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DEMENZ/313: Wahlrecht auch für Menschen mit Demenz (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 1/17
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Wahlrecht auch für Menschen mit Demenz

von Bärbel Schönhof


Anlässlich der in 2017 anstehenden Wahlen stellen sich für viele Angehörige die Fragen: Können Demenzkranke ihr Wahlrecht ausüben? Wann sind sie vom Wahlrecht ausgeschlossen?

Das Wahlrecht ist ein persönliches Recht. Es kann weder an eine andere Person übertragen noch von Angehörigen, Bevollmächtigten oder rechtlichen Betreuern stellvertretend ausgeübt werden (§ 14 Bundeswahlgesetz). Das Vorliegen einer Demenzerkrankung führt nicht automatisch zum Ausschluss von der Wahlberechtigung. Demenzkranke können allerdings dann vom Wahlrecht ausgeschlossen sein, wenn für sie eine rechtliche Betreuung besteht und der Aufgabenkreis "alle Angelegenheiten" umfasst (§ 13 BWahlG). Wenn das Betreuungsgericht eine solche Betreuung anordnet, wird die betreute Person aus dem Wählerverzeichnis gestrichen und erhält keine Wahlbenachrichtigung mehr.

Ist jedoch eine rechtliche Betreuung angeordnet, ohne dass der Aufgabenkreis "alle Angelegenheiten" enthält, hat das Gericht die entsprechenden Aufgabenkreise für den demenzkranken Menschen genauer zu betrachten. Umfasst der vom Gericht benannte Aufgabenbereich des Betreuers praktisch bereits sämtliche Angelegenheiten, dann ist dies einer Betreuung in allen Angelegenheiten gleichzusetzen (so die Entscheidung des Landgerichts Zweibrücken vom 20.07.1999, AZ: 4 T 167/99). Auch in diesem Fall hat das Betreuungsgericht die zuständige Behörde davon zu unterrichten.

Soweit die Gefahr von Wahlmanipulationen, gerade im Rahmen der Briefwahl, diskutiert wird, können zwei Hinweise gegeben werden: Wahlmanipulationen sind gemäß § 107a Strafgesetzbuch strafbar und können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Darüber hinaus ist die Gefahr von Wahlmanipulation kein ausreichender Grund für die Betreuungsgerichte, um eine Betreuung auf "alle Angelegenheiten" zu erweitern, um Betroffene so vom Wahlrecht auszuschließen (so BayOLG vom 12.03.1997, AZ: 3 Z BR 47/97). Dies bedeutet, dass Menschen mit Demenz nur unter diesen engen Voraussetzungen vom Wahlrecht ausgeschlossen werden können. In allen anderen Fällen dürfen Demenzkranke ihr Wahlrecht uneingeschränkt und ungehindert ausüben.

Menschen mit Demenz, die in stationären Einrichtungen versorgt werden, können ebenfalls ihr Wahlrecht uneingeschränkt ausüben. Hierzu muss ihnen seitens der Einrichtung Hilfe angeboten werden. Dies kann eine Unterstützung beim Ausfüllen des Wahlscheins im Rahmen der Briefwahl sein, sofern die Betroffenen dies wünschen. Wichtig ist, dass das Wahlgeheimnis den Wähler davor schützt, dass seine Wahlentscheidung beobachtet oder rekonstruiert werden kann. Benötigen Heimbewohner Hilfe beim Aufsuchen der Wahllokale, sind die Heime verpflichtet, hier Hilfestellung zu geben. Dies ergibt sich daraus, dass das höchstpersönliche Wahlrecht als Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu werten ist und die Einrichtungen Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Rahmen ihrer vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Heimbewohnern zu erbringen haben.

Kurz zusammengefasst: Wer eine Wahlbenachrichtigung erhält, darf auch wählen. Es ist erlaubt, jemanden beim Ausfüllen des Wahlscheins nach seinen Wünschen zu unterstützen. Nicht erlaubt und strafbar ist jede Form der Beeinflussung und Manipulation der Wahlentscheidung.


Bärbel Schönhof, Bochum
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 1/17, S. 17
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2017

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