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FORSCHUNG/2738: Neue Methode - Forscherteam analysiert Stressbiologie von Säuglingen (idw)


Ruhr-Universität Bochum - 28.08.2012

Stressfrei Stress testen

- Neue Methode - Forscherteam analysiert Stressbiologie von Säuglingen
- Schwangerschaftsdauer sagt Stressantwort in den ersten Lebensmonaten vorher



Nicht nur bei Erwachsenen steigt die Konzentration des Stresshormons Cortisol im Speichel nach dem Aufwachen deutlich an, sondern auch bei Neugeborenen. Das berichtet ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum und aus Basel in der Zeitschrift Psychoneuroendocrinology. "Damit bietet sich eine neue, nicht-invasive und unkomplizierte Möglichkeit, die Aktivität des Stresssystems bereits im Säuglingsalter zu erfassen", sagt Prof. Dr. Gunther Meinlschmidt von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LWL-Universitätsklinikums der RUB. Das öffnet nicht nur Wege, um bislang ungeklärte Forschungsfragen in Angriff zu nehmen, sondern könnte in Zukunft auch helfen, bei Neugeborenen Krankheiten hormonproduzierender Organe wie der Nebenniere zu diagnostizieren.

Stresshormone testen: Leicht bei Erwachsenen, schwer bei Neugeborenen

Bei Erwachsenen untersuchen Wissenschaftler Stresshormone üblicherweise, indem sie die Probanden im Experiment einer stressigen Situation aussetzen. Da ein vergleichbares Vorgehen aus ethischen Gründen bei Neugeborenen nicht denkbar ist, ist es wesentlich schwerer herauszufinden, wie gut ihr Stresssystem entwickelt ist. Das deutsch-schweizerische Forscherteam umging dieses Problem, indem es eine natürliche "Stresssituation", nämlich das Aufwachen, betrachtete. Bei Erwachsenen steigt die Cortisol-Konzentration nach dem Aufwachen an, vermutlich um den Körper auf die Anforderungen des Tages vorzubereiten. In welchem Alter sich diese Cortisol-Reaktion ausbildet, war bislang unbekannt.

Neugeborene zeigen Cortisol-Anstieg nach dem Aufwachen

Daten von 64 Neugeborenen im Alter von drei Wochen bis sechs Monaten gingen in die Studie ein. Die Eltern ließen ihre Kinder zu Hause an zwei Tagen an einem kleinen Wattestäbchen lutschen, jeweils nach dem Aufwachen und eine halbe Stunde später. Im so gewonnenen Speichel bestimmten die Forscher die Cortisol-Konzentration. In 63 % der Fälle stieg die Cortisol-Menge nach dem Aufwachen deutlich an. Dabei spielte weder die Uhrzeit eine Rolle, zu der das Kind erwachte, noch die Tatsache, ob das Baby nach dem Erwachen gestillt wurde oder nicht.

Je kürzer die Schwangerschaft, desto geringer der Cortisol-Anstieg

Stattdessen hatte die Länge der Schwangerschaft einen Einfluss. Je früher die Kinder zur Welt gekommen waren, desto geringer war der Cortisol-Anstieg nach dem Aufwachen. "Möglicherweise ist das Stresshormonsystem bei Babys nach kürzerer Schwangerschaft weniger ausgereift. Das könnte negative Konsequenzen haben", vermutet Privatdozentin Dr. Marion Tegethoff von der Fakultät für Psychologie der Universität Basel. Da Cortisol das Immunsystem hemmen kann, könnte es durch einen fehlenden Cortisol-Anstieg zu überschießenden Immunreaktionen wie bei Allergien kommen.

Neue Forschungsfragen per Speicheltest angehen

Stress erhöht das Risiko für psychische und körperliche Erkrankungen. Nun steht eine neue Methode zur Verfügung, um auch bei Neugeborenen das Stresssystem einfach zu untersuchen. Prof. Meinlschmidt, Leiter der Forschungssektion für Psychobiologie, Psychosomatik und Psychotherapie am LWL-Universitätsklinikum Bochum erläutert künftige Forschungsfragen: "Bei manchen Nagern ist die hormonelle Stressantwort in den ersten Lebenswochen für einen spezifischen Zeitraum nahezu abgeschaltet - womöglich um Organe zu schützen, die sich in dieser Zeit entwickeln. Ob es eine vergleichbare Phase auch beim Menschen gibt, ist noch unbekannt, da es aus ethischen Gründen bislang nicht möglich war, in regelmäßigen Abständen die hormonelle Stressreaktion zu testen."


Titelaufnahme
M. Tegethoff, N. Knierzinger, A.H. Meyer, G. Meinlschmidt (2012):
Cortisol awakening response in infants during the first six postnatal months and its relation to birth outcome
Psychoneuroendocrinology
doi: 10.1016/j.psyneuen.2012.08.002

Weitere Informationen
Prof. Dr. Gunther Meinlschmidt
Forschungssektion für Psychobiologie, Psychosomatik und Psychotherapie
Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität
Alexandrinenstrasse 1-3, 44791 Bochum
gunther.meinlschmidt@rub.de


Angeklickt

Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
LWL-Universitätsklinikum der RUB
http://www.lwl-uk-bochum.de/klinik-fuer-psychosomatische-medizin-und-psychotherapie

Research Department of Neuroscience der RUB
http://www.rd.ruhr-uni-bochum.de/neuro/index.html


Redaktion:
Dr. Julia Weiler

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution2

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 28.08.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2012