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AUSLAND/1981: Mexiko - Neue Strategie im Anti-Drogenkampf, Hauptstadt will Marihuana legalisieren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 8. August 2013

Mexiko: Neue Strategie im Anti-Drogenkampf - Hauptstadt will Marihuana legalisieren

von Emilio Godoy


Bild: © CC BY 2.5

Getrocknete Cannabis-Pflanze
Bild: © CC BY 2.5

Mexiko-Stadt, 8. August (IPS) - Die Behörden in Mexiko-Stadt erwägen eine Legalisierung von Marihuana. Sollte dieser Plan in die Tat umgesetzt werden, geriete das Land in Konflikt mit drei von ihm ratifizierten internationalen Anti-Drogen-Abkommen.

Der Rat des Föderalen Distrikts von Mexiko-Stadt und die linke Stadtregierung von Bürgermeister Miguel Mancera haben für September Beratungen unter anderem über die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Aspekte von Marihuana angekündigt. Der medizinische Gebrauch der Droge, in Mexiko 'mota' genannt, könnte bis Ende des Jahres genehmigt werden.

Nach dem allgemeinen Gesundheitsgesetz, das 2009 geändert wurde, steht es den Regierungen der mexikanischen Bundesstaaten frei, über Gesundheitsfragen in Zusammenhang mit illegalen Substanzen zu entscheiden. Rechtlich gestattet ist der Besitz von jeweils fünf Gramm Marihuana, 500 Milligramm Kokain und 50 Milligramm Heroin für den persönlichen Gebrauch. Herstellung, Verteilung und Verkauf sind jedoch verboten.

"Es gibt viele Länder, die die Drogenkontrollabkommen aus medizinischen Erwägungen in Zweifel ziehen", sagte der Rechtsanwalt Fernando Gómez-Mont, der im Kabinett des ehemaligen Staatspräsidenten Felipe Calderón (2006 bis 2012) Innenminister war. "Dadurch entstehen Spannungen bei der Umsetzung der UN-Konventionen."

Uruguay könnte als erster Staat Lateinamerikas Marihuana vollständig legalisieren. Kürzlich verabschiedete das Unterhaus des Parlaments in Montevideo ein Gesetz, das die Entscheidung über die Herstellung, die Verteilung und den Verkauf von Marihuana in die Hände des Staates legen würde. Gibt der Senat wie erwartet ebenfalls grünes Licht, wird die kontrollierte Produktion von Marihuana auf speziell dafür zugelassenen Farmen erlaubt sein. Der persönliche Konsum der Drogen ist in dem südamerikanischen Land schon jetzt straffrei.


Marihuana in uruguayischen Apotheken

Registrierte Konsumenten könnten nach dem neuen Gesetz bis zu 40 Gramm Marihuana im Monat in Apotheken kaufen und jeder Haushalt bis zu sechs Pflanzen für den privaten Gebrauch ziehen. In dem Land sollen zudem 'Cannabis-Clubs' entstehen.

In den USA sind infolge von Wählerinitiativen Herstellung, Verteilung und Verkauf der Droge in den Bundesstaaten Colorado und Washington erlaubt. 20 der 50 US-Bundesstaaten lassen inzwischen Marihuana zu medizinischen Zwecken zu. Wer zum ersten Mal mit einer kleinen Menge für den eigenen Konsum geschnappt wird, braucht in 16 Staaten keine Strafverfolgung zu befürchten.

Mexiko, wo rund 118 Millionen Menschen leben, ist Unterzeichner des Einheitsabkommens über Betäubungsmittel von 1961, des UN-Übereinkommens über psychotrope Stoffe von 1971 und des UN-Übereinkommens gegen illegalen Handel mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen von 1988.

"Mexiko kann Zwischenschritte zur Legalisierung von Marihuana einlegen, ohne dass die Nachbarstaaten notwendigerweise folgen müssten", erklärte der Schriftsteller Jorge Castañeda, früherer Außenminister im Kabinett von Staatspräsident Vicente Fox (2000 bis 2006). Die USA hätten ebenfalls solche Entscheidungen getroffen, sagte der überzeugte Befürworter einer Legalisierung von Rauschgift.

Marihuana ist die in Mexiko am häufigsten konsumierte illegale Droge, gefolgt von Kokain und Schnüffelstoffen, wie aus einer 2011 vom Gesundheitsministerium veröffentlichten Studie hervorgeht. Die Herstellung konzentriert sich auf die Bundesstaaten im Westen und Süden.


Drogenbekämpfung in Mexiko hat einen hohen Preis

Ein neuer Umgang mit der Droge ist nach Ansicht von Experten dringend notwendig, seit die Drogenbekämpfungsstrategie von Calderóns Regierung eine humanitäre Krise ausgelöst hat. Die Zahl der Toten durch die Militarisierung des Kampfs gegen den Drogenhandel sowie der Handel und Konsum von Rauschgift sind seither stark gestiegen.

Während der Amtszeit von Calderón wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen mehr als 100.000 Menschen ermordet. Weitere 26.121 'verschwanden' und 250.000 wurden vertrieben. Auch unter Calderóns Nachfolger Enrique Peña Nieto ist die Opferbilanz hoch. Auf der Grundlage von Medienberichten wird die Zahl der zwischen Dezember 2012 und Ende April 2013 gewaltsam ums Leben gekommenen Mexikaner mit 8.000 angegeben. Staatschef Peña Nieto lehnt die Legalisierung von Rauschgift als Mittel zur Drogenbekämpfung ab und bleibt grundsätzlich auf der Linie seines Vorgängers.

Doch auch die globale Sicht auf illegale Drogen ändert sich. Der Fokus verlagert sich von der Unterdrückung und Strafverfolgung auf die Prävention. "Wir werden uns in der Debatte sehr verantwortungsbewusst verhalten", sagte Manuel Granados, Abgeordneter von Mexiko-Stadt. "Wir sind uns einig, dass wir das Strafrecht im Zusammenhang mit der Gesundheitspolitik andern müssen." Der föderale Hauptstadtdistrikt ist nicht nur ein Vorreiter bei der Legalisierung von Marihuana, sondern auch bei der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.

Im September will der Stadtrat mit Delegierten der Vereinten Nationen und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die neuen Ansätze in der Drogenpolitik diskutieren. Seit 2007 sind bereits mindestens acht Gesetzesinitiativen zur Legalisierung von Marihuana in das nationale Parlament und die Volksvertretungen von Bundesstaaten eingebracht worden. Im Plenum wurde aber über keinen einzigen beraten. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.unodc.org/pdf/convention_1988_en.pdf
http://www.unodc.org/pdf/convention_1971_en.pdf
http://www.unodc.org/pdf/convention_1961_en.pdf
http://www.conadic.salud.gob.mx/pdfs/ENA_2011_DROGAS_ILICITAS_.pdf
http://www.ipsnews.de/news/news.php?key1=2011-10-2813:05:19&key2=1
http://www.ipsnoticias.net/2013/05/tribunal-de-los-pueblos-enjuicia-a-mexico-por-desaparecidos/
http://www.ipsnoticias.net/2013/08/legalizacion-de-marihuana-reta-enfoques-convencionales/
http://www.ipsnews.net/2013/08/mexico-city-marijuana-legalisation-would-challenge-conventional-approach/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 8. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. August 2013