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FORSCHUNG/1285: Warum Vitamin E-Wirkung bisher oft reine Glückssache ist (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 02.10.2018

Warum Vitamin E-Wirkung bisher oft reine Glückssache ist

Pharmazeuten und Biochemiker der Universität Jena entschlüsseln mit internationalem Forscherteam die entzündungshemmende Wirkungsweise von Vitamin E und seiner Stoffwechselprodukte / Ergebnis zeigt Nutzen einer personalisierten Medizin auf / Patentierter Wirkstoffkandidat wird nun weiter erforscht


Es soll die Hautalterung bremsen, Gelenkverschließ bei Rheuma und Arthrose lindern und sogar vor Krebs und Herz-Kreislauferkrankungen schützen. Seit fast 100 Jahren erforschen Wissenschaftler die Wirkungen von Vitamin E, fachsprachlich Alpha-Tocopherol, und haben die chemischen Grundlagen weitgehend geklärt. "Vitamin E ist ein Antioxidans, es neutralisiert zellschädigende freie Radikale", erläutert PD Dr. Andreas Koeberle von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Doch obwohl dies in Zell- und Tiermodellen unter Laborbedingungen hinreichend belegt ist, überzeugt Vitamin E in klinischen Studien bisher nicht: "Hier finden wir sehr heterogene Ergebnisse", sagt Koeberle. "Nicht nur, dass die positiven Effekte oft nicht in der erwarteten Stärke auftreten, manchmal zeigt die Gabe von Vitamin E sogar nachteilige Effekte", so der Biochemiker vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Chemie.

Eine mögliche Ursache dafür haben Dr. Koeberle und seine Kollegen nun gefunden: Wie das Jenaer Forscherteam in einer breit angelegten interdisziplinären Studie gemeinsam mit Partnern aus Frankreich, Österreich, Italien und Deutschland belegt, beruht die Wirkung von Vitamin E, das als Tablette oder Kapsel eingenommen wird, gar nicht auf dem Vitamin selbst, sondern auf der eines Stoffwechselprodukts. Diese Substanz mit Namen Alpha-Carboxychromanol besitzt unter anderem eine vielversprechende entzündungshemmende Wirkung. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der Fachzeitschrift "NATURE Communications" veröffentlicht (DOI: 10.1038/s41467-018-06158-5).

Alpha-Carboxychromanol wird in der Leber gebildet. "In welchem Maße das passiert, ist von Patient zu Patient aber sehr verschieden", berichtet Prof. Dr. Oliver Werz, der die Studie gemeinsam mit Dr. Koeberle geleitet hat. Wie die Jenaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gezeigt haben, weist der Spiegel des Metaboliten im Blut von Versuchspersonen eine sehr große individuelle Spannweite auf. "Wenn der Effekt von Vitamin E davon abhängt, in welchem Maße der bioaktive Metabolit gebildet wird, dann erklärt das sehr gut, wieso die gleiche Menge Vitamin E bei einer Person eine bestimmte Wirkung zeigt und bei einer anderen Person womöglich eine wesentlich geringere", macht Werz deutlich. Dies belege, so der Jenaer Pharmazeut weiter, den großen Nutzen, den eine personalisierte Medizin zu bieten hat. "Wenn wir zuvor den Stoffwechsel eines Patienten charakterisieren, lässt sich ein Therapieerfolg - nicht nur für Vitamin E - wesentlich präziser erzielen."

Schlüsselenzym im Entzündungsprozess wird gehemmt

In der vorliegenden Studie haben die Forschenden das entzündungshemmende Potenzial von Alpha-Carboxychromanol detailliert untersucht. Der bioaktive Metabolit hemmt ein Schlüsselenzym von Entzündungsprozessen (5-Lipoxygenase, kurz 5-LO). Dies sei eine vielversprechende Erkenntnis, sagt Koeberle, denn die 5-LO spiele eine zentrale Rolle bei Entzündungserkrankungen wie Asthma oder Arthritis. "Bislang gibt es aber nur ein einziges zugelassenes Arzneimittel, das die 5-LO hemmt, das aber aufgrund starker Nebenwirkungen nur sehr eingeschränkt eingesetzt werden kann." Die Jenaer Forscher wollen ihre Erkenntnisse nutzen, um einen neuen Wirkstoffkandidaten für die Behandlung entzündlicher Erkrankungen zu entwickeln. Ein erster von Alpha-Carboxychromanol abgeleiteter Kandidat sei bereits patentiert, so Koeberle.


Originalpublikation:
Pein H et al.
Endogenous metabolites of vitamin E limit inflammation by targeting 5-lipoxygenase. Nature Communications (2018), volume 9, Article number: 3834,
DOI: 10.1038/s41467-018-06158-5

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena - 02.10.2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2018

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