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HERZ/889: Europäischer Kardiologiekongress (ESC) 2016 in Rom (4) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 31. August 2016

Europäischen Kardiologiekongress (ESC) 2016 in Rom

→  Öffentliche Defibrillatoren: Gezielte Schulungen könnten Nutzen deutlich erhöhen
→  Herzschwäche-Patienten werden nicht immer Leitlinien-gerecht behandelt
→  Tele-EKG hilft Vorhofflimmern früher zu erkennen
→  Obstruktive Schlafapnoe: CPAP-Apparat verbessert Prognose bei Herz-Kreislauf-Patienten nicht


Öffentliche Defibrillatoren: Gezielte Schulungen könnten Nutzen deutlich erhöhen

Rom/Paris, 31. August 2016 - Programme für automatische Defibrillatoren im öffentlichen Raum tragen nur dann dazu bei, Leben zu retten, wenn es auch flächendeckende Erste-Hilfe-Schulungen gibt. Das zeigt eine französische Studie, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Rom präsentiert wurde, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie.

In der Studie wurde systematisch die Verfügbarkeit öffentlich zugänglicher automatischer Defibrillatoren pro 100.000 Einwohner und 1.000 Quadratkilometern sowie der Anteil von Personen in der Bevölkerung, die zumindest alle fünf Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren, erhoben. Es zeigte sich, dass die Verfügbarkeit von öffentlich zugänglichen Defibrillatoren im Land äußerst ungleich verteilt ist, und dass viele französische Departements nicht in umfassende Defi-Programme investieren, bei denen nicht nur Geräte zur Verfügung gestellt werden, sondern auch die Schulung in der Bevölkerung sichergestellt ist.

Die Überlebensrate bei einem plötzlichen Herzstillstand hat eine enorme regionale Schwankungsbreite, von 0 bis 43,8 Prozent. Es zeigte sich, unabhängig von der Defi-Dichte, nur dann ein positiver Effekt auf die Überlebensrate, wenn auch ausreichend viele Menschen geschult sind. "Nur viele öffentliche Defibrillatoren anzubringen, ohne für entsprechendes Erste-Hilfe-Trainings zu sorgen, hat also keinen ausreichenden Nutzen", so Studien-Koautorin Dr. Nicole Karam auf einer ESC-Pressekonferenz.

Quelle:
ESC 2016 Abstract Karam et al. "Major disparities in public access defibrillation programs implementation: a French nationwide study"

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Herzschwäche-Patienten werden nicht immer Leitlinien-gerecht behandelt

Rom/Würzburg, 31. August 2016 - Die Leitlinie zur optimalen medikamentösen Behandlung der Herzinsuffizienz ist in Deutschland noch nicht ausreichend umgesetzt. Das zeigen die deutschen Daten der EuroAspire IV Studie, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Rom präsentiert wurden.

"Es ist zwar bekannt, dass die Umsetzung internationaler Leitlinien zur Therapie der Herzinsuffizienz mit einer deutlichen Verbesserung der Prognose einhergeht, doch in der Praxis ist weiterhin ein erheblicher Teil der Patienten nicht optimal therapiert. Wir konnten zwei wichtige Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Leitlinien-Implementierung identifizieren", so Dr. Caroline Morbach vom Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz der Universität Würzburg. "Zum einen eine intensivere Aufklärung der Patienten über Diagnose und Bedeutung der Herzinsuffizienz, zum anderen eine flächendeckende Information unter anderem über die Bedeutung von Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten als zusätzliche entwässernde Medikamente für die Prognose, um die Verschreibungshäufigkeit zu erhöhen."

Herzinsuffizienz ist eine häufige Folge der koronaren Herzerkrankung (KHK). Die von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) initiierte Erhebung EuroAspire IV untersuchte die Umsetzung der Leitlinien zur Sekundärprävention der KHK in 24 europäischen Ländern. Für die deutsche Stichprobe wurden 2012 und 2013 insgesamt 536 Patienten untersucht, die in den vorangegangenen drei Jahren wegen eines kardiovaskulären Ereignisses stationär behandelt worden waren. Neben dem Vorliegen bzw. dem jeweiligen Stadium einer Herzinsuffizienz wurde auch die Konformität der Therapie mit der ESC-Leitlinie erhoben.

44 Prozent der Patienten aus der deutschen Stichprobe des EuroAspire IV Surveys wiesen eine Herzinsuffizienz im Stadium C, also eine symptomatische Herzschwäche, auf. Immerhin 87,4 Prozent der Patienten mit einer solchen Herzinsuffizienz erhielten eine leitliniengerechte medikamentöse Therapie, wobei dieser Anteil bei Patienten mit eingeschränkter linksventrikulärer Pumpfunktion (LVEF) von weniger als 40 Prozent mit 71 Prozent deutlich niedriger war als bei Patienten mit einer LVEF von mehr als 40 Prozent (91 Prozent). Verantwortlich dafür war vor allem die geringe Verordnungshäufigkeit von Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten (MRA), die zusätzlich zu herkömmlichen Diuretika zur Entwässerung beitragen.

Quelle:
ESC 2016 Abstract Morbach et al. Prevalence of heart failure and quality of heart failure care in patients with coronary artery disease: results from the German EuroAspire IV cohort.

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Tele-EKG hilft Vorhofflimmern früher zu erkennen

Rom/Hamburg, 31. August 2016 - Der gezielte Einsatz eines mobilen EKG-Rekorders (Tele-EKG) bei unklaren Herzbeschwerden ist ein innovativer und erfolgreicher Ansatz, um behandlungsbedürftige Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern früher zu diagnostizieren und damit auch früher eine angemessene Therapie einzuleiten. Das zeigt eine Studie aus Hamburg, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Rom präsentiert wurde.

Rund ein Prozent der Bevölkerung leidet an Vorhofflimmern, einer der häufigsten Herzrhythmusstörungen. "Anfallsartig auftretende Herzrhythmusstörungen gehören zu den häufigsten Ursachen für ambulante Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte", so Studienautorin PD Dr. Monica Patten, Universitäres Herzzentrum Hamburg. "Da solche Rhythmusstörungen mit herkömmlichen Untersuchungsmethoden wie Ruhe- oder Langzeit-EKG oft nur schwer nachzuweisen sind, wird die Erkrankung häufig gar nicht oder sehr spät erkannt. Außerdem werden die Beschwerden, die oft auch mit Angstgefühlen einhergehen, nicht immer ernst genommen." Das kann schwerwiegende Folgen haben: Vorhofflimmern erhöht das Risiko eines Schlaganfalls, etwa jeder fünfte Hirninfarkt geht auf diese Rhythmusstörung zurück. Der Einsatz von mobilen EKG-Eventrekordern ("Tele-EKG"), so Dr. Patten, könnte einen wichtigen Beitrag zu einer früheren Diagnose leisten. Während eines Anfalls können Patienten solche Geräte einfach auf den Brustkorb auflegen, diese zeichnen dann selbsttätig ein EKG auf.

Für die Hamburger Studie wurden zwischen 2009 und 2014 insgesamt 790 Patienten mit wiederkehrenden Rhythmusstörungen für zwei bis vier Wochen mit einem Tele-EKG ausgestattet. Insgesamt wurden 11.775 EKG-Aufzeichnungen übertragen und die Symptome der Patienten während der EKG-Aufzeichnung über eine 24 Stunden besetzte Hotline mit medizinisch geschultem Personal erfasst.

Bei 73 Prozent der Patienten konnte im Tele-EKG eine Herzrhythmusstörung nachgewiesen werden, bei 14 Prozent Vorhofflimmern. Bei Patienten mit dokumentiertem Vorhofflimmern handelte es sich bei 40 Prozent um eine Erstdiagnose, 56 Prozent hatten ein Rezidiv. 27 Prozent der Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern erhielten eine Ablationsbehandlung, 30 Prozent eine medikamentöse Therapie. Bei Patienten mit bereits bekanntem Vorhofflimmern wurde bei 65 Prozent eine Ablation oder Re-Ablation durchgeführt oder empfohlen, bei 16 Prozent wurde die medikamentöse Therapie modifiziert.

"Unsere Daten zeigen, dass der gezielte Einsatz eines Event-Recorder-Monitorings eine sinnvolle und nützliche Ergänzung in der Diagnostik unklarer Herzbeschwerden darstellt, da sich die Zeit bis zur Diagnosestellung verkürzt und eine zügige Therapieentscheidung möglich wird", so Dr. Patten. "Außerdem kann bei Patienten mit Beschwerden und Nachweis eines unauffälligen Tele-EKG so ohne großen Aufwand eine rhythmogene Ursache ausgeschlossen werden."

Quelle:
ESC 2016 Abstract Patten et al. Impact of trans-telephonic ECG monitoring on diagnosis and treatment of symptomatic paroxysmal cardiac arrhythmias.

Raute

Obstruktive Schlafapnoe: CPAP-Apparat verbessert Prognose bei Herz-Kreislauf-Patienten nicht

Rom/Adelaide, 31. August 2016 - Bei Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und einer obstruktiven Schlafapnoe brachte eine mehr als dreijährige nächtliche Behandlung mit einem CPAP-Apparat (Continuous Positive Airway Pressure) keinen Nutzen für das kardiovaskuläre Risiko. "Angesichts des hohen Risikos, das in früheren Studien der obstruktiven Schlafapnoe zugeschrieben wurde, hat es uns überrascht, dass eine CPAP-Behandlung keinen größeren Benefit zeigte", sagte der Schlafforscher Dr. Doug McEvoy (Adelaide, Australien), Erstautor der SAVE-Studie, auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Rom. Dieses Ergebnis sei zwar enttäuschend, "doch ist die CPAP-Therapie dennoch sinnvoll: Patienten sind weniger müde und depressiv, ihre Produktivität und Lebensqualität ist höher."

Bei der Schlafapnoe kommt es durch das Erschlaffen der Rachenmuskulatur im Schlaf zu einem Verschluss der oberen Luftwege und zu potenziell gefährlichen vorübergehenden Atemstillständen. Bei der CPAP-Therapie wird kontinuierlich Atemluft mit einem leichten Überdruck zugeführt, wodurch das Gewebe im Nasen- und Rachenraum stabilisiert und die Atemwege offen gehalten werden.

Für die Studie wurden mehr als 2.700 Patienten mit Schlafapnoe und Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus sieben Ländern rekrutiert, es handelte sich überwiegend um ältere, übergewichtige, gewohnheitsmäßig schnarchende Männer mit einer Erkrankung der Herzkranz- oder Gehirn-Gefäße. Eine Gruppe erhielt eine herkömmliche Behandlung bestehend aus einem Risikomanagement für kardiovaskuläre Erkrankungen auf der Grundlage der nationalen Guidelines, Empfehlungen für einen gesunden Schlaf und für Lebensstiländerungen zur Minimierung der Schlafapnoe.

Die Kontrollgruppe bekam zusätzlich eine CPAP-Behandlung. Die Studie zeigte, dass 42 Prozent der CPAP-Patienten eine gute Therapietreue (Compliance) aufwiesen, die Maschine wurde durchschnittlich vier Stunden oder mehr pro Nacht benutzt. Der durchschnittliche AHI, ein Maß für den Schweregrad der Schlafapnoe, reduzierte sich von 29 auf 3,7 Zwischenfälle pro Stunde, wenn Patienten das CPAP-Gerät verwendeten, was Hinweise auf eine gute Kontrolle der Schlafapnoe gab.

Trotzdem zeigte sich bei der abschließenden Analyse nach durchschnittlich 3,7 Jahren zwischen den beiden Gruppen kein Unterschied bezüglich des primären Endpunktes, einer Kombination von Tod jeglicher kardiovaskulärer Ursache, Herzinfarkt oder Schlaganfall, Krankenhauseinweisung wegen Herzschwäche, akutem Koronarsyndrom und Transitorischer Ischämischer Attacke. 17 Prozent der Patienten der CPAP-Gruppe und 15,4 Prozent in der nur herkömmlich behandelten Gruppe erlitten einen ernsten kardiovaskulären Zwischenfall.

Es sei für ihn unklar, warum bei Patienten mit einer CPAP das kardiovaskuläre Risiko nicht verbessert wird, sagt Studienleiter Dr. McEvoy. Er wünscht sich zu diesem Thema weitere Forschung, insbesondere bei Patienten mit hoher Therapietreue.

Prof. Dr. Eckart Fleck, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie: "Angesichts einer begrenzten Fallzahl und eingeschränkten Compliance sind endgültige Aussagen zur kardiovaskulären Wirksamkeit der CPAP-Therapie schwierig. Es ist angesichts der relativen Seltenheit der obstruktiven Schlafapnoe sicherlich nicht einfach, ausreichend Studienteilnehmer zu rekrutieren."

Quelle:
ESC 2016 Abstract McEvoy et al. The Sleep Apnea cardioVascular Endpoints study (SAVE)

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 9500 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter
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http://idw-online.de/de/institution737

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Prof. Dr. Eckart Fleck, 30.08.20146
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2016

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