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AUSLAND/1628: Afrika - Gewandelte Einstellung zur Genitalverstümmelung (DSW)


DSW [news] - Dezember 2010
Deutsche Stiftung Weltbevölkerung

Gewandelte Einstellung zur Genitalverstümmelung

Ein aktueller Unicef-Bericht zeigt, dass die Genitalverstümmelung von Mädchen nach wie vor verbreitet ist, die Praxis jedoch zunehmend in Frage gestellt wird.


Der Kampf gegen Genitalverstümmelung zeigt allmählich Fortschritte. Dies belegt der Bericht "The Dynamics of Social Change: Towards the Abandonment of Female Genital Mutilation/Cutting in Five African Countries", der am 18. November vom Kinderhilfswerk Unicef vorgestellt wurde. Untersucht wurden Ägypten, Äthiopien, der Sudan, Kenia und der Senegal. Nach wir vor müssen sich viele Mädchen in diesen Ländern der schmerzhaften und gefährlichen Prozedur unterziehen. Allerdings hat sich laut Unicef die Einstellung geändert: Immer mehr Frauen stehen der traditionellen Praxis kritisch gegenüber.

Unter Genitalverstümmelung oder Beschneidung versteht man das teilweise oder völlige Entfernen der externen Genitalien bei Mädchen und Frauen aus nicht-medizinischen, meist traditionell motivierten Gründen. Diese Prozedur ist sehr schmerzhaft und kann zu langfristigen Blutungen, Infektionen, Unfruchtbarkeit und manchmal sogar zum Tod der Betroffenen führen. Schätzungen zufolge sind weltweit 70 bis 140 Millionen Frauen von Genitalverstümmelung betroffen. In Afrika sind jedes Jahr drei Millionen Mädchen dem Risiko ausgesetzt, Opfer von Genitalverstümmelung zu werden. Darüber hinaus ist diese Praxis in einigen Ländern Asiens und des Mittleren Ostens verbreitet, sowie in geringerem Ausmaß unter Migranten in westlichen Staaten.

Genitalverstümmelung ist traditionell verankert

Familien, die ihre Töchter der Praxis der Genitalverstümmelung aussetzen, sehen darin einen notwendigen Schritt für das Erwachsenwerden der Mädchen. Unicef-Sprecherin Merixie Mercado erklärte, warum Eltern ihre Töchter beschneiden lassen: "Es geht dabei darum, dass ihre Töchter von der Gesellschaft akzeptiert werden, dass sie heiraten können und die Chance auf ein normales Leben haben." Unterziehen sich die Mädchen im Kontext dieser traditionellen Vorstellungen der Beschneidung nicht, hat dies soziale Ausgrenzung nicht nur für die Mädchen, sondern für die gesamte Familie zur Folge.

Geringe Fortschritte im Kampf gegen die Praxis - große Fortschritte im Wandel der Einstellung

Die Unicef-Studie zeigt, dass Genitalverstümmelung in den untersuchten Ländern sehr verbreitet ist. So ist in Ägypten, Äthiopien und dem Sudan der Anteil der Mädchen, die beschnitten werden, nach wie vor sehr hoch. Im Norden des Sudans sind 89 Prozent der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren von Genitalverstümmelung betroffen, in Äthiopien 74 Prozent und in Ägypten sogar 91 Prozent. Im Senegal habe es laut Unicef hingegen Fortschritte gegeben.

In allen Ländern ist in den vergangenen Jahren allerdings ein Wandel in der Einstellung der Menschen zu beobachten. In Äthiopien hat sich die Zahl der Frauen, die wünschen, dass die Praxis der Genitalbeschneidung fortgesetzt wird, nahezu halbiert - von 60 Prozent im Jahr 2000 auf 31 Prozent 2005. In Ägypten ist die Zustimmung von 82 Prozent 1995 auf 63 Prozent im Jahr 2008 gesunken und im Sudan von 79 Prozent 1990 auf 51 Prozent im Jahr 2006.

Die Gemeinschaft muss mit einbezogen werden

Erfolgreich und nachhaltig im Kampf gegen die Beschneidung der Mädchen sind vor allem Programme, die nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Umfeld im Auge haben und auch lokale und religiöse Führer mit einbeziehen. Gerade der Motivationsfaktor der Eltern, die Töchter zu einem akzeptierten Mitglied der Gemeinschaft zu machen, kann laut Mercado zum Ende der Praxis beitragen, "wenn sich die sozialen Normen erst einmal weiterentwickelt und die sozialen Erwartungen gewandelt haben." Das Ziel erfolgreicher Kampagnen ist es, an diesen sozialen Erwartungen der Gemeinschaft anzusetzen. So hat man im Sudan beispielsweise viele verschiedene Ansätze kombiniert und die Gemeinschaft als Ganzes in den Blick genommen: Eine große Medienkampagne hat hier dazu beigetragen, dass der Status "unbeschnitten" positiv besetzt wird. Zudem wurde eine öffentliche Diskussion zum Thema Kindeswohl angeregt, in der auch auf Genitalverstümmelung eingegangen wurde.

Quelle: Voice of America News, 24. November 2010; IRIN News, 18. November 2010; UN News Service, 18. November 2010.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2010