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AUSLAND/1745: Mit Hightech zum Niedrigtarif gegen Mütter- und Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. September 2011

Entwicklung: Mit Hightech zum Niedrigtarif gegen Mütter- und Kindersterblichkeit

Von Christian Papesch


New York, 14. September - Mobiltelefone und Computerapplikationen sind wirksame Waffen im Kampf gegen die hohe Mütter- und Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Untersuchung einer von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon eingesetzten Arbeitsgruppe, die sich in Ländern wie Indien, Sambia und Tansania nach einfachen und preiswerten aber erfolgreichen Methoden zur Sicherung der medizinischen Grundversorgung umgesehen hat.

"In vielen Fällen stammten die Ideen von lokalen Unternehmen", berichtet Tore Godal, Sonderberater des norwegischen Ministerpräsidenten und Ko-Autor der Studie der 'Arbeitsgruppe Innovation' (IWG), gegenüber IPS. "Viele Neuerungen sind das Ergebnis der Zusammenarbeit des öffentlichen und privaten Sektors, die die Voraussetzungen geschaffen hat, die Mütter- und Kindersterblichkeit zu verringern.

Ein Beispiel ist das südafrikanische Projekt 'Cell-Life', das HIV-positive Mütter per SMS an die Einhaltung ihrer Gesundheitschecks und von Terminen zur Untersuchung ihrer Neugeborenen erinnert. Das Projekt hatte von Anfang an Aussicht auf Erfolg, immerhin haben acht von zehn Südafrikanern Zugang zu Mobiltelefonen. 40 Prozent der Todesfälle von Kindern stehen mit HIV/Aids im Zusammenhang - etwa weil Mütter ihre Säuglinge nicht zur Behandlung in ein Krankenhaus bringen konnten.

"Die Handys erinnern die Frauen, wann sie ihre Pillen schlucken und womit sie nach der Einnahme der Medikamente rechnen müssen", erläutert Pumla, eine Krankenschwester an der Nolungile-Klinik in Khayelitsha, dem drittgrößten Township Südafrikas am Rande von Kapstadt. Diese einfachen Gedächtnishilfen hätten Unglaubliches bewirkt.

Eine von Pumlas Patientinnen sagt auch warum. "Es ist so, als hätte man einen guten Freund, jemanden, der für dich da ist, der sich um dich kümmert und der versteht, was du durchmachst", berichtet Tembli, eine junge Mutter, in einem von der Stiftung der Vereinten Nationen in Zusammenarbeit mit der IWG und der 'Partnerschaft für die Gesundheit von Müttern, Säuglingen und Kindern' (PMNCH) veröffentlichten Videointerview.


Interaktive Software zur Betreuung unterernährter Kinder

Ein weiteres Projekt, das die neuen Medien zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung einsetzt, ist 'D-Tree'. Es stellt medizinischen Fachkräften in Tansania eine interaktive Software zur Verfügung, die sie über ihre Mobiltelefone abrufen können und die ihnen alle Informationen liefert, die sie für die Behandlung unterernährter Kinder benötigen. Rund sechs Prozent aller Mädchen und Jungen in dem ostafrikanischen Land sind unterernährt und 30 Prozent sterben an den Folgen.

Die Leitlinien für die Behandlung akuter Unterernährung sind komplex und müssen oftmals den Bedürfnissen der Betroffenen angepasst werden. Die mit der Software ausgestatteten Handys helfen dem Gesundheitspersonal vor Ort, das Idealgewicht der Kinder zu berechnen und die Behandlung mit den Müttern abzusprechen. An Telefongebühren fallen für den Gesundheitsberater monatlich 120 US-Dollar an, pro Kind sind es jeweils 1,33 Dollar.

"Die Mobiltelefonietechnologie versorgt Familien in entlegenen Dörfern, in denen der Zugang zu medizinischem Fachpersonal begrenzt ist, mit lebensrettenden Gesundheitsinformationen", sagt Kathy Calvin, Geschäftsführerin der UN-Stiftung. "Sie hat das Potenzial, die Mütter- und Kindersterblichkeit in weit abgelegenen und bedürftigen Orten der Welt zu verringern."

Es ist nicht nur eine Herausforderung, Gesundheitsinformationen in isolierte Landesteile zu bringen. Auch die Behandlung stellt sich dort als Problem dar. Ein Fünftel aller Kinder sterben vor Vollendung ihres fünften Lebensjahres an den Folgen vermeidbarer Krankheiten wie Durchfall, nur weil sie in ländlichen Gegenden leben, in denen die Versorgung mit preiswerten und wirksamen Medikamenten nicht gegeben ist.


Lieferwege von Unternehmen nutzen

Das war ein Grund, warum der ehemalige Geschäftsführer der britischen Hilfsorganisation 'Rural Net UK', Simon Berry, das ColaLife-Projekt gestartet hat. Die Idee dahin ist simpel. Da das beliebte Getränk selbst in den kleinsten Städten und Dörfern erhältlich ist, nutzt die Hilfsorganisation die Lieferwege von Coca-Cola, um Medikamente und Anweisungen gegen Durchfall in die entlegenen Regionen zu bringen.

Doch die Zusammenarbeit mit Unternehmen vor Ort und der Einsatz moderner Technologien sind nicht die einzigen innovativen Ideen, die von dem Bericht besonders hervorgehoben werden. In Indien verbirgt sich hinter dem Namen 'Lifespring' ein Netz aus Krankenhäusern, in denen Frauen für weniger als 100 Dollar ein Kind zur Welt bringen können.

Die erste Pilotklinik eröffnete 2005 ihre Pforten. Innerhalb eines Jahres gingen aus LifeSpring sechs Krankenhäuser hervor. Inzwischen sind es neun Kliniken, weitere sechs werden bis Ende des Jahres verfügbar sein. Jedes Hospital soll sich nach 18 Monaten selbst tragen können. Das Krankenpersonal von LifeSpring hat bisher mehr als 10.000 Säuglingen geholfen, das Licht der Welt zu erblicken.

"Wir haben mit dieser Klinik gute Erfahrungen gemacht", sagte Saroja, Mutter der Lifespring-Patientin Swathi, die ein Kind im Krankenhaus von Chilkalguda, einem Dorf im südöstlichen Bundesstaat Andhra Pradesh, geboren hat. "Die Ärzte haben meine Tochter regelmäßig über den Verlauf ihrer Schwangerschaft informiert. Ebenso regelmäßig kommt ein Kinderarzt vorbei, um sich das Baby anzuschauen. Das Krankenhaus ist gut und sauber - viel besser als andere."

Nach Ansicht von Tore Godal gibt es zwei Gründe, warum LifeSpring eine gute und preiswerte medizinische Behandlung anbieten kann. Zum einen, weil man sich auf die Gesundheit von Müttern und Kindern konzentriere, zum anderen, weil den Verantwortlichen eine kostengünstige und gleichzeitig qualitativ hochwertige Behandlung am Herzen liege. "Einfache und preiswerte Methoden können viele Menschenleben retten, weil sie sich an die Ärmsten der Armen richten, die einem extrem hohen Risiko ausgesetzt sind, zu sterben." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.cell-life.org/about-us
http://www.d-tree.org/
http://www.colalife.org/
http://www.colalife.org/
http://www.ipsnews.net/print.asp?idnews=105076

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. September 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2011