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DEMENZ/403: Gemeinsam in den Urlaub (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 2/18
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Gemeinsam in den Urlaub und gestärkt zurück in den Pflegealltag

von Alzheimer Gesellschaft Brandenburg e.V., Potsdam


Das Forschungsprojekt "Esprit - Entlastung und Stärkung für Pflegebedürftige und Pflegende - Reisen im Tandem" zeigt, dass Betreute Urlaube für Menschen mit Demenz und deren Angehörigen Entlastung bringen.

Das Projekt ESPRIT ist ein Kooperationsprojekt unter der Leitung des Instituts für Gerontologische Forschung e.V. (IGF) mit den Alzheimer-Gesellschaften des Landes Brandenburg und der Stadt Hamburg.(*)

Während der Projektlaufzeit von 2016 - 2018 wurden mittels qualitativer und quantitativer Methoden insgesamt acht von den beiden teilnehmenden Alzheimer-Gesellschaften organisierte und durchgeführte Urlaube evaluiert. Ziel war es zu analysieren, ob durch das Urlaubsangebot für die Reiseteilnehmenden kurz- und mittelfristig Wirkungen für Lebensqualität und Versorgungsarrangement erreicht werden können und welcher organisatorische Aufwand bei den Alzheimer-Gesellschaften entsteht.

97 Prozent der Teilnehmenden mit Urlaub zufrieden

Die Alzheimer-Gesellschaften Hamburg und Brandenburg sind schon lange von der positiven Wirkung der von ihnen durchgeführten Betreuten Urlaube für Menschen mit Demenz und deren Angehörigen überzeugt. Durch das Evaluationsprojekt ESPRIT konnten nun auch die Wirkungen in ersten Zwischenergebnissen wissenschaftlich nachgewiesen werden. Die ersten Ergebnisse des Projektes "ESPRIT - Entlastung und Stärkung für Pflegebedürftige und Pflegende - Reisen im Tandem" wurden am Freitag den 17. November 2017 auf der Abschlusstagung in Potsdam vom IGF präsentiert.

Egal ob die Urlaubskonzepte feste Betreuungszeiten (Pflegebedürftige und Angehörige verbringen feste Zeiten getrennt von einander) oder Bezugspflege (jedes Reisepaar hat eine Bezugspflegekraft) vorsahen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Betreuten Urlaube (ca. 97 Prozent) gaben am Ende des Urlaubs an, zufrieden oder eher zufrieden zu sein. 63 Prozent der pflegenden Angehörigen geben an, sich nach dem Urlaub entspannter und erholter zu fühlen. Eine Angehörige beschreibt es so: "Beim ersten Mal habe ich gedacht, was ein Pipifax. Du gehst da spazieren und eigentlich hast du gar nicht das Gefühl, dich erholt zu haben. Aber hinterher, da habe ich gemerkt, was das gebracht hat. Und jetzt fahre ich zweimal im Jahr nach Möglichkeit hierher."

Insgesamt steigt die Zuversicht hinsichtlich der Bewältigung der häuslichen Pflegesituation. Mehr als die Hälfte aller befragten Angehörigen gaben an, im Urlaub Anregungen für Veränderungen zuhause erhalten zu haben (54 Prozent). Zwei Drittel davon gaben sechs Monate später an, Veränderungen vorgenommen zu haben. So sagte eine Angehörige im Interview: "Ich will jetzt mal versuchen, dass er einmal in der Woche in die Tagesstätte kommt. Und dass vielleicht einmal in der Woche dann eine Pflegekraft kommt, die mit ihm spazieren geht ..." Ein anderer Teilnehmer berichtete: "Also für mich steht fest, dass [...] ich dafür sorgen werde, an eine Verhinderungspflege ranzukommen. Das heißt, dass ich so mal zu den alten Sportkameraden vielleicht abends zwei, drei Stunden gehe. Oder wenn mal so eine kleine Theaterveranstaltung ist, dass man dahin fährt. [...] Das braucht man einfach. Man sieht es hier. [...] aber das hat sich hier gefestigt und ich sehe, wie gut einem das tut."

Kompetenzzuwachs bei den Angehörigen

Für die Betreuten Urlaube spricht der Kompetenzzuwachs der pflegenden Angehörigen, entweder durch den Erfahrungsaustausch mit anderen Angehörigen oder dadurch, dass sie im Urlaub erleben, wie mit ihrem Partner mit Demenz durch die Betreuer umgegangen wird. Die Urlaube wirken sich nicht nur kurzfristig auf die Erholung und Entspannung der Reiseteilnehmer aus. Mittel- und langfristig zeigt sich, dass Angehörige verstärkt Leistungen zur Unterstützung in der Pflege in Anspruch nehmen.

Nachfrage nach Urlauben ist riesengroß - Alzheimer-Gesellschaften tragen großen Teil der Organisationskosten

Allerdings stellt die Organisation und Durchführung der Betreuten Urlaube die Alzheimer-Gesellschaften vor große Herausforderungen. Denn der Urlaub selbst wird zwar von den Reiseteilnehmern durch Eigenmittel und Verhinderungspflege finanziert. Die Kosten für die Organisation, Vorbereitung, fachliche Leitung und Nachbereitung in Höhe von ca. 5.000 EUR für einen durchgeführten Urlaub tragen die Alzheimer-Gesellschaften jedoch derzeit selbst.

Da die Nachfrage bzw. das Interesse an den Betreuten Urlauben riesengroß ist und nicht allein von den Alzheimer-Gesellschaften bedient werden kann, hoffen die Alzheimer Gesellschaft Hamburg und die Alzheimer-Gesellschaft Brandenburg sehr, dass in Zukunft die Kosten für den Arbeitsaufwand für Vor- und Nachbereitung gedeckt werden, damit mehr Betreute Urlaube, gerne auch von anderen Trägern, durchgeführt werden.

Denn: "Wer die Pflege und Betreuung eines demenzkranken Angehörigen zu bewältigen hat, der bleibt dabei besser nicht allein. Der soll, der muss sich austauschen mit anderen, denen es genauso geht. Der braucht Urlaub und 'freie Zeit', um sich selbst zu stärken, sich wieder zu finden, um noch Lust am Leben zu haben. Er/sie soll seine Erfahrungen weitergeben und von den anderen lernen. Und er/sie soll sich auch helfen lassen, wo immer es geht." (Aus dem Grußwort von Herrn Minister Baaske zum 6. Alzheimer-Tag Brandenburg am 25. September 2003 in Potsdam)

* Finanziell gefördert wird das Projekt ESPRIT durch den Bund (Förderkennzeichen ist ZMVI 102516ZPK651).

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 2/18, S.20 - 21
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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Das Alzheimer Info erscheint vierteljährlich.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2018

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