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STANDPUNKT/067: Journalisten aus aller Welt verurteilen Gerichtsverfahren gegen Julian Assange (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro München

Journalisten aus aller Welt verurteilen Gerichtsverfahren gegen Julian Assange

Von Mediattivisti, 22. Februar 2020



Collage aus den Porträts eines Teils der Journalisten, die die Erklärung zur Verteidigung von Assange unterzeichnet haben - Bild: © #JournalistsSpeakUpForAssange

Bild: © #JournalistsSpeakUpForAssange

1.200 Journalisten aus 98 Ländern haben am 20. Februar 2020 eine gemeinsame Erklärung zur Verteidigung des Wikileaks-Herausgebers Julian Assange veröffentlicht. Dies geschah im Vorfeld des anstehenden Verfahrens vor einem britischen Gericht, ihn an die USA auszuliefern, wo er wegen dem Vorwurf der Spionage angeklagt werden soll. Das Gerichtsverfahren beginnt am 24. Februar.

Dies ist das erste Mal, dass der US Espionage Act (amerikanisches Spionagegesetz) gegen jemanden verwendet wird, der Informationen veröffentlicht hat, die von einem Whistleblower stammen. Alle Journalisten nutzen Informationen aus vertraulichen Quellen, so dass die anstehenden rechtlichen Schritte einen äußerst gefährlichen Präzedenzfall darstellen, der Journalisten und Nachrichtenmedien in aller Welt bedroht. Die Unterzeichner sind der Meinung, dass die Inhaftierung von Assange und das Gerichtsverfahren gegen ihn einen grober Justizirrtum darstellen.

"Es kommt sehr selten vor, dass sich Journalisten zusammenschließen und sich zu einem Thema äußern. In der Tat ist die Größe und Tragweite dieser gemeinsamen Erklärung der Journalisten womöglich beispiellos", sagte die Sprecherin Serena Tinari.

Die vollständige Erklärung ist hier in acht Sprachen verfügbar: [1]

Die Erklärung stellt fest, dass Assange bis zu 175 Jahre Haft für die Veröffentlichung von geleakten US-Militärdokumenten zu Afghanistan und Irak sowie von Korrespondenzen des US-Außenministeriums drohen - einschließlich der Enthüllung von Beweisen für Kriegsverbrechen. Viele Medienorganisationen haben auf Grundlage dieser Informationen Artikel von hohem öffentlichen Interesse veröffentlicht. In der Erklärung heißt es: "Wenn Regierungen Spionagegesetze gegen Journalisten und Verleger anwenden können, werden diese ihrer wichtigsten und traditionellsten Verteidigung - des Handelns im öffentlichen Interesse - beraubt, was nicht unter das Spionagegesetz fällt. Journalisten überall auf der Welt könnten dann an ein anderes Land ausgeliefert und dort nach drakonischen Spionagegesetzen angeklagt werden".

Die Erklärung wurde von Mitarbeitern der meisten großen Medienorganisationen der Welt unterzeichnet, darunter viele prominente und preisgekrönte Journalisten. Eine große Anzahl von Investigativ-Journalisten, darunter 30 Mitglieder des ICIJ International Consortium of Investigative Journalists (Internationales Netzwerk investigativer Journalisten) sowie verschiedene Journalistenorganisationen, darunter die Internationale Journalisten-Föderation (IJF) und Reporter ohne Grenzen (RSF) haben die Erklärung unterzeichnet. Die Unterzeichner kommen aus allen Teilen der Welt aus insgesamt 97 Ländern.

Die vollständige Liste der Unterzeichner finden Sie hier: [2]

Zur Unterzeichnung der Erklärung der Journalisten wurden auch Personen aus "mediennahen" Berufen eingeladen. Daniel Ellsberg, die Quelle der Pentagon-Papiere, unterzeichnete die Erklärung als "Whistleblower", es folgten weitere wichtige Informanten, darunter Katharine Gun (Großbritannien), Rudolf Elmer (Schweiz) und Edward Snowden.

Die Erklärung wurde von einer Gruppe von investigativen Journalisten aus verschiedenen Kontinenten initiiert. Die Sprecherin Serena Tinari, Präsidentin des Schweizer Recherche-Netzwerks für JournalistInnen, sagte: "Viele von uns verwenden vertrauliche Informationen, die wir von Informanten oder sogenannten "Whistleblowern" erhalten haben. Dies ist ein wesentlicher Teil unserer Rolle im Namen der Öffentlichkeit. Jeder Journalist und Verleger sollte über den Versuch, unsere Arbeit zu kriminalisieren, entsetzt und besorgt sein".

Die Journalisten weisen auf die schweren und anhaltenden Menschenrechtsverletzungen hin, unter denen Julian Assange leidet, und schreiben: "Wir machen die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, Ecuadors und Schwedens für die Menschenrechtsverletzungen, denen Herr Assange ausgesetzt ist, verantwortlich".

Die gemeinsame Erklärung zitiert auch den Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Folter Nils Melzer, der den Fall untersucht hat: "Mir wurde schließlich klar, dass ich durch die Propaganda geblendet worden war, und dass Assange systematisch verleumdet wurde, um von den Verbrechen, die er aufgedeckt hatte, abzulenken. Nachdem er durch Isolation, Spott und Schande entmenschlicht worden war, genau wie die Hexen, die wir früher auf dem Scheiterhaufen verbrannten, war es leicht, ihn seiner grundlegendsten Rechte zu berauben, ohne weltweit öffentliche Empörung zu provozieren. Und so wird durch die Hintertür unserer eigenen Selbstgefälligkeit ein rechtlicher Präzedenzfall geschaffen, der in Zukunft genauso gut auf Enthüllungen des Guardian, der New York Times oder ABC News angewandt werden kann und wird".

Weiterhin heißt es in der Erklärung: "Die Berichterstattung von Herrn Assange über Missbräuche und Verbrechen ist von historischer Bedeutung, ebenso wie die Beiträge der Informanten Edward Snowden, Chelsea Manning und Reality Winner, die sich jetzt im Exil oder im Gefängnis befinden. Sie alle waren mit unerbittlichen Verleumdungskampagnen ihrer Gegner konfrontiert, Kampagnen, die oft zu falschen Medienberichten und einem Mangel an Überprüfung von Fakten und an Berichterstattung über ihre Notlage geführt haben".

Die Erklärung des Journalisten fordert die sofortige Freilassung von Julian Assange, die Einstellung des Auslieferungsverfahrens und das Fallenlassen der Spionagevorwürfe gegen ihn.

Sie schreiben: "Wir fordern unsere Journalistenkollegen auf, die Öffentlichkeit über diesen Missbrauch der Grundrechte akkurat zu informieren. Wir fordern alle Journalisten auf, sich in dieser kritischen Zeit zur Verteidigung von Julian Assange zu äußern. Gefährliche Zeiten erfordern einen furchtlosen Journalismus."

In den sozialen Medien wird die Initiative unter dem Hashtag #JournalistsSpeakUpForAssange verbreitet.


Übersetzung aus dem Englischen von Pressenza München


Anmerkungen:
[1] https://speak-up-for-assange.org
[2] https://speak-up-for-assange.org/signatures/


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Februar 2020

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