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EPIDEMIE/103: Unsichtbare Angreifer (4) - Afrika dienen oder ausnutzen? (research*eu)


research*eu - Nr. 59, März 2009
Magazin des Europäischen Forschungsraums

Afrika dienen oder ausnutzen?

Von Julie Van Rossom


Als größtes Opfer tödlich verlaufender Krankheiten bietet Afrika zwar ein enormes Potenzial für klinische Versuche, profitiert aber nur selten selber davon. Europa will hier eine Wende einleiten.


Malaria, AIDS und Tuberkulose suchen die ärmsten aller Länder des Planeten heim. Mit fast sechs Millionen Todesfällen pro Jahr verwüsten sie Afrika südlich der Sahara, die am meisten betroffene Region. Die traurige Bilanz: 90% der Todesfälle sind durch Malaria verursacht und 90% der Kinder sind mit dem HI-Virus infiziert. Jedes Jahr werden eine Million neue Tuberkulosefälle gemeldet.

Um diesen unheilvollen Statistiken entgegenzutreten, wurde im Jahr 2003 die Partnerschaft zwischen Europa und den Entwicklungsländern über die Durchführung klinischer Versuche - (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership - EDCTP) gegründet. "In den Augen mancher Pharmakonzerne sind AIDS-, Tuberkulose- und Malariaforschung kaum attraktiv, weil die am meisten betroffenen Bevölkerungen sehr arm und im Hinblick auf mögliche Investitionen weniger interessant sind", erklärt Charles Mgone, tansanischer Kinderarzt, Spezialist für molekulare Genetik und geschäftsführender Direktor der EDCTP. Das Programm konzentriert sich vor allem auf den heikelsten Teil der pharmazeutischen Forschung, den klinischen Versuch, der 40% der Entwicklungskosten eines neuen Medikaments ausmacht. "Wir versuchen, die Verwendung der für diese Krankheiten verfügbaren öffentlichen Mittel zu optimieren, indem wir mehrere Forschung steams, die an ähnlichen Aufgaben arbeiten, in ein und denselben klinischen Versuch integrieren."


Abgestimmte Forschungen

Bei den Aufrufen zur Einreichung von Projektvorschlägen, die die EDCTP regelmäßig veröffentlicht, handelt es sich um echte Partnerschaften. "Einerseits stellt der Koordinierungsausschuss der Entwicklungsländer (DCCC) den Handlungsbedarf fest. Andererseits macht das europäische Netzwerk der nationalen Program me (ENNP) Forschungsprogramme ausfindig, die von den EU-Mitgliedstaaten finanziert werden und in einem klinischen Versuch zusammengefasst werden könnten. Wir stellen uns entschlossen gegen den Paternalismus, der manchmal die Zusammenarbeit zwischen dem Norden und dem Süden charakterisiert. Die Aufrufe sind das Ergebnis einer langen Abstimmung, und an allen Projekten sind Forschungsteams von beiden Kontinenten beteiligt."(1)

Mit diesem Ansatz sollen Medikamente an die Realität der Praxis angepasst werden. Es handelt sich um einen Versuch der EDCTP, mit dem es möglich wurde, Triomune auf den Markt zu bringen, ein retrovirales Medikament, das auch den großen Anteil HIV-positiver Kinder berücksichtigt, die in Afrika südlich der Sahara leben: Die Tabletten sind löslich und lassen sich leicht teilen.

Die Arbeit der EDCTP beschränkt sich aber nicht auf klinische Versuche. Mit diesem Programm sollen auch die örtlichen Kapazitäten gestärkt werden. Immer mehr Pharmakonzerne wenden sich nämlich für ihre klinischen Versuche diesen Regionen zu und können dadurch ihre Entwicklungskosten um 10% bis 50% senken. "Wir setzen die Budgets für die Einrichtung und die Ausbildung der lokalen Teams ein, die die Überwachung sicherstellen sollen. Falls erforderlich, stellen wir auch die Mitglieder der Ethikkommissionen zusammen, die für die Untersuchung der Protokolle und für die Genehmigung der Versuchsdurchführung zuständig sind." Ein wichtiger Punkt, denn in den Entwicklungsländern haben die Behörden, die Genehmigungen für klinische Versuche erteilen, den Ruf, nicht besonders streng zu sein - weshalb die Risiken einer Abweichung von den Vorgaben nicht zu unterschätzen sind.


Mehr Einzelheiten

Vom Molekul zum Medikament

Ein klinischer Versuch besteht aus vier Phasen:

Phase I. Betrifft eine kleine Gruppe gesunder Individuen (20-80 Personen). Ziel: Überprüfung der Unschädlichkeit des Moleküls und möglicher Nebenwirkungen.

Phase II. Betrifft eine etwas größere Gruppe (20-300 Personen). Ziel: Messung der Wirksamkeit des Moleküls und Bestimmung der Verabreichungsformen.

Phase III. Betrifft eine große Zahl von Patienten (300-3000+ Personen). Vergleichsstudie, bei der die Wirkung des neuen Moleküls mit einem Placebo oder einer Referenzbehandlung verglichen wird. Ist diese Phase beweiskräftig, kann ein Antrag auf Markteinführung gestellt werden.

Phase IV. Langzeitstudie zu den Nebenwirkungen, sobald das Medikament auf dem Markt ist.


Anmerkung

(1) Alle Zitate von Charles Mgone.



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Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Youth chats concerning life, Malerei von George Lilanga - 2000.


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Quelle:
research*eu - Nr. 59, März 2009, Seite 13
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2009