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UMWELT/195: Feinstaub ist ein hohes Gesundheitsrisiko (umwelt-medizin-gesellschaft)


umwelt · medizin · gesellschaft - 2/2009
Humanökologie - soziale Verantwortung - globales Überleben

Feinstaub ist ein hohes Gesundheitsrisiko

Von Karl F. Ross


Luftschadstoffe sind in Deutschland ein hohes Gesundheitsrisiko. Das gilt insbesondere für Feinstaub. Der folgende Beitrag gibt einen knappen Überblick über Messwerte, Gesundheitsschäden und Minderungsmöglichkeiten. Als Fazit kann festgehalten werden, dass es wirksame Maßnahmen zur Verringerung der Feinstaubbelastung gibt. Dort, wo lokal eine Absenkung nicht möglich ist, z.B. im Nahbereich von sehr stark befahrenen Strassen, muss die Eignung dieser Standorte für Wohnzwecke generell in Frage gestellt werden.


Feinstaub wird verursacht

Feinstaub entsteht auf natürliche Weise bei Vulkanausbrüchen, Windverwehungen von Sanden und Pollen usw.. Natürliche Vorgänge treten jedoch vergleichsweise kurzzeitig oder saisonal auf. Technisch entstehender Feinstaub ist meist gefährlicher. Er entsteht kontinuierlich durch Verbrennungsvorgänge oder Abrieb. Im Verkehr, an Kreuzungen bei Stau oder Stop-and-Go-Verkehr sind die Emissionen am höchsten. Je Lkw entstehen durch Abrieb und Aufwirbelung 0,49-1,83 mg, beim Abgas 0,4 mg. Beim Pkw betragen die Werte 0,1-0,19 mg, beim Abgas 0,02 mg (je m Fahrstrecke) (FRIEDRICH & KÜHNE 2006, LOHMEYER et al. 2006).


Messungen und Messwerte

Etwa 420 Messstellen messen in Deutschland öffentlich den Feinstaub (AG des BMU 2006). Gemessen wird die Masse in µg/m3 als PM10. PM10 ist der Staub, dessen Teilchen überwiegend einen Durchmesser von maximal 10µm haben. Derzeit messen weniger als 20 Messstellen zusätzlich Staubteilchen mit Durchmesser bis maximal 2,5µm (PM2,5. Gemäß EG-RL 1999/30-Anhang 6 sollte ein Messpunkt mindestens 25 m von Kreuzungen entfernt und 4 m hoch sein. Oftmals wird allerdings sehr viel weiter entfernt gemessen, auch dann, wenn Menschen näher zur nächsten Ampel wohnen. Bei trockenem Wetter (mindestens 2 Tage ohne Niederschlag) sind bei Extremverkehr in Straßenschluchten (z. B. 35 m zu Ampelkreuzungen) Grenzwerte typischerweise überschritten (Tabelle 1). Nur selten werden auch Partikelzahlen gemessen. Messgeräte hierfür sind teurer, bedienungsaufwendiger und nicht für den Dauerbetrieb geeignet. Die meisten Partikel gehören zu den Ultrafeinstäuben (= UFP) (GSF 2005). Die Feinstaubmasse verringert sich seit 10 Jahren. Die Partikelzahl nimmt hingegen zu. In neuen Anlagen und Motoren werden Kraftstoffe feiner verdüst und verbrannt (kleinere Tropfen ergeben kleinere Partikel).


Feinstauberzeuger/Auftreten
Pm10 in µg/m3
Nachweis
Partikel/cm3
Nachweis
Bei 25.000 Pkw und 1000 Lkw
(35 m von Ampelkreuzung)

je Tag 40 im Jahres-
durchschnitt und an
über 106 Tagen >50
ANKE et al. 2005


k. A.


­-


In 1 Stunde: Ab 1228 Pkw
und 142 Lkw (2 % Steigung, 35 m von Ampelkreuzung)
­100


[berechnet von
ROSS 2008 aus
ANKE et al. 2003]
­1 Mio. bei
Extremverkehr

GSF 2005


In 1 Stunde: 126 Pkw & 4 Lkw
(35 m von Ampelkreuzung),
ohne Hintergrundbelastung
­10


[berechnet von ROSS
­2008 [18] aus ANKE
et al. 2003[2]]
Durchschnitt
unter 9000

ROSS 2008


Bundesdurchschnitt im Jahr
25 (15µg/m3 bei PM2,5)
GSF 2005
k. A.
­-
ländlich im Jahr
­10-18
GSF 2005
­6000
TSI 2007
ländlich nach 10 mm Regen


Bis 3


[berechnet von ROSS
­2008 aus ANKE
et al.2003]
Bis 3000


ROSS 2008


Südpol für Ruß
­0,005-0,05
GIV 2006
k. A.
­-
Intensiv-Rauchen

Bis 14.000

ROSS 2008

Über 30 Mio.

[berechnet von
ROSS 2008]
Dieselmotoren vor Filter
Bis 250.000
WEIDHOFER 2001
­10,6 Mio.
WEIDHOFER 2001
Industrieschornsteine
Bis 20.000 (TA Luft)

k. A.
­-
Schweißen in engen Räumen

­60.000
Mittelwert der WHO
BUNDESMINISTERIUM
FÜR ARBEIT 2006
Bis 40 Mio.

MÖHLMANN 2000

Tab. 1: Feinstaub typische Konzentrationen von PM10.
Spalten 2 und 3 sind nur orientierend vergleichbar. PM10 und Partikel sind nicht gleichzeitig gemessen
Abkürzungen: k.A. = keine Angaben, µ = Millionstel, 1 mg = 1000 µg


Feinstaub macht krank

Bei gleicher Masse wirken Ultrafeinstäube (max. 0,1 µm) etwa 2,5x stärker als solche mit 0,09 - 0,2 µm Durchmesser und 8x stärker als PM10 (POTT & ROLLER 2003). Durchschnittlich werden täglich z. B. extrem verkehrsnah beim Erwachsenen jede der etwa 300 Millionen Alveolen von über 1.000 Partikel durchströmt. Davon werden 40 % deponiert (GSF 2005). Die lungenreinigenden Makrophagen sind stetig überreizt. Deren Clearance (Reinigungsfähigkeit) ist gestört (WARDENBACH 2007). Viele Erkrankungen werden dadurch initiiert (Tabelle 2). Die Wirkungen werden bei Älteren (über 50 Jahre), Kindern (unter 15 Jahre) und Immungeschwächten besonders bemerkt. Ultrafeine Partikel erreichen über die Blutbahn auch lungenferne Organe, z. B. das Hirn. Je mehr und je länger die Immunabwehr durch Partikel beansprucht ist, desto schlechter kann sie auch gegen Mikroorganismen ankämpfen. Die Behandlung Feinstaub-Erkrankter kostet je Jahr über 3.000 € (ROSS 2008). Für Deutschland werden jährlich geschätzt z. B. 65.000 vorzeitigeTote, 83 Mio. Tage mit Atemwegserkrankungen (LAHL 2006). Medikamente können Partikel übrigens nicht auflösen.


Erkrankung
Zunahme
Bemerkung
Nachweis
Akute Atembeschwerden


Ja


Auftreten in 10 Min. bei
­30.000 Ölofen-Partikel/cm3
bei 3-Jährigem Jungen
TSI 2007


Allergien
Ja
z.B. Heuschnupfen
GSF 2005
Arteriosklerose

Ja

Arterien werden
unelastischer, enger
GSF 2005

Atemwegserkrankungen


­79 %


im 100-m-Bereich stark
befahrener Str. gegenüber
weniger belasteter
ELL 2006


Bronchitis

Ja: 30 %

Bei Schulkindern, wenn
PM10 um 30µg/m3 höher
GSF 2005

Chronische obstruktive
Atemwegserkrankungen (COPD)


­33 %
­79 %


bei Zunahme PM10 um
­7µg/m3 im 100-m-Bereich
stark befahrener Str. gegenüber
weniger belasteten
ELL 2006
WICHMANN 2008


Kardiopulmonale Sterblichkeit
­95 %
Ältere Personen in Niederlande
WICHMANN 2008
Krebse (auch durch andere
verkehrsverursachten Stoffe)
­3,1 - 16fach

Verkehrsbereiche >10.000
zu <500 Kfz/Tag
UPI 1997

Lebenszeitverkürzung
(je 10µg/m3)
6 Mon. - 1,11 Jahre,
(PM2,5 : 8 Monate)
­1,11 Jahr bei 25jährigem
aus Niederlanden
AG des BMU 2006

Lungenbläschen vernarben
Möglich
Alveolargewebe wird abgebaut
GSF 2005
Myocardial-Infarkt
(Akut ab 100µg/m3)
Ab 1-Stunden-Einwirkung
MURAKAMI & ONO 2006
Verkalkung Herzkranzgefäße


­63 %


Erwachsene im Ruhrgebiet, wenn
weniger als 50 m von Straße
wohnend
WICHMANN 2008


Tab. 2: Höhere Feinstaubmengen bewirken mehr Erkrankungen: eine Übersicht


Minderung und Vermeidung

Es gibt zahlreiche Minderungsmöglichkeiten: als erstes sei hier das Nichtrauchen genannt mit der größten Wirkung auf den Einzelnen.

Ein großer Abstand zur Staubquelle sollte eingehalten werden. Bereits bei 100 m Abstand zur Straße sinkt die Partikelzahl auf 1/3 ab (WICHMANN 2008)). Die in vielen Städten neu eingerichteten Umweltzonen können helfen, wenn sie denn auch entsprechend überwacht und die Ausnahmen gering gehalten werden (WICHMANN 2008). Der reine Durchgangsverkehr von LKWs ab 2,8 t durch Städte sollte generell untersagt werden. Die sog. "Grüne Welle" hilft gegen Stau. Moderne Heizungsanlagen wie Wärmepumpe, Gas- oder Fernheizung statt rußender Feststoffheizung reduzieren die öffentliche Belastung. Die Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften wie Lüftung und Laserdrucker in getrennten Räumen senkt die individuelle Belastung (ROSS 2008). Teppichböden aus Industriefasern und moderne Staubsauger mit mindestens HEPA-10-Filter senken die Partikelzahlen im Wohnraum. Jeder kann darüber hinaus sein Immunsystem erhalten durch Bewegung in staubarmen Gebieten und z.B. Impfungen gegen lungenschädigende Erreger (Grippe, Pneumokokken) usw.


Recht

Zugelassen sind in Deutschland bzw. der Europäischen Union (EU-RL 1999/30/EG usw.) derzeit (ab 01.01.2005) maximal 40 µg/m3 PM10 im Jahresdurchschnitt, an 35 Tagen sind Überschreitungen bis 50 µg/m3 PM10 zugelassen. Geplant waren zunächst ab 01.01.2010 als obere Grenzwerte 20 µg/m3 PM10 mit Überschreitungen bis 50 µg/m3 an 7 Tagen (BMA 2006). Die zunächst geplanten Grenzwerte wurden insbesondere von Kommunalpolitikern als zu niedrig und nicht einhaltbar bezeichnet und letztlich auf EU-Ebene revidiert. Hingegen sind in der Schweiz die niedrigeren künftigen Grenzwerte weitgehend erreicht. Die Immissionswerte sind im übrigen am Ort höchster Exposition einzuhalten (REHBERGER 2006). Bürger können konkrete Maßnahmen einklagen (Urteil des Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, AZ: 7C36/07), was auch der EuGH bestätigt hat. Die bereits oben genannten Umweltzonen sind eine Reaktion hierauf.


Folgerungen

Partikelkonzentrationen sind absenkbar. Dort, wo lokal eine Absenkung Strassen, muss die Eignung dieser Standorte für Wohnzwecke generell in nicht möglich ist, z. B. im Nahbereich von sehr stark befahrenen Frage gestellt werden.


Nachweise

AG des BMU (2006): Immissionsbelastung durch PM10. In: LASKUS et al.: DIN/ KRdL, Feinstaub und Stickstoffdioxid, Beuth, Berlin: 17-68.

ANKE K. et al. (2003): Screeningverfahren zur Auswertung von PM10-Langzeitmessungen. VDI. Gefahrstoffe, Reinhaltung der Luft 63: 201-208.

ANKE K. et al. (2005): Intensität meteorologische Einflussfaktoren auf PM10-Konzentrationen. VDI. Gefahrstoffe, Reinhaltung der Luft 65: 41-48.

BECKERS J. et al. (2005): Großes Netzwerk für kleine Teilchen. Aerosolforschung in der GSF. Neuherberg.

BUNDESMINISTERIUM FÜR ARBEIT (2006): Bekanntmachung Schweißrauche. Bundesarbeitsblatt 2006-10: 48-50.

ELL R. (2006): Wenn die Straße krank macht. VDI-Nachrichten 29.6.2006: 6.

FRIEDRICH U, KÜHNE M. (2006): Erste Erfahrungen bei der Erstellung von Luftreinhalteplänen. In: LASKUS et al. (Hrsg.): DIN/ KRdL, Feinstaub und Stickstoffdioxid, Beuth. Berlin: 217-229.

GIV GmbH (2006): Innovative Umweltmesstechnik. Breuberg: 1-138

GSF (2005): Großes Netzwerk für kleine Teilchen. Aerosolforschung in der GSF. Neuherberg.

GSF (2007): Kinder, Kranke und Sensible - umweltbezogener Gesundheitsschutz, Seminar am 26.7.2007. Frankfurt.

LAHL U. (2006): Umsetzung der 22. BImSchV. In: LASKUS et al. (Hrsg.): DIN/ KRdL, Feinstaub und Stickstoffdioxid, Beuth, Berlin: 195-211, 17-68.

LOHMEYER et al. (2006): Luftreinhalteplan für Ludwigsburg,
Ingenieurbüro Lohmeyer. Karlsruhe.

MÖHLMANN, C. (2000): Vorkommen UFPs. BIA. St. Augustin.

MURAKAMI, Y., ONO, M. (2006): Myocardial infection deaths afer high level exposure to particulate matter, J. Epid. Com. Health. Vol 60: 262-266.

POTT F., ROLLER M. (2003): Untersuchungen zur Kanzerogenität granulärer Stäube an Ratten. BauA. Dortmund.

REHBERGER E. (2006): Rechtsfragen zu Luftreinhalteplänen. In: LASKUS et al. (Hrsg.): DIN/ KRdL, Feinstaub und Stickstoffdioxid, Beuth, Berlin: 213-216.

RÖDELSPERGER K et al. (2005): Teilchenkonzentrationsmessungen zur Umweltbelastung durch Feinstaub. Gefahrstoffe - RdL 65: 463-467.

ROSS, K.F. (2008): Eigene Messungen, orientierende Berechnungen, Befragung von Betroffenen in Selbsthilfegruppe. Würzburg. 1991-2008, unveröff.

TSI (2007): Fallschilderung 1 Wohnraumuntersuchung. TSI GmbH, www.tsi.com.

UPI(1997): Krebsrisiko durch Feinstaub an Str. Bericht 44, UPI e.V., Heidelberg, www.upi-institut.de

WARDENBACH, P. (2007): Mündliche Mitteilung. BauA. Dortmund. 8.2007.

WEIDHOFER, J. (2001): Untersuchungen zu Dieselmotoremissionen. VDI Gefahrstoffe, Reinhaltung der Luft 61: 441-445.

WICHMANN, H.-E. et al. (2001): Gesundheitliche Wirkungen von Feinstaub, eco- med, Landsberg.

(24) WICHMANN H.-E. (2008): Schützen Umweltzonen ... sind sie unwirksam? Umweltmed ForschPrax 13(1): 7-10.


Kontakt:
Karl F. Ross, Dipl.-Ing. (Univ.)
Assoziierter Beisitzer der DGUHT
Salvatorstr. 2
97074 Würzburg
info@dguht.de


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Quelle:
umwelt · medizin · gesellschaft Nr. 2/2009, (Juni 2009) S. 163-165
22. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2009