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PSYCHOLOGIE/106: Die Krise als Chance verstehen - Was zeichnet starke Menschen aus? (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Dienstag, 10. Juni 2014

Die Krise als Chance verstehen: Was zeichnet starke Menschen aus?



fzm, Stuttgart, Juni 2014 - Kaum ein Mensch bleibt im Laufe seines Lebens von Schicksalsschlägen verschont. Doch während die einen an einem solchen tragischen Ereignis regelrecht zerbrechen, gehen andere Menschen völlig unbeschadet aus der Krise hervor. "Diese besondere psychische Widerstandskraft wird auch als Resilienz bezeichnet", erläutert die Osnabrücker Physiotherapeutin Ina Koetz. In der Fachzeitschrift "physiopraxis" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2014) beleuchtet sie, was Resilienz ausmacht, wie sie entsteht und wie Therapeuten sie bei ihren Patienten fördern können.

Seelsorger oder Therapeuten, die Menschen in Krisensituationen begleiten, wissen, was die scheinbar unverwundbaren Menschen mit starker Resilienz auszeichnet: Sie erkennen ihre Verantwortung und sind bereit, sie auch zu übernehmen. Darüber hinaus sind sie in der Lage, schnell Sozialkontakte aufzubauen, sich Hilfe zu organisieren und diese auch anzunehmen. Andererseits können sie sich auch gut abgrenzen und sehen sich auch in der Krise als Partner auf Augenhöhe. "Nicht zuletzt haben resiliente Menschen häufig ein ganzheitliches Menschenbild und betrachten sich selbst als Einheit von Körper, Seele und Geist", sagt Ina Koetz. Die geistige und seelische Ebene befähigten sie dazu, in der Krise auch Chance und Sinn zu sehen und sich nicht als Opfer zu fühlen.

Doch wie entsteht diese beneidenswerte Gemütsverfassung? Hier spielen neben einer möglichen genetischen Veranlagung auch solche Faktoren eine Rolle, die der Mensch selbst beeinflussen kann. So entwickeln Kinder beispielsweise eher eine ausgeprägte Resilienz, wenn sie über eine gute und stabile Beziehung zu einer Vertrauensperson verfügen. "Außerdem scheint es wichtig zu sein, dass Kindern etwas zugetraut wird und sie lernen, Verantwortung zu übernehmen", sagt Ina Koetz und verweist auf verschiedene Studien zum Thema. Kinder, die überbehütet seien und denen die Eltern viel abnähmen, zeigten dagegen eher Anzeichen einer Depression.

Von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung von Resilienz ist auch ein ausgeprägtes soziales Netz. Wer gute Kontakte zu Freunden, Bekannten und Verwandten hat, kann in Krisensituationen auf sie zählen und von ihnen die dringend benötigte Stabilität erhalten. Auch schwere traumatische Erlebnisse können so abgepuffert werden.

Während die Entstehung der Resilienz zum Teil auf Erfahrungen in der Kindheit zurückgeht, können auch Erwachsene noch an ihrer seelischen Stabilität arbeiten. Hierfür hat die Amerikanische Psychologenvereinigung APA eine "Road to Resilience" entwickelt, die Menschen mit wenig entwickelter Resilienz unterstützen kann. Die zehn Punkte umfassende Liste enthält Tipps wie "Soziale Kontakte schließen", "Ziele anstreben", "Positives Selbstbild aufbauen", "Optimistisch bleiben" und "Veränderungen als Teil des Lebens sehen". "Wer sich diesen Weg zur Resilienz anschaut, erkennt, dass einige Aspekte zum Alltag von Physiotherapeuten gehören", sagt Ina Koetz. Mit den Patienten werden Ziele vereinbart, es werden Perspektiven aufgezeigt, der Therapeut fordert dazu auf, optimistisch zu bleiben und Probleme nicht als unüberwindlich anzusehen.

Patienten mit wenig ausgeprägter Resilienz wirken oft schwermütig, geben gern Verantwortung ab und bevorzugen passive Therapien. Wenn der Therapeut den Fokus verstärkt auf ihre Kompetenzen und nicht auf ihre Defizite lenkt, kann er ihnen helfen, ein positiveres Selbstbild zu entwickeln und souveräner mit der schwierigen Lebensphase umzugehen.


I. Koetz:
Was Menschen stark macht
physiopraxis 2014; 12 (4); S. 48-50

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Quelle:
FZMedNews - Dienstag, 10. Juni 2014
Georg Thieme Verlag KG
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2014