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ETHIK/1303: Stellungnahme - Eingriffe in die menschliche Keimbahn (Infobrief - Deutscher Ethikrat)


Infobrief des Deutschen Ethikrates Nr. 25 - Juli 2019 - 02/19

Stellungnahme
Eingriffe in die menschliche Keimbahn

von Nora Schultz


Am 9. Mai hat der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahme "Eingriffe in die menschliche Keimbahn" veröffentlicht und im Rahmen einer Bundespressekonferenz vorgestellt.


Als die Geburt der ersten genetisch veränderten Babys im November 2018 die Welt erschütterte, arbeitete der Deutsche Ethikrat schon seit fast einem Jahr an einer Stellungnahme zu Eingriffen in die menschliche Keimbahn, die er am 9. Mai veröffentlicht hat. Er kommt darin zu dem Schluss, dass die menschliche Keimbahn nicht kategorisch unantastbar ist. Gleichwohl beurteilt er Keimbahneingriffe wegen ihrer unabsehbaren Risiken für derzeit ethisch unverantwortlich. Deshalb fordert er ein Anwendungsmoratorium und empfiehlt Bundesregierung und Bundestag, sich für eine verbindliche internationale Vereinbarung zu dieser Frage einzusetzen.

Neue gentechnische Verfahren wie CRISPR-Cas9 erlauben präzise und effektive Eingriffe in das Genom. Diese Technik ist nach einhelliger Auffassung derzeit noch nicht sicher und wirksam genug für klinische Anwendungen an menschlichen Keimbahnzellen. Zudem wäre ein solcher Einsatz zumindest in Deutschland bislang verboten. Doch angesichts der schnellen Entwicklungen in der Forschung rückt die Möglichkeit von Keimbahneingriffen immer näher.

Für welche Zwecke und unter welchen Bedingungen lassen sich Veränderung der menschlichen Keimbahn überhaupt ethisch rechtfertigen? Und wie sicher müsste die Technik sein, um einen solchen Einsatz zu wagen? In seiner Stellungnahme bietet der Deutsche Ethikrat auf der Grundlage ethischer Orientierungsmaßstäbe Antworten auf die drängendsten Fragen zum Thema an und liefert zugleich ein so bislang nicht gekanntes analytisches Instrumentarium für die Bewertung von Keimbahneingriffen.

Vier Praxisfelder

Der Deutsche Ethikrat befasst sich mit vier Praxisfeldern: dem aktuellen Forschungsprozess zur Entwicklung der biotechnischen Eingriffsmöglichkeiten sowie drei möglichen künftigen Anwendungsszenarien. Das erste dieser Szenarien, die Vermeidung schwerer erblicher Erkrankungen, die durch die Veränderung eines einzelnen Gens verursacht werden, untersucht der Ethikrat schwerpunktmäßig am Beispiel der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose. Das zweite Anwendungsszenario, die Reduzierung von Krankheitsrisiken, betrachtet der Ethikrat mit Blick auf zwei Krankheitsbilder: den erblichen Brust- und Eierstockkrebs, bei dem einzelne Gene das Erkrankungsrisiko maßgeblich mitbestimmen, und die spätmanifestierende Alzheimer-Demenz, bei der viele der beteiligten Genvarianten nur eine kleine Rolle spielen. Das dritte Anwendungsszenario, die gezielte Verbesserung von Eigenschaften (Enhancement), untersucht der Ethikrat anhand von Beispielen, die von klar medizinisch orientierten Anwendungen wie der Erzeugung genetischer Krankheitsresistenzen bis hin zur Veränderung sportlicher und charakterlicher Eigenschaften reichen.

Acht ethische Orientierungsmaßstäbe

Die Stellungnahme bietet einen Überblick über den derzeitigen biologisch-medizinischen Sachstand in den vier Praxisfeldern und unterzieht sie einer umfassenden ethischen Analyse. Dazu verwendet der Deutsche Ethikrat acht ethische Orientierungsmaßstäbe, die er für die Beurteilung von Keimbahneingriffen für besonders bedeutsam hält: Menschenwürde, Lebens- und Integritätsschutz, Freiheit, Schädigungsvermeidung und Wohltätigkeit, Natürlichkeit, Gerechtigkeit, Solidarität und Verantwortung. Im Ergebnis der Analyse kommen die Mitglieder des Deutschen Ethikrates zu sieben einstimmigen Schlussfolgerungen und Empfehlungen (siehe weiter unten).

Meinungsvielfalt

Bei der Anwendung der Orientierungsmaßstäbe auf die Praxisfelder zeigt sich aber auch, dass es bei aller Einigkeit bezüglich des politischen Handlungsbedarfs zu einigen Fragen durchaus unterschiedliche Positionen gibt - auch im Deutschen Ethikrat. Die Positionen und ihre wesentlichen Argumente werden in der Stellungnahme transparent aufbereitet und die möglichen Entscheidungspfade und ihre Konsequenzen in einem Entscheidungsbaum visualisiert (Abbildung der Originalpublikation im Schattenblick nicht veröffentlicht).

So stimmen die Mitglieder des Deutschen Ethikrates zwar darin überein, dass die Keimbahn nicht kategorisch unantastbar ist, doch nicht alle halten Keimbahneingriffe auch für sinnvoll. Eine große Mehrheit spricht sich unter Verweis auf die Orientierungsmaßstäbe Freiheit, Schädigungsvermeidung und Wohltätigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität für eine gründliche und verantwortungsvolle Erforschung der Chancen und Risiken der neuen Technik aus. Eine Minderheit bezweifelt jedoch, dass die Risiken sich jemals auf ein vertretbares Maß reduzieren lassen werden. Da sie die Ermöglichung von Keimbahneingriffen auch angesichts der für die meisten Betroffenen bereits jetzt verfügbaren Behandlungsalternativen zudem für kein ausreichend hochrangiges Ziel hält, lehnt sie weitere Bemühungen zur Entwicklung von Keimbahneingriffen ab.

Auch zur - derzeit in Deutschland verbotenen - Forschung mit entwicklungsfähigen menschlichen Embryonen in vitro, bei der diese Embryonen zerstört werden, vertreten Ratsmitglieder verschiedene Positionen. Eine Mehrheit hält Embryonenforschung für geboten, um die Risiken von Keimbahneingriffen für die nach einem solchen Eingriff geborenen Menschen zu minimieren, und spricht sich daher für ihre gesetzliche Zulassung aus. Eine Minderheit der Ratsmitglieder lehnt hingegen verbrauchende Embryonenforschung kategorisch ab und fordert die Weiterentwicklung der Technik nur mit alternativen Methoden.

Da in anderen Ländern bereits an Embryonen geforscht wird, stellt sich zudem die Frage, ob man die Ergebnisse solcher Forschung später nutzen darf, wenn man Embryonenforschung selbst ablehnt. Ein Teil der Ratsmitglieder findet das vertretbar, da durch eine solche Nutzung weder die verbrauchende Embryonenforschung im Ausland symbolisch gebilligt würde, noch sich dadurch die Zahl der im Ausland verbrauchten Embryonen erhöhte. Andere Mitglieder halten die Nutzung von Forschungsergebnissen, deren Entstehungsbedingungen man selbst ablehnt, hingegen für eine unverantwortliche Form moralischen "Trittbrettfahrens". Sie fordern, dass man stattdessen entweder den Nachweis erbringen müsse, dass die ohne Embryonenforschung erzielten Erkenntnisse ausreichen, um den Übergang zu ersten klinischen Studien zu rechtfertigen, oder dass man - sofern dies nicht möglich ist - auf Keimbahneingriffe verzichten müsse.

Anwendungsbedingungen

Ungeachtet der Forschungsmethoden mag sich zu einem künftigen Zeitpunkt die Frage stellen, ob die Forschung in die klinische Phase übergehen kann. Hier herrscht im Deutschen Ethikrat Einigkeit, dass in jedem Fall bestimmte Mindestanforderungen an die Sicherheit und Wirksamkeit von Keimbahneingriffen am Menschen erfüllt und angemessene Prozeduren und Begleitstrukturen etabliert sein müssten, um klinische Anwendungen zu rechtfertigen. Dies gilt sowohl für den Übergang zu ersten klinischen Studien am Menschen als auch für einen eventuellen späteren Übergang zur regulären klinischen Anwendung von Keimbahneingriffen. Die Erfüllung dieser Bedingungen wäre für beide Schritte und für jedes Anwendungsszenario individuell zu prüfen.

Ob die Bedingungen als erfüllt gelten können, wird von den jeweils spezifisch angestrebten Zielen, den einzusetzenden Methoden und dem aktuellen empirischen Sachstand abhängen. Derzeit spricht angesichts der noch unausgereiften Technik schon die Chancen-Risiken-Abwägung gegen einen Übergang zur klinischen Phase, weswegen der Deutsche Ethikrat vorerst einstimmig ein Anwendungsmoratorium fordert. Für den Fall, dass Sicherheitsbedenken in Zukunft entkräftet werden sollten, entfaltet der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme dennoch schon jetzt für jeden der drei betrachteten klinischen Anwendungskontexte die im Rahmen der Abwägung zu prüfenden Argumente.

Ethische Betrachtung der Anwendungsszenarien

Dabei kommen die Mitglieder mit Blick auf das erste Anwendungsszenario, die sichere Vermeidung schwerer erblicher Erkrankungen, zu einer klaren Einschätzung. Eine große Mehrheit bewertet die Weiterentwicklung und den Einsatz der Technologie für diesen Zweck als ein ethisch legitimes Ziel. Für wenige Mitglieder lassen Keimbahneingriffe hingegen keinen ausreichend hochrangigen Nutzen erkennen, der ihre potenziellen Nachteile rechtfertigen könnte.

Angesichts der großen Spannbreite der Komplexität von Krankheitsrisiken verzichtet der Deutsche Ethikrat auf eine allgemeine Abstimmung zum zweiten Anwendungsszenario und beschränkt sich darauf, mögliche Argumente vorzustellen, die im Rahmen einer Einzelfallbeurteilung berücksichtigt werden sollten. Ein positives Urteil könnte sich zum Beispiel ergeben, falls der Nutzen der Intervention erwarten ließe, dass die Betroffenen selbst dem Eingriff zustimmen würden, weil er zu ihrem Wohlergehen und ihrer Freiheit beiträgt. Dies wäre womöglich schon dadurch gegeben, dass die Gefahr sinkt, durch eine Erkrankung an Selbstbestimmung und sozialer Teilhabe einzubüßen oder schon vom Wissen um das genetisch erhöhte Risiko psychisch belastet zu werden. Zu den Gegenargumenten gehören vor allem Sorgen vor einer Diskriminierung und Stigmatisierung derjenigen, die nicht durch Keimbahneingriffe behandelt werden können oder wollen.

Auch die Ziele, Chancen und Risiken denkbarer Keimbahneingriffe zu Enhancement-Zwecken variieren nach Auffassung der Mitglieder des Deutschen Ethikrates zu stark, um eine pauschales Urteil zu rechtfertigen. Zwar sind staatlich gesteuerte Enhancement-Eingriffe zur großflächigen Durchsetzung eugenischer Ziele klar als menschenwürdewidrig abzulehnen. Doch für private Enhancements gibt es sowohl befürwortende als auch ablehnende Argumente. Sowohl das individuelle Recht auf Selbstgestaltung als auch das Freiheitsrecht der Eltern, die Prägung der eigenen Kinder nach Maßgabe eigener Vorstellungen guten Lebens zu gestalten, können für Enhancements sprechen. Bedenken, dass es durch Enhancement-Angebote zu einer Verschärfung von Gerechtigkeitsproblemen und der Entstehung antisolidarischer Deutungsmuster kommen könnte, erachten alle Ratsmitglieder als wichtig. Ob diese jedoch ausreichen, um Enhancements zu verbieten oder lediglich eine Verpflichtung des Staates begründen, solche Entwicklungen zu überwachen und gegebenenfalls regulierend gegenzusteuern, kann jedoch unterschiedlich beurteilt werden.

Fazit

In der Schlussbemerkung zu seiner Stellungnahme betont der Deutsche Ethikrat daher noch einmal, dass eine seriöse ethische Bewertung von Keimbahneingriffen - sofern man diese überhaupt für ethisch vertretbar hält - nur für den Einzelfall erfolgen kann. Ob vertretbare Mindeststandards für jegliche Anwendung überhaupt jemals erfüllt werden können, lässt sich beim derzeitigen Stand der Technikentwicklung kaum abschätzen und in vielerlei Hinsicht bezweifeln. Doch für den Fall, dass dies Realität werden sollte, hält der Deutsche Ethikrat den in seiner Stellungnahme vorgezeichneten Weg einer sorgfältigen Chancen-Risiken-Abwägung, die sich an den skizzierten Orientierungsmaßstäben ausrichtet, für unerlässlich. (Sc)

*

Die übergreifenden Schlussfolgerungen und Empfehlungen im Wortlaut:

1. Aus der ethischen Analyse ergibt sich keine kategorische Unantastbarkeit der menschlichen Keimbahn.

2. Die Beurteilung der Zulässigkeit von Keimbahneingriffen sollte sich nicht auf eine reine Chancen-Risiken-Abwägung beschränken. Vielmehr sind ihr die ethischen Orientierungsmaßstäbe Menschenwürde, Lebens- und Integritätsschutz, Freiheit, Schädigungsvermeidung und Wohltätigkeit, Natürlichkeit, Gerechtigkeit, Solidarität und Verantwortung zugrunde zu legen.

3. Voraussetzung für eine Zulässigkeit ist in jedem Fall die hinreichende Sicherheit und Wirksamkeit solcher Eingriffe.

4. Der Deutsche Ethikrat fordert ein internationales Moratorium für die klinische Anwendung von Keimbahneingriffen beim Menschen und empfiehlt dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung, auf eine verbindliche internationale Vereinbarung, vorzugsweise unter der Ägide der Vereinten Nationen, hinzuwirken.

Dieses Moratorium soll erstens Raum für einen transparenten Diskurs- und Evaluierungsprozess hinsichtlich möglicher Zielsetzungen für Keimbahneingriffe am Menschen schaffen, der bestimmt, in welchen Fällen und unter welchen Bedingungen Keimbahneingriffe in Zukunft als sinnvoll und legitim eingestuft werden können.

Es soll zweitens Zeit für sorgfältige Grundlagenforschung und präklinische Forschung schaffen, eine verfrühte Anwendung verhindern und diese als gravierenden Verstoß gegen die gute wissenschaftliche Praxis sowie gegen allgemeine Regeln des guten menschlichen Zusammenlebens markieren.

Drittens soll es Raum schaffen für die Erarbeitung geeigneter Instrumente der internationalen Regulierung. Eine Überprüfung des Moratoriums sollte in regelmäßigen Abständen und in einem transparenten Prozess erfolgen.

5. Einigkeit im Deutschen Ethikrat besteht auch dahingehend, dass Grundlagenforschung ohne Rückgriff auf menschliche Embryonen in vitro mit dem Ziel genauerer Einsichten in die Auswirkungen von Keimbahneingriffen zu fördern ist, um den Wissensstand zu deren Sicherheit und Wirksamkeit zu verbessern. Dies gilt auch für Forschung, die an embryoähnlichen Modellen (SHEEFs) erfolgt, soweit diese keinen Embryostatus haben.

6. Weiter empfiehlt der Deutsche Ethikrat die Einrichtung einer internationalen Institution, die mit mindestens zwei grundsätzlichen Aufgaben zu betrauen wäre:

Sie soll zum einen globale wissenschaftliche und ethische Standards für die Forschung zu und die Praxis von Keimbahneingriffen am Menschen erarbeiten und etablieren. Sie soll die Einhaltung dieser Standards überall dort, wo solche Forschung oder Praxis zulässig ist, überwachen. Für diese Aufgabe bietet das im Entstehen befindliche Register bei der Weltgesundheitsorganisation eine der erforderlichen Grundlagen.

Zum anderen wäre an dieser Institution eine ständige Kommission zu etablieren, die sich mit den naturwissenschaftlichen und medizinischen, ethischen, rechtlichen und sozialen sowie politischen Implikationen von Keimbahneingriffen am Menschen beschäftigt, Lösungsvorschläge für die dabei auftretenden Probleme erarbeitet und damit auch einen Beitrag zur Transparenz und öffentlichen Bewusstseinsbildung leistet.

7. Diese Institution muss sich auf einen breiten nationalen und internationalen Diskurs stützen können. Der Deutsche Ethikrat bekräftigt daher die Forderung aus seiner Ad-hoc-Empfehlung vom 29. September 2017, eine globale gesellschaftliche Diskussion zu Keimbahneingriffen zu fördern. Ein solcher internationaler Austausch über angemessene ethische Maßstäbe bei der Beurteilung möglicher künftiger Anwendungen muss unter Beteiligung aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen stattfinden. Eine von den Vereinten Nationen oder der Weltgesundheitsorganisation auszurichtende internationale Konferenz wäre ein begrüßenswertes Zeichen für eine solche Entwicklung auch auf der globalen Ebene.

Selbstverständlich sind auch in Deutschland der öffentliche Diskurs und die Bewusstseinsbildung zu stärken. Gefördert werden sollten verschiedene erprobte Formate der Partizipation. Der Informationsaustausch sollte nicht nur durch die Wissenschaft selbst, sondern auch durch öffentliche Institutionen sichergestellt werden. Der Deutsche Ethikrat empfiehlt der Bundesregierung, einen strukturierten Bürgerdiskurs einzurichten.


Die Anwendungsbedingungen im Wortlaut:

Der erste Satz an Bedingungen wäre vor der Aufnahme klinischer Studien zu erfüllen:

• Die fragliche Behandlung muss im geeigneten Tiermodell sowie in Modellen mit humanen Zellen ausreichend erprobt worden sein.

• Chancen und Risiken für die Anwendung am Menschen müssen anhand dieser Evidenzgrundlage transparent und expertengestützt abschätzbar sein, und zwar auch mit Blick auf eventuell spät manifestierende Merkmale.

• Die Auswahl des konkreten Falles für eine Anwendung muss auch auf die Begründung gestützt werden können, dass für diesen keine alternativen, risikoärmeren und effektiven Behandlungsmethoden existieren.

• Im Vorfeld müssen angemessene bürgerschaftliche Beteiligungsverfahren, insbesondere unter Einbeziehung einschlägiger Patientenverbände, zu Erwartungen, Wünschen, Befürchtungen und Einschätzungen durchgeführt worden sein.

• Die Auswahl der Studienpopulation wurde mit Blick auf ein angemessenes Chancen-Risiken-Verhältnis sorgfältig plausibilisiert.

• Ein detaillierter Studienplan, der entsprechende Aufklärungs-, Einwilligungs-, Aufsichts- und Kontrollmechanismen gemäß der etablierten Standards für klinische Forschungen enthält, liegt vor und wurde von zuständigen Kontrollinstitutionen genehmigt.

• Die Studienorganisation verpflichtet sich, eine wissenschaftliche Betreuung der nach Keimbahneingriffen entstehenden künftigen Personen für einen angemessen langen Studienzeitraum auch nach deren Geburt fortzuführen.

• Das Vorhaben wäre bei der vom Deutschen Ethikrat empfohlenen internationalen Institution zu registrieren (siehe Empfehlung 6).

• Die Studienbeteiligten sind angemessen versichert.

• Eine langfristige Begleitforschung zu eventuellen individuellen, kulturellen und sozialen Folgen der jeweiligen Eingriffe ist zu gewährleisten.

Der zweite Satz an Bedingungen wäre zu erfüllen, falls Keimbahneingriffe zur regulären klinischen Anwendung angeboten werden sollten:

• Erfüllung der Mindestanforderungen an die Sicherheit, Wirksamkeit und Verträglichkeit der jeweiligen Anwendung nach Abschluss klinischer Studien

• Etablierung von Kriterien für die praktische Ausgestaltung der konkreten klinischen Anwendung, nach denen entschieden werden kann, wer sie wann und unter welchen Bedingungen angeboten bekommen darf, welche gesellschaftlichen Begleitprozesse gegebenenfalls die Einführung einer bestimmten Behandlungsoption begleiten müssen und wie sie gegebenenfalls finanziert werden soll

• evidenzbasierte Forschung zu Mortalität, Morbidität,
Lebensqualität
etc. nach Keimbahneingriffen im Vergleich zu alternativen
Behandlungsansätzen

• langfristiges Monitoring von eventuellen Populationseffekten

• ethische und sozialempirische Begleitforschung zur Einschätzung von gesellschaftlichen Auswirkungen

• gesundheitsökonomische Forschung zur Abschätzung von Finanzierungsfragen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung

• kontinuierliche Kommunikation und öffentliche Beteiligung


INFO

- QUELLE
Die Stellungnahme "Eingriffe in die menschliche Keimbahn" ist abrufbar unter
https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/stellungnahme-eingriffe-in-die-menschliche-keimbahn.pdf
und kann auch in der Druckfassung in der Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates angefordert werden.

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Quelle:
Infobrief Nr. 25 - Juli 2019 - 02/19, Seite 9 - 14
Informationen und Nachrichten aus dem Deutschen Ethikrat
Herausgeber: Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates
Sitz: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
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Redaktion: Dr. Joachim Vetter (V.i.S.d.P.)
Telefon: 030/203 70-242, Telefax: 030/203 70-252
E-Mail: kontakt@ethikrat.org
Internet: www.ethikrat.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2019

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