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AUSLAND/1619: Afghanistan - Zur Aids-Therapie nach Pakistan, Ausgabe von Gratismedikamenten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. Dezember 2010

Afghanistan: Zur Aids-Therapie nach Pakistan - Ausgabe von Gratismedikamenten

Von Ashfaq Yusufzai


Peschawar, 8. Dezember (IPS) - Als bei Nasarullah, einem jungen Afghanen, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten seinen Lebensunterhalt verdiente, ein HIV-Test positiv ausfiel, verlor er seine Arbeit und wurde unverzüglich ausgewiesen. Der 28-Jährige aus der afghanischen Ostprovinz Jalalabad hatte dennoch Glück. Dank einer Initiative der UN-Aidsbehörde (UNAIDS) wird seine Krankheit im benachbarten Pakistan kostenlos behandelt.

"Von einem Nachbarn erfuhr ich von dem Projekt und fuhr direkt über die Grenze nach Peschawar. Dort meldete ich mich am nächsten Tag in einem pakistanischen Gesundheitszentrum für eine Gratisbehandlung mit antiretroviralen Medikamenten (ARV) an", berichtete Nasarullah.

Das von UNAIDS zwischen Pakistan und Afghanistan ausgehandelte, zunächst auf drei Jahre angelegte Gesundheitsprojekt hat die Arbeit im Oktober dieses Jahres aufgenommen. "Seitdem werden in Peschawar 70 HIV-infizierte Afghanen betreut, 48 Männer, 18 Frauen und vier Kinder", berichtete der Mediziner Abdul Hakim vom afghanischen Nationalen Programm zur Aids-Kontrolle (NACP).

"Für die HIV-infizierten Afghanen ist das Abkommen über die bilaterale Gesundheitskooperation ein Segen", betonte Ossama Tawil, UNAIDS-Vertreter für Pakistan und Afghanistan. "Hier erhalten sie die notwenige Behandlung kostenlos, ohne, wie in ihrem eigenen Land, wegen ihrer Krankheit stigmatisiert und traumatisiert zu werden", stellte er fest.

"Im Rahmen des Projektes sollen die gesundheitspolitischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern ausgebaut werden", berichtete Tawil. Geplant seien gemeinsame Präventionsmaßnahmen sowie Behandlungs- und Unterstützungskonzepte für HIV-Patienten.

Schon länger habe man über gemeinsame Strategien im Umgang mit der Immunschwäche nachgedacht", erklärte der UNAIDS-Repräsentant. Schließlich gebe es auf beiden Seiten der 2.400 Kilometer langen, durchlässigen Grenze ähnliche Probleme in Sachen HIV/Aids. "In den beiden soziokulturell verwandten Ländern ist das Profil der Epidemie nahezu deckungsgleich", betonte er.

In beiden Ländern gibt es große Risikogruppen von Drogenabhängigen. Hatte UNAIDS Afghanistan noch bis 2009 als wenig HIV/Aids-gefährdet eingeschätzt, so stellte sich inzwischen heraus, dass 7,1 Prozent der Fixer HIV-infiziert sind.

"Das Risiko einer epidemischen Ausbreitung von HIV ist in Afghanistan sehr hoch", warnte die Ärztin Naveeda Schabbir von der pakistanischen nationalen Aids-Behörde. Ihre Einschätzung begründete sie mit den fast drei Jahrzehnte langen Jahren bewaffneten Konflikten im Land und den großen Flüchtlingsströmen, mit offenen Grenzen, einer danieder liegenden Wirtschaft, dem Mohnanbau und zahllosen Drogensüchtigen, die an der Nadel hängen.

Nach Angaben von UNAIDS gab es in Pakistan 2009 etwa 97.400 HIV-Patienten und Aids-Kranke. Fast 21 Prozent der Drogenabhängigen waren HIV-positiv oder bereits an Aids erkrankt.


Gemeinsame Strategien im Kampf gegen HIV/Aids erarbeiten

"Wir wollen erreichen, dass sich beide Länder um effiziente Maßnahmen und Methoden zur HIV/Aids-Bekämpfung bemühen und entsprechende Programme aufbauen", sagte Tawil. "Dazu gehören die Behandlung von HIV-Infizierten mit antiretroviralen Medikamenten, die Prävention einer Übertragung des HI-Virus von Eltern auf ihre Kinder und umfassende Aufklärungskampagnen, in die auch Gemeinden und Religionsführer eingebunden werden."

Im Rahmen der angestrebten bilateralen Gesundheitspolitik ist die kostenlose Versorgung afghanischer HIV-Patienten mit ARV-Medikamenten in Pakistan ein hoffnungsvoller Anfang. Bei der Ausrottung der Kinderlähmung habe man bereits gemeinsam erfolgreich zusammengearbeitet, betonte der NACP-Mitarbeiter Hakim. "Doch in Afghanistan gibt es keine speziellen Behandlungszentren für HIV/Aids. Eine Zusammenarbeit auf diesem Gebiet ist weit schwieriger."

Für Jamila aus der afghanischen Westprovinz Herat könnte das bilaterale Projekt gerade noch rechtzeitig angelaufen sein. Ihr Mann, der vor drei Jahren starb, hatte sie mit HIV infiziert. Sie litt bereits an hohem Fieber und Bauchschmerzen, als sie von Pakistans kostenlosem ARV-Behandlungsangebot erfuhr. "Ich fuhr eiligst nach Peschawar und trug mich in die Patientenliste ein", berichtete sie.


Grenzüberschreitende personelle Starthilfe

Inzwischen hat sich eine Delegation der afghanischen Aidskontrollbehörde im ARV-Zentrum im nordwestpakistanischen Peschawar informiert, ob sich die dortigen Behandlungsmethoden für die in Afghanistan geplanten HIV/Aids-Zentren eignen. Wenig später reiste eine pakistanische Expertenkommission zu einem Informationsbesuch nach Kabul.

Darüber hinaus will Pakistan dem Nachbarland mit Fachpersonal aushelfen, das die afghanischen Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit HIV-Patienten und in der Pflege von Aidskranken weiterbilden soll. Auch Behandlungs- und Beratungszentren in Kabul, Herat, Kundus, Masar, Kandahar, Ghasni, Badakschan und Nangahar erhalten Starthilfe von pakistanischen Experten.

Pakistans einheimische Gesundheitsexperten bekräftigen die erfolgreiche Arbeit der Behandlungszentren mit ihren Patienten. "Solange die meisten HIV-Infizierten nicht von speziell ausgebildeten Fachkräften betreut wurden, mieden sie Krankenhäuser, denn dort wurden sie von Ärzten und vom medizinischen Personal herablassend behandelt", berichtete der Arzt Haschim Ali vom ARV-Zentrum der Hayatabad-Klink in Peschawar. "Jetzt kommen sie zu uns, denn hier kümmern sich Fachärzte, speziell ausgebildetes Pflegepersonal und Psychologen um sie und beraten sie." (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
http://www.unaids.org
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53802


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Dezember 2010