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DEMENZ/495: Rechtliche Aspekte der Begleitung von Menschen mit Demenz während der Corona-Pandemie (DAlzG)


Alzheimer Info, Ausgabe 1/2022
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Rechtliche Aspekte der Begleitung von Menschen mit Demenz während der Corona-Pandemie


Eine Angehörige berichtet in der Beratung: " (...) unsere Mutter (91 J.) ist nach zwei Schlaganfällen dement. Meine Schwester ist gesetzlich bestellte Betreuerin. Unsere Mutter musste nun am Samstag aufgrund eines Notfalls in die Notaufnahme eingeliefert werden. Weder mir (dreifach geimpft, tagesaktueller Coronatest negativ) noch meiner Schwester (zweifach geimpft) wurde eine Begleitung unserer Mutter aufgrund der Corona-Schutzregelungen erlaubt. So musste unsere Mutter, die keinen eigenen Willen mehr äußern kann, mehrere Stunden alleine in der Notaufnahme verbringen. Ist das rechtens?"

Wir haben den Rechtswissenschaftler, Sozialexperten, Sach- und Fachbuchautor Prof. Dr. Thomas Klie, der als Rechtsanwalt in Berlin, München und Freiburg arbeitet, um Einschätzung gebeten.


Psychosoziale Aspekte in pflegerische Versorgung einbeziehen

Krankenhausaufnahmen oder -einweisungen sind gerade für Menschen mit Demenz krisenhafte Situationen, die sowohl von ärztlicher als auch von pflegerischer Seite eine sorgfältige Vorbereitung und Begleitung benötigen. Menschen mit Demenz sind in einer für sie fremden Umgebung, mit ihnen unbekannten Personen und einer in der Regel hektischen Umwelt - in diesem Fall besonders durch die Aufnahme in der Notaufnahme - im höchsten Maße belastet und dies in einer Situation, in der ihre Gesundheit bedroht ist. So es ärztlicherseits um die erforderliche Diagnostik und mögliche Therapie geht, ist von Seiten der Fachpflege zu gewährleisten, dass Patientinnen und Patienten pflegerisch angemessen versorgt werden. Zu eben dieser Versorgung gehört auch eine vertrauensgeprägte Kommunikation, die Einbeziehung von Vertrauenspersonen sowie weitere Maßnahmen, welche die pflegerische Situation auch psychosozial stabilisieren. Die Mitaufnahme oder mindestens die Einbeziehung von Vertrauenspersonen von nahen Angehörigen ist aus fachlicher Sicht oftmals dringend erforderlich, zumal wenn es offensichtlich von der Person gewünscht oder aber sie ohne die entsprechende Begleitperson irritiert ist.


Voraussetzungen der Einwilligungsfähigkeit beachten

Gerade in Notfallsituationen stehen häufig schwerwiegende Entscheidungen an, die sich sowohl auf den Verzicht als auch auf die Einwilligung in eine Heilbehandlungsmaßnahme beziehen. Menschen mit einer fortgeschrittenen Demenz sind häufig allein nicht entscheidungsfähig, gegebenenfalls entscheidungsunfähig. Sie sind also darauf angewiesen, mit anderen Personen gemeinsam eine Entscheidung über die ärztlichen Heilbehandlungen zu treffen oder diese von ausgewählten Personen stellvertretend treffen zu lassen. Voraussetzung ist jeweils eine ärztliche Aufklärung, die Beachtung der jeweiligen Rechte von Patientinnen und Patienten sowie eine wirksame Einwilligung. Das gilt auch und insbesondere in Krankenhäusern und dort, wo für die weitere Lebensführung bedeutsame Entscheidungen getroffen werden. Die AWMF-Leitlinie "Einwilligungsfähigkeit von Menschen mit Demenz" legt fest, wie die Einwilligungsfähigkeit geprüft und bei fehlender oder eingeschränkter Einwilligungsfähigkeit auch in klinischen Kontexten legitimierte Entscheidungen herbeigeführt werden können. Besonders vor diesem Hintergrund ist von größter Bedeutung, dass nahe An- und Zugehörige oder Bevollmächtigte, die gegebenenfalls den Willen der Patientinnen und Patienten verstehen und diesen zum Ausdruck bringen können oder sie in einer Entscheidungsfindung unterstützen, anwesend sind. Voraussetzung ist natürlich, dass sie den medizinischen Ablauf nicht stören. Der Ausschluss von Bevollmächtigten und nahen An- und Zugehörigen aus dem klinischen Behandlungszusammenhang und die Verwehrung des Zutritts zur Klinik, wie im oben beschriebenen Fall geschehen, ist mit den Rechten von Patientinnen und Patienten nicht zu vereinbaren.


Infektions- und Hygieneschutz muss gewährleistet sein

Unter Bedingungen der Corona-Pandemie sind in den Kliniken hohe Anforderungen an den Infektions- und Hygieneschutz zu stellen. Dies gilt selbstverständlich auch für mögliche Besucherinnen und Besucher und Begleitpersonen von Patientinnen und Patienten. Erfüllen diese aber die gleichen Anforderungen, was den Infektionsschutz anbelangt, die auch für die Mitarbeitenden der Klinik gelten, gibt es keinen Grund, sie an einer Begleitung zu hindern, sofern diese aus fachlicher und rechtlicher Sicht notwendig ist. Vielmehr haben Krankenhäuser durch die Bereitstellung entsprechender Schutzmaßnahmen und PCR-Tests zu gewährleisten, dass die Begleitung von Patientinnen und Patienten in der Notaufnahme, aber gegebenenfalls auch die Mitaufnahme von An- und Zugehörigen ermöglicht wird.

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Weitere Informationen

Die Leitlinie "Einwilligung von Menschen mit Demenz in medizinische Maßnahmen" zum Download unter:
www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/108-001.html
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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 1/2022, Seite 14
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
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Telefon: 030/259 37 95-0, Fax: 030/259 37 95-29
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 21. Mai 2022

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