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POLITIK/1717: Rösler zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag, 14. September 2010


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Rede des Bundesministers für Gesundheit, Dr. Philipp Rösler, zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag am 14. September 2010 in Berlin:


Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der Einzelplan 15 umfasst einen Gesamtetat von 15,8 Milliarden Euro. Dabei ist der größte Anteil der steuerliche Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 15,3 Milliarden Euro. Deswegen ist es notwendig, bei der Haushaltsberatung zum Einzelplan 15 auch auf die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt zu blicken.

Man kann zunächst einmal feststellen, dass die gesetzliche Krankenversicherung gut durch die Krisenjahre gekommen ist, jedenfalls vergleichsweise gut. Das ist - zugegebenermaßen - ein Stück weit eine Leistung der alten Bundesregierung, aber auch eine Leistung der neuen Bundesregierung. "Vergleichsweise" heißt, dass wir, wenn wir so weitermachen würden wie bisher, im nächsten Jahr ein Milliardendefizit zu erwarten hätten. Ein solches Defizit würde die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt gefährden.

Deswegen zwei Dinge zu dem Defizit selbst: Zum einen kommt dieses Defizit aufgrund der schlechteren Jahre 2008 und 2009 zustande, ist also krisenbedingt. Zum anderen ist dieses Defizit aber auch durch fehlende strukturelle Veränderungen in den letzten neun Jahren begründet. Ein Teil des Defizits ist also immer auch Ergebnis neunjähriger verfehlter sozialdemokratischer Gesundheitspolitik.

Ich komme gleich noch zu den Zahlen.

Die gute Nachricht des Tages ist: Die christlich-liberale Koalition ist angetreten, um dieses Defizit gar nicht erst entstehen zu lassen, also für das kommende Jahr auszugleichen. Dabei werden alle Beteiligten gleichermaßen in Anspruch genommen: Arbeitgeber, Arbeitnehmer, und zwar durch die Rückführung des Krankenversicherungsbeitrages auf das Niveau von vor der Krise, die Leistungserbringer im System, Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Krankenhäuser, die Krankenkassen und natürlich auch die Pharmaindustrie.

Aber eine Gruppe wird nicht zum Ausgleich des Defizits herangezogen. Das sind die Patientinnen und Patienten, die eben nicht durch höhere Zuzahlungen wie Praxisgebühr oder weitere Zusatzbeiträge in Verantwortung genommen werden.

Das zeigt, dass dieses System funktioniert, dass die Starken, nämlich die Gesunden, durch ihre Beiträge sicherstellen können, dass die Schwächeren, nämlich die Kranken, immer und zu jeder Zeit die notwendigen Leistungen erhalten. Das zeigt nicht nur die Solidarität des Systems, sondern auch die Ausgewogenheit unseres Sparpaketes für das Jahr 2011 und auch für das Jahr 2012.

Ihre Kritik gerade an den Sparmaßnahmen zum Thema Arzneimittelpreise finde ich bemerkenswert. Ich meine, wenn jemand keine Kritik üben dürfte, dann wären das die Vertreter von SPD und Grünen. Die Linken haben nie regiert, und sie werden auch nie regieren.

Man kann den Kollegen also keinen Vorwurf machen, wenn sie nicht versucht haben, die Pharmaindustrie in den Griff zu bekommen. Aber Sie haben eine Zeit lang regiert, und Sie haben rein gar nichts erreicht, wenn es darum geht, die Pharmapreise in irgendeiner Form in den Griff zu bekommen. Erinnern wir uns nur daran, wie Frau Fischer als grüne Gesundheitsministerin einmal versucht hat, an die Pharmaindustrie heranzugehen. Herr Schröder hat dann zu einer weinseligen Runde im Kanzleramt eingeladen, und herausgekommen sind 400 Millionen Euro. Netto waren es 200 Millionen Euro. Selbst wenn Sie es in D-Mark umrechnen würden, würden Sie nicht in Ansätzen an die 2 Milliarden herankommen, die diese Regierungskoalition allein in diesem und im nächsten Jahr der Pharmaindustrie nimmt, um sie für die gesetzlich Versicherten zu sichern.

Wenn wir die Maßnahmen loben würden, dann wäre das nicht überraschend; wir haben sie schließlich auf den Weg gebracht. Aber dass sie offenbar wirken, erkennen Sie daran, dass die private Krankenversicherung nicht nur die gleichen, sondern dieselben Instrumente fordert, die die gesetzliche Krankenversicherung hat, um die Arzneimittelpreise zu kontrollieren. Ich halte es ausdrücklich für gerechtfertigt, diese Instrumente auf die private Krankenversicherung zu übertragen. Man muss sich schon sehr über Ihre Lesart der deutschen Gesundheitspolitik wundern.

Wir sagen zu Recht: Wir sind für mehr als 80 Millionen Versicherte in Deutschland verantwortlich und zuständig. Dazu gehören die 70 Millionen gesetzlich Versicherten, aber auch die über 8 Millionen privat versicherten Menschen. Auch das sind ganz normale Menschen, zum Beispiel Beamte des einfachen und mittleren Dienstes. Es ist gerechtfertigt, dass diese Menschen genau dieselben Möglichkeiten der Kostenkontrolle bekommen wie die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Alle Maßnahmen, die wir auf den Weg bringen, sollen ihren Beitrag zum Defizitausgleich für die Jahre 2011 und 2012 leisten. Vor allem aber geben sie uns Zeit für strukturelle Änderungen im Gesundheitssystem, um langfristig die Finanzierung stabilisieren zu können. Das ist Ihnen in den letzten Jahren eben nicht gelungen. Denn zu Recht fordern die Menschen eine Entkopplung der Krankenversicherungskosten von den Lohnzusatzkosten und damit die Aufhebung der Konjunkturanfälligkeit, wie wir sie in den Jahren 2008 und 2009 erleben mussten, sowie gleichzeitig den Einstieg in ein wettbewerblicheres System durch einkommensunabhängige Beiträge und mehr Solidarität durch einen steuerfinanzierten Sozialausgleich.

Dass wir dazu bereit sind, erkennen Sie auch im Einzelplan 15 schon bei den Haushaltsberatungen zum Haushalt 2011. Denn anders als in der mittelfristigen Finanzplanung ausgewiesen, steigt der steuerliche Bundeszuschuss von 13,3 Milliarden Euro um zwei Milliarden Euro auf 15,3 Milliarden Euro. Das ist zum einen für den Ausgleich gedacht, zum anderen ist es aber auch für den steuerfinanzierten Sozialausgleich vorgesehen. Das zeigt, dass die Menschen zu Recht fordern, dass wir das System der gesetzlichen Krankenversicherung stabilisieren. Genau das wird diese Regierungskoalition für das Jahr 2011, aber auch für die Folgejahre auf den Weg bringen, und zwar nicht nur für diese Legislaturperiode, sondern weit darüber hinaus.

Auch wenn die Zahlen im System, die den eigentlichen Haushalt des Einzelplans 15 betreffen, nicht an die Größenordnung von 15,3 Milliarden Euro herankommen, lohnt es sich, finde ich, sie in den Blick zu nehmen. Obwohl wir die Sparvorgaben des Finanzministeriums nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt haben - Sie kennen den Begriff "Plan übererfüllt" -, haben wir auch Ausgabensteigerungen in für uns wesentlichen und wichtigen Bereichen durchgesetzt, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Krebs.

Auch bei der Einführung der Versorgungsforschung - das ist, glaube ich, ein wichtiges Thema - kennen wir uns zwar bei den Einzeltherapien gut aus; aber beim Ineinandergreifen der unterschiedlichen Therapien und Sektoren gibt es noch einiges zu erforschen, wie auch in dem wichtigen Bereich Krankenhaushygiene. Hier geht es insbesondere um die Frage der Bekämpfung von Arzneimittelresistenzen. Ich halte es ausdrücklich für richtig, dass man tragische Ereignisse, die sich aktuell abgespielt haben, nicht nur kurzfristig in der Öffentlichkeit bedauert, sondern langfristig Maßnahmen zur Verbesserung der Krankenhaushygiene ergreift.

Ich will mich ausdrücklich bei den Regierungsfraktionen bedanken, die nicht nur die Mittel dazu zur Verfügung stellen, sondern gleichzeitig bei dem wichtigen Ziel, Resistenzen bundesweit und weltweit zu bekämpfen, auch Initiativen auf den Weg bringen, um die Länder mit ins Boot zu holen.

Abschließend möchte ich noch eine Ausgabe hervorheben, die zwar nur einen kleinen Etatansatz ausmacht, aber politisch ungemein wichtig ist, und zwar 400 000 Euro für die Verbesserung der Organspendebereitschaft in Deutschland. Ich will nicht nur die Leistung von Frank-Walter Steinmeier, sondern auch die Vorbildfunktion, die er dadurch für Deutschland hat, persönlich ausdrücklich anerkennen und mich an dieser Stelle bei ihm dafür bedanken, dass dadurch das Thema Organspende auf die Tagesordnung gesetzt wurde.

Dabei spielen nicht nur die von uns finanzierten Kampagnen eine Rolle; vielmehr ist es in der Gesundheitspolitik, die sich nicht nur mit Finanzierungsfragen beschäftigen darf, unsere gemeinsame Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das wichtige Thema Organspende ernst genommen und ernsthaft diskutiert wird und die Menschen in Deutschland entsprechend versorgt werden. Auch das gehört zur Haushaltsberatung dazu; denn es heißt nicht umsonst, dass Haushaltsberatungen in Zahlen gegossene Politik sind. Politik heißt Stabilisierung der Systeme, aber auch Erfolge für die Menschen in diesen Systemen.


*


Quelle:
Bulletin Nr. 86-3 vom 14.09.2010
Rede des Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble,
zum Haushaltsgesetz 2011 vor dem Deutschen Bundestag
am 14. September 2010 in Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010