-Forum erklärte der Kommunistische Jugendverband am 6. Juli, dass "mehr als 60 Prozent der Internetnutzer in Kuba junge Menschen sind". Dabei unterschied er allerdings nicht zwischen Internet und Intranet.

"Die Preise sind eigentlich nicht erschwinglich. Trotzdem ist die Nachfrage größer als das Angebot", sagt Seijas über die Nutzung der Hotspots. Sie selbst surft nur zur Unterhaltung im Web.

Bereits 2013 erhöhten die Behörden die Zahl der Internetzugänge, indem sie 118 Internetcafés eröffneten. Bei Kosten zwischen 4,50 und sechs Dollar pro Stunde konnte sich diesen Luxus aber zunächst kaum ein Kubaner leisten. Bis dahin war Internet nur in staatlichen Behörden, Schulen, den so genannten Jungen Computerclubs und in Hotels verfügbar gewesen.

Einen Emaildienst für Mobiltelefone gibt es erst seit dem vergangenen Jahr. Die Hotspots richtete ETECSA auf Straßen und in Parks in 16 kubanischen Städten ein. 50 bis 100 Nutzer können an einem dieser Hotspots gleichzeitig bei einer Geschwindigkeit von einem Megabite pro Sekunde surfen.

Auch wenn die Stundengebühr von zwei Dollar an Hotspots weitaus günstiger ist als in den Internetcafés, bleibt sie für die meisten Kubaner unerschwinglich. Die mehr als fünf Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst erhalten Monatsgehälter von umgerechnet 23 Dollar. Die Nachfrage nach Internetzugängen wird eher durch einen kleinen Teil der Bevölkerung befeuert, der im privaten Sektor wesentlich besser verdient, finanzielle Unterstützung von Verwandten aus dem Ausland erhält oder für ausländische Firmen tätig ist.


'Dreamcatchers' - Facebook auf kubanisch

Anders als viele junge Kubaner setzen sich in der ostkubanischen Stadt Camagüey Universitätsprofessor José Carlos Hernández und seine Studenten Merin Machado und Dany Avilés nicht nur zum Zeitvertreib ins Internetcafé. Das Team hatte 2012 'Dreamcatchers', ein rein kubanisches Gegenstück zu sozialen Netzwerken wie Facebook, gegründet.


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Internet-Zugänge in der Universität von Camagüey im Osten Kubas, wo das erste soziale Netzwerk des Landes, 'Dreamcatchers', entwickelt wurde
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Das an der Universität von Camagüey entwickelte Netzwerk habe inzwischen etwa 15.000 Nutzer und fördere den wissenschaftlichen Austausch der Hochschul-Community, erklärt Avilés. 'Dreamcatchers' sei auch über das kubanische Intranet zugänglich und wolle Menschen mit ähnlichen Interessen zusammenbringen. Nutzer können auf der Website sowie über einen Messaging-Dienst und auf einer Chat-Plattform miteinander kommunizieren. Um das Projekt weiter voranzubringen, wünschen sich die drei Gründer, dass bald mehr Kubaner das Internet nutzen können.

Um die internationalen Zielvorhaben der ITU zu erfüllen, muss Kuba, wie andere Entwicklungsländer, bis zum Jahr 2020 der Hälfte aller Haushalte und 60 Prozent aller Mobiltelefonnutzer einen Zugang zum Internet garantieren. Die kubanischen Behörden brachten in diesem Jahr einen Plan auf den Weg, um die Nutzung von Computern und sozialen Netzwerken in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Wissenschaft zu fördern.

Zu den Zielen gehört die Weiterentwicklung von Festnetz- und Mobilanschlüssen, die Bereitstellung von Wlan und Breitbandtechnologien, die Senkung der Kosten für die Internetnutzung und die Förderung des E-Commerce. Wie das finanziell klamme Land die Finanzierung für diese Neuerungen aufbringen will, ist ungewiss. Die Behörden deuteten allerdings an, Unterstützung aus China und Russland zu erhalten. Beobachter gehen deshalb davon aus, dass Kuba - ähnlich wie die beiden anderen Staaten - Internetnutzer auch künftig unter Kontrolle halten wird. (Ende/IPS/ck/11.09.2015)


Links:

http://www.ipsnews.net/2015/09/young-cubans-look-forward-to-greater-openness-to-technology/
http://www.ipsnoticias.net/2015/07/la-apertura-tecnologica-es-vital-para-la-juventud-cubana/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2015

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