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DEMENZ/085: Lernen von anderen Ländern - Erfahrungen in Belgien, Treffpunkt Alzheimer Café (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 3/12
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Lernen von anderen Ländern
Erfahrungen in Belgien: Treffpunkt Alzheimer Café

Von Sabine Henry, Präsidentin der Ligue Alzheimer asbl



Die Ligue Alzheimer, die Alzheimer-Gesellschaft Belgiens, betreut 31 Alzheimer Cafés im Lande. In den Alzheimer Cafés trifft man sich einmal im Monat, stets am gleichen Wochentag, zur gleichen Zeit, am gleichen Ort. Jeder ist willkommen, der drei Grundregeln akzeptiert: Vertraulichkeit, Wertschätzung, Respekt. Hier einige Eindrücke von einem Treffen in Lüttich.

"Die blauweiße Fahne 'Alzheimer Café' hängt am Stamm der dicken Eiche davor, und da können Sie auch gleich parken. Sie brauchen nicht zu klingeln. Die Tür steht offen, und den frischen Kaffee kann man schon von weitem riechen."

Das ist die mündliche Lagebeschreibung, mit deren Hilfe Monique und Theodor, ein äußerlich ungleiches Paar, etwas zögernd im Alzheimer Café landen. Die Dame trägt ein pastellfarbenes Chanel-Kostüm, ist sorgfältig frisiert und hat knallrote Lippen. Der Herr hat ein schwarzes Lederblouson übergeworfen und ist außer Puste. Die beiden spüren die angeregte Stimmung, sie werden freundschaftlich begrüßt und nehmen nebeneinander an dem langen, gedeckten Tisch Platz.

Joseph, ein Pensionär, ist verantwortlich für die ordnungsgemäße Nutzung des alten Holzpavillons, der der Stadt Lüttich gehört. Ehrenamtlich kümmert er sich um die Bestellungen. Auf der bunt bemalten Karte steht "1 Euro für Getränke jeder Art", aber offenbar gilt die Regel, dass jeder gibt was er will.

Die Gruppenleiterin wirkt resolut und gelassen. Sie verschafft sich mit bemerkenswerter Lautstärke die Aufmerksamkeit aller Anwesenden und spricht alle an, ohne darauf zu achten, wer Patient(in), Pflegende(r), Angehörige(r), Professionelle(r), Student(in), Journalist(in), Politiker(in) ist.

Ein erfahrener Teilnehmer beginnt die Vorstellungstour um den Tisch. Er nennt seinen Vornamen und beschreibt dann seinen aktuellen Alltag mit Demenz. Seine Frau ist gestürzt und der Familienhilfsdienst kommt nun jeden Tag zweimal: "Das hilft zwar, aber manchmal geht es bei uns zu wie auf dem Bahnhof, ein ständiges Rein und Raus. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen!" Jeder kommt zu Wort und sagt soviel oder sowenig wie er will. Zum selbstgewählten Getränk kostet man von der Schokolade, die einer der Teilnehmer mitgebracht hat.

Nun sind die Neuankömmlinge dran. Monique fragt sich, was sie hier tut. Theodor scheint sich darüber klarer zu sein; er hat sie hergeführt und fährt das Auto. Andererseits kennt Monique Lüttich wie ihre Hosentasche. "Wenn sie mal einen Fremdenführer brauchen, stehe ich zur Verfügung", verkündet sie stolz, während ihr Freund zweifelnd und besorgt die Stirne kräuselt.

"Na prima", bemerkt ein weiterer Teilnehmer der Runde. Und dann geht es einfach weiter, normal, menschlich, unbeschwert, sachlich aber respektvoll, hilfreich und ermutigend.


Internet:

http://alzheimercafX.be


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Im Alzheimer Cafe tauschen sich Menschen mit und ohne Demenz aus - jeder Beitrag ist willkommen

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 3/12, S. 9
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2012