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AUSLAND/2079: Kooperiere oder stirb - Auf medizinische Hilfe angewiesene Palästinenser von Israel erpresst (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. März 2014

Nahost: Kooperiere oder stirb - Auf medizinische Hilfe angewiesene Palästinenser von Israel erpresst

von Khaled Alashqar


Bild: © Khaled Alashqar/IPS

Die Eltern von Fadi Al-Qutshan mit einem Foto ihres Sohnes
Bild: © Khaled Alashqar/IPS

Gaza-Stadt, 31. März (IPS) - "Wenn du medizinisch behandelt werden möchtest, ruf mich an und geh auf meine Forderung ein. Dann wirst du ärztliche Hilfe erhalten und überleben." Auf diese Weise versuchte ein israelischer Geheimdienstoffizier offenbar einen kranken Palästinenser aus dem Gazastreifen als Spitzel anzuwerben. Fadi Al-Qutshan war nicht bereit, den Preis zu zahlen und ist gestorben.

Der 28-Jährige litt an einer seltenen Krankheit, die schließlich zum Arterienverschluss führte. Da er im Gazastreifen nicht die erforderliche medizinische Hilfe hatte bekommen können, riet man ihm, sich im Westjordanland in Behandlung zu begeben. Die israelischen Behörden verweigerten ihm mehrmals die Erlaubnis, von dem einem Palästinensergebiet in das andere zu reisen. Eine Genehmigung kam erst, als sich das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte in Gaza einschaltete.

In dem Krankenhaus im Westjordanland hörte Qutshan dann, dass er nur in dem israelischen Hospital Tel Ha Shomar die richtige Hilfe finden würde. Er wurde dort tatsächlich aufgenommen und erfolgreich operiert. Doch dann stand eine Rückkehr für die notwendige Nachbehandlung an.

"Sein Telefon klingelte, als er neben mir saß. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, er brach das Gespräch abrupt ab und stellte das Handy aus", erinnert sich seine Mutter Zeina Al-Qutshan. "Später sagte er mir, dass der Anrufer ein israelischer Geheimdienstoffizier gewesen sei. Er habe die Genehmigung für eine Rückkehr in das Krankenhaus davon abhängig gemacht, dass er für Israel als Spitzel im Gazastreifen arbeiten würde. Mein Sohn weigerte sich und starb wenig später."


Erpressungsversuche

Wie Ahlam Al-Aqra, Anwalt beim Palästinensischen Menschenrechtszentrum in Gaza, erklärt, haben sich die israelischen Kontrollpunkte, die Patienten passieren müssen, um angemessene medizinische Hilfe zu bekommen, zu regelrechten Fallen entwickelt. Entweder würden die Betroffenen verhaftet oder unter Druck gesetzt, mit Israel zu kooperieren. "Das verstößt gegen die grundlegenden Menschenrechte und muss aufhören", fordert der Jurist.

Das Zentrum hat mehrere Fälle von Festnahmen und Beeinflussung von Patienten aus dem Gazastreifen dokumentiert, die den Checkpoint Erez zwischen dem Gazastreifen, dem Westjordanland und Israel überqueren mussten. Verwandte und andere Begleiter wurden zudem drangsaliert.

Nach Angaben des palästinensischen Ministeriums für Gefangene ist die Zahl der festgenommenen und in Israel inhaftierten Patienten deutlich gestiegen. Die Gesamtzahl der palästinensischen Häftlinge in Israel, darunter politische Gefangene, wird mit etwa 4.800 angegeben. Ein Viertel von ihnen benötigt ärztliche Hilfe.

"170 Gefangene müssen operiert werden und 23 haben Krebs. 45 sind so krank, dass sie sich nicht ohne fremde Hilfe fortbewegen können. 18 befinden sich aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes im Krankenhaus des Gefängnisses von Ramallah", erklärt der Ministeriumssprecher Eslam Abdo.

In dem nur 360 Quadratkilometer großen Gazastreifen leben mehr als 1,5 Millionen Menschen. Aufgrund der von Israel verhängten Blockade gibt es in dem Gebiet nicht genügend Hospitäler und medizinische Geräte. Kritische Fälle werden daher an Krankenhäuser im Westjordanland und in Israel überwiesen. Ob die Patienten dort behandelt werden können, hängt von den Genehmigungen der israelischen Armee ab, die den Checkpoint Erez kontrolliert.

Das Gesundheitssystem im Westjordanland ist in einem besseren Zustand, doch die Ausstattung israelischer Krankenhäuser ist in jedem Fall besser.

Mahmoud Shamlakh wurde auf dem Weg zu einem Hospital in Israel von israelischen Soldaten festgenommen. "Nachdem wir alle erforderlichen Genehmigungen beisammen hatten, begleitete ich meine Frau zu einer ärztlichen Behandlung ins Westjordanland", erzählt er. "Doch sie wurde zurückgeschickt, und ich kam ohne Grund für neun Monate in ein israelisches Gefängnis."


"Grausame, inhumane Behandlung"

Die israelische Sektion der Ärzte für die Menschenrechte (PHR) verurteilt das Vorgehen Israels gegen palästinensische Patienten. Sie hat wiederholt die israelischen Sicherheitsbehörden aufgefordert, die grundlegenden Gesundheitsbedürfnisse von Palästinensern aus dem Gazastreifen nicht als Druckmittel zu missbrauchen. "Patienten oder deren Begleiter festzunehmen, nachdem sie Passierscheine für Erez erhalten haben, ist eine grausame, inhumane Behandlung, die PHR scharf verurteilt", heißt es in einer Erklärung der Organisation.

In den vergangenen drei Jahren wurden etwa 13.000 Patienten aus dem Gazastreifen für dringende oder weiterführende medizinische Behandlungen in israelische oder andere palästinensische Krankenhäuser überwiesen, wie das Gesundheitsministerium mitteilte. Die israelische Blockade des Gazastreifens und die Schließung des Grenzübergangs Rafah durch Ägypten werden vermutlich dazu führen, dass die Zahl der Hilfsbedürftigen in den kommenden Wochen und Monaten weiter ansteigt. (Ende/IPS/ck/2014)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2014