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AUSLAND/1601: Afrika - Schutz nicht nur für Säuglinge. Neue Tuberkulose-Impfungen erprobt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Oktober 2010

GESUNDHEIT:
Schutz nicht nur für Säuglinge - Neue Tuberkulose-Impfungen erprobt

Von Aimable Twahirwa


Kigali, 13. Oktober (IPS) - Rund 1,3 Millionen Menschen starben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2008 an Tuberkulose (TB), obwohl der Impfstoff verfügbar ist. Am höchsten war die Todesrate in Afrika und Südostasien. IPS sprach mit dem Mediziner Antony Hawkridge über neue Verfahren zur Immunisierung.

Der vor 90 Jahren entwickelte BCG-Impfstoff wird Babys in Entwicklungsländern und manchen Industriestaaten verabreicht. Er bietet jedoch nur bedingten Schutz gegen Lungentuberkulose und kann gegen andere TB-Formen nichts ausrichten. Die gemeinnützige 'Aereas Global TB Vaccine Foundation' hat daher den alternativen Impfstoff 'Aereas-422' entwickelt. Die Wissenschaftler versprechen sich davon einen langfristigen Schutz gegen alle TB-Formen bieten zu können. Erste medizinische Versuche sollen nun in den USA durchgeführt werden.

In Zusammenarbeit mit dem niederländischen Pharmakonzern 'Crucell' unterstützt Aereas außerdem die Erforschung von vier Stoffen, die für Auffrischungsimpfungen in Frage kämen. Damit könnten Kinder und Teenager, die als Säuglinge mit BCG geimpft wurden, nochmals immunisiert werden.

Wie Hawkridge im Interview mit IPS erklärte, haben die klinischen Versuche mit den Auffrischimpfstoffen inzwischen Phase IIb erreicht. Bald werde der Stoff Babys in Kenia, Südafrika, Uganda und Indien verabreicht, erklärte er im IPS, das nun in Auszügen wiedergegeben wird.

Der Tuberkulose-Forscher Anthony Hawkridge - Bild: © Aimable Twahirwa/IPS

Der Tuberkulose-Forscher Anthony Hawkridge

Bild: © Aimable Twahirwa/IPS IPS: Warum führen Sie Phase IIb der Versuche in Afrika und Indien durch?

Anthony Hawkridge: Die späteren Testphasen IIb und III, in denen die Schutzwirkung des Stoffes erprobt wird, können nur dort durchgeführt werden, wo TB häufig vorkommt. Die Probanden werden aller Wahrscheinlichkeit nach zu Hause, bei der Arbeit, in Schulen und in Dörfern mit dem Erreger in Berührung kommen.

IPS: Der zurzeit erhältliche BCG-Impfstoff hat viele Nachteile. Durch ihn werden weder Kinder noch bereits infizierte Erwachsene vollständig vor der Krankheit geschützt. Eine Impfung hält außerdem nicht ein Leben lang vor. Was wird sich durch den neuen Impfstoff ändern?

Hawkridge: Wir hoffen, dass zumindest einer der getesteten Impfstoffe nicht nur bei Säuglingen, sondern in allen Altersgruppen mehr Wirkung zeigt als BCG. Ob der Schutz lange anhält, können wir aber erst sagen, wenn das Produkt nach Abschluss aller Versuche registriert und von einer größeren Zahl von Leuten getestet wurde.

IPS: Was erwarten Sie von der Testphase IIb?

Hawkridge: Schwer zu sagen. Die Entwicklung von Impfstoffen gegen TB ist immer äußerst schwierig. Selbst wenn sich ein erprobter Impfstoff bei den ersten Versuchen als sicher, gut verträglich und immunogen erweist, kann er immer noch in der letzten Phase versagen. Manchmal zeigt sich auch sehr spät, dass er unsicher ist, wie es bei den ersten Rotavirus-Impfungen der Fall war. Wir sind aber zuversichtlich, dass zumindest einer der neuen Impfstoffe die Tests ganz bestehen wird.

IPS: Welche ethischen Grenzen setzen Sie, um Babys zu schützen, die an den Tests teilnehmen?

Hawkridge: Sponsoren und Forscher führen die Versuche nach dem Grundsatz des 'Good Clinical Practice' durch. Damit sind internationale Standards für die klinische Forschung gemeint, die unter anderem den Schutz von Probanden garantieren. Jedes Versuchsprotokoll muss von einem unabhängigen Ethik-Komitee begutachtet werden. Letztlich liegt es in der Verantwortung des Projektleiters, die Einhaltung international akzeptierter Standards zu garantieren.

IPS: Wann können wir mit dem neuen Impfstoff rechnen, wenn alle Versuche erfolgreich verlaufen?

Hawkridge: Jahrelang sind wir von 2015 oder 2016 ausgegangen. Inzwischen dürften die Experten aber der Ansicht sein, dass es noch bis 2020 dauern wird. Phase IIb in Kenia erfordert noch zweijährige Nachuntersuchungen. Phase III wird dann mindestens drei weitere Jahre brauchen. Ich rechne nicht damit, dass das neue Produkt vor 2017 - oder sogar 2020 - eingetragen wird. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2010