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POLITIK/1984: Krankheit als Geschäft (6) - Der Widerstand soll kanalisiert werden (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 43 vom 25. Oktober 2019
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Krankheit als Geschäft
Teil VI: Der Widerstand soll kanalisiert werden

von Richard Corell und Stephan Müller


Krankheit ist ein Riesengeschäft. Im Teil IV (siehe UZ vom 13. September) unserer Artikelserie haben wir gesehen: Es geht in der BRD um eine Markt von etwa 350 Milliarden Euro. Bei einer Gesamtwirtschaftsleistung (BIP 2018) von 3.340 Mrd. Euro sind das gut 10 Prozent. Im vorigen Teil V (siehe UZ vom 11. Oktober) traten die Teilnehmer an diesem Markt in ihrer gesellschaftlichen Gesamtheit auf, mit ihren entgegengesetzten Klasseninteressen: Für das Kapital ist das Gesundheitssystem einerseits ein Riesenmarkt zur Kapitalvermehrung, andererseits sind die Kosten zur Wiederherstellung der Arbeitskraft Herstellungskosten, die es wie den Lohn möglichst niedrig halten will. Für die Arbeiterklasse besteht die Notwendigkeit, sich im Klassenkampf ein Niveau des Überlebens zu erstreiten. Der Staat der herrschenden Klasse hat die Aufgabe, den Klassenkampf möglichst geräuschlos und kostengünstig in systemerhaltende Bahnen zu lenken. Wenn der Druck der Kapitalseite auf den Widerstand der Arbeitsseite stößt und die üblichen Integrationsmittel den Widerstand nicht weichklopfen, entstehen Risse im System, wie sie aktuell im hiesigen Gesundheitswesen sichtbar werden.

Der "Stern" erschien am 5. September mit dem "Ärzte-Appell" auf der Titelseite und scheint Vorkämpfer gegen die Misere im Gesundheitswesen werden zu wollen. Ausgerechnet der "Stern?" Bei Wikipedia lesen wir: "Stern (Zeitschrift): Das Magazin wird vom Hamburger Verlagshaus Gruner + Jahr, einem Unternehmen der Bertelsmann Media Group, herausgegeben. (...) Der Stern wird unter Journalisten seit langem als eines der deutschsprachigen Leitmedien eingestuft, denen die Funktion zukommt, gesellschaftliche Kommunikation und Öffentlichkeit zu gestalten und zu prägen." Dem ist nicht zu widersprechen. Der Milliardärs-Clan um Bertelsmann-Erbin Elisabeth "Liz" Mohn (siehe UZ-Dossier "Unsere Oligarchen") hat das Geschäftsmodell entwickelt, Vorarbeit zu leisten für den Staat, den "ideellen Gesamtkapitalisten": In ihrer Bertelsmann-Stiftung lassen sie in mehr oder weniger öffentlichen Gesprächskreisen der herrschenden Eliten ausloten, was die öffentliche Meinung sein soll, die sie dann zielgruppengenau bis hin zu RTL 2 "gestalten und prägen". Das hat bei der Agenda 2010 gut geklappt. Schröders Kanzleramtsminister und Agenda-Architekt Steinmeier mit Scharnierfunktion zu Bertelsmann ist nicht zuletzt dafür mit dem Posten des Bundespräsidenten belohnt worden. Und Oligarchin Mohn durfte im Kampf der Monopolkapitalisten um den gesellschaftlich produzierten Mehrwert ein paar Milliarden in ihre Schatulle lenken.

Warum sponsert Bertelsmann nun den "Ärzte-Appell"? Die "Reform" des Gesundheitswesens im Rahmen der Agenda 2010 ist an den kapitalistischen Widersprüchen gescheitert. Widerstand formiert sich und konsolidiert sich, statt sich integrieren zu lassen. Die "gesellschaftliche Kommunikation" droht der Kontrolle der Herrschenden zu entgleiten und muss nun energisch "gestaltet und geprägt" werden. "Bertelsmann" ist nicht etwa der kapitalistische "Mastermind", der die Politik lenkt, sondern eines der vielen Vermittlungsorgane zwischen den konkurrierenden Kapitalinteressen, die im staatsmonopolistischen Kapitalismus um Einfluss auf politische Entscheidungen kämpfen.

Der Stern-Ärzte-Appell soll also jetzt die öffentliche Kommunikation der Akteure "prägen", die die Misere im BRD-Gesundheitswesen nicht mehr hinnehmen wollen: Millionen geschundene Patienten und hunderttausende ausgepowerte Beschäftigte und ihre Familien, aber eben auch zehntausende Ärzte, Apotheker, Optiker und andere Heilmittelhändler ebenso wie privatversicherte Besserverdiener, die ihre Privilegien davonschwimmen sehen.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 51. Jahrgang,
Nr. 43 vom 25. Oktober 2019, Seite 2
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2019

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