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WIRKSTOFF/571: Trifft Wirkstoff gegen Schuppenflechte das falsche Ziel? (idw)


Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 30.11.2016

Trifft Wirkstoff gegen Schuppenflechte das falsche Ziel?


Der Antikörper Ustekinumab wird seit 2009 gegen Schuppenflechte eingesetzt. Er hemmt die ursächliche Entzündung, indem er bestimmte Botenstoffe des Immunsystems neutralisiert. Forscher des Helmholtz Zentrums München, der Technischen Universität München und der Universität Zürich haben nun in "Nature Communications" gezeigt, dass einer dieser Botenstoffe allerdings bei der Bekämpfung der Krankheit hilfreich sein könnte.

Die gemeine Schuppenflechte, auch Psoriasis vulgaris genannt, ist eine entzündliche Hautkrankheit, die durch stark schuppende, punktförmige bis handtellergroße Hautstellen gekennzeichnet ist. Die Krankheit betrifft Schätzungen zufolge zwischen zwei und drei Prozent aller Europäer.

Als Ursache gelten Fehlfunktionen des Immunsystems. In der Klinik wird daher versucht, die Entzündungsbotenstoffe "wegzufangen". So soll etwa der Antikörper Ustekinumab die beiden Interleukine (IL) 12 und 23 binden und dadurch deren vermeintliche entzündungsfördernde Wirkung hemmen. Der Wirkstoff kommt speziell bei Plaque-Psoriasis zum Einsatz, wenn die Patienten auf oberflächliche Therapien nicht ansprechen.

"Die Erkenntnisse der letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass IL-23 die dominant treibende Kraft der Schuppenflechte ist", erklärt Dr. Stefan Haak, einer der Studienleiter und Forschungsgruppenleiter am Zentrum Allergie & Umwelt, einer gemeinsamen Einrichtung des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München. "IL-12 allerdings wirkt sich unserer Studie nach positiv auf die von Psoriasis betroffene Haut aus."

In ihrer Studie hatten die Forscherinnen und Forscher zunächst am Versuchsmodell untersucht, welchen Einfluss die einzelnen Botenstoffe IL-12 und IL-23 auf die Zellen der Haut haben. Dabei stellten sie fest, dass IL-12 in den Hautzellen selbst ein schützendes Programm aktiviert und zudem das Einwandern bestimmter pathogener Immunzellen (IL-17 produzierende T-Zellen) unterbindet, was die Entzündungsreaktion hemmte.

Prof. Dr. Burkhard Becher von der Universität Zürich, der ebenfalls federführend an der Studie beteiligt ist, ordnet die Ergebnisse ein: "Unsere Experimente weisen darauf hin, dass IL-12, ganz anders als IL-23, einen durchaus positiven Effekt in der Psoriasis-belasteten Haut hat. Da der Wirkstoff Ustekinumab, der routinemäßig in der Therapie gegen Schuppenflechte angewendet wird, aber sowohl IL-23 als auch IL-12 neutralisiert, sollte eingehend untersucht werden, ob die IL-12 betreffende Wirkung nicht kontraproduktiv ist."

Die Wissenschaftler wollen künftig weiter erforschen, ob sich IL-12 auch auf andere Krankheitsbilder positiv auswirken könnte. Seine Rolle und Wirkungsweise sei bisher viel zu wenig untersucht worden, bemängeln sie. Studienleiter Haak: "Neue Daten aus klinischen Studien stützen unsere Hypothese und die spezifische Hemmung der IL-23/IL-17 Achse alleine wäre vermutlich eine zielgerichtetere Alternative."


Weitere Informationen

Original-Publikation:
Kulig, P. et al. (2016): IL-12 protects from psoriasiform skin inflammation. Nature Communications, doi: 10.1038/ncomms13466
http://rdcu.be/m3b3

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- Das Zentrum Allergie und Umwelt (Leitung: Prof. Dr. Carsten Schmidt-Weber) in München ist eine gemeinsame Einrichtung von Helmholtz Zentrum München und Technischer Universität München. Die in der deutschen Forschungslandschaft einzigartige Kooperation dient der fachübergreifenden Grundlagenforschung und Verknüpfung mit Klinik und klinischen Studien. Durch diesen translationalen Ansatz lassen sich Erkenntnisse über molekulare Entstehungsmechanismen von Allergien in Maßnahmen zu ihrer Vorbeugung und Therapie umsetzen. Die Entwicklung wirksamer, individuell zugeschnittener Therapien ermöglicht betroffenen Patienten eine bessere Versorgung.
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www.uzh.ch/de.html

Fachliche Ansprechpartner:

Dr. Stefan Haak
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Allergieforschung & Zentrum Allergie und Umwelt
Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: stefan.haak@helmholtz-muenchen.de

Prof. Burkhard Becher
Universität Zürich
Institut für Experimentelle Immunologie
Winterthurerstrasse 190, CH-8057 Zürich
E-Mail: becher@immunology.uzh.ch

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 30.11.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2016

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