Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - 04.12.2012
Langzeitstudie SHIP, Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten
Mehr Sport, weniger Alkohol, Nikotinsucht rückläufig, aber die Dicken ungebremst auf dem Vormarsch
Der harte Kurs der Politik und eine Vielzahl an restriktiven Maßnahmen haben sich ausgezahlt. Die Zahl der Raucher geht deutlich zurück. Auch der Alkoholkonsum ist rückläufig, ältere Menschen treiben mehr Sport und Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen werden besser medizinisch behandelt. Das sind die guten Nachrichten der aktuellen Untersuchungswelle der Langzeitgesundheitsstudie SHIP (Study of Health in Pomerania), eine der größten Gesundheitsstudien zur Erforschung von Volkskrankheiten.
"Das Problem der stark Übergewichtigen mit all den Folgeproblemen rollt mit immer größerer Wucht auf die Gesellschaft zu", fasste der Projektleiter, der Greifswalder Wissenschaftler Prof. Henry Völzke (Foto) die wesentlichen Ergebnisse der Reihenuntersuchung in Vorpommern heute in Schwerin zusammen.
"Die Erkenntnisse stellen ein wichtige Ausgangsbasis für die Landespolitik da, sowohl, was bisherige Entscheidungen als auch künftige Ausrichtungen anbelangt", betonte Sozialministerin Manuela Schwesig. "Schon jetzt kristallisiert sich das Übergewicht zum zentralen Problemfall für die Gesellschaft heraus, dem wir stärker entgegenwirken müssen."
In Vorpommern lebt die weltweit am besten untersuchte Bevölkerung. Die seit 15 Jahren laufenden Analysen wurde von der Universität Greifswald zu der Bevölkerungsstudie mit dem umfangreichsten Untersuchungsprogramm entwickelt. Die erste Datenerhebung (SHIP-0) von 1997 bis 2001 an 4.308 Erwachsenen zeigte eine vergleichsweise große Risikofaktorenlast in der vorpommerschen Bevölkerung. Die nordostdeutsche Bevölkerung wies häufiger als andere Übergewicht, Diabetes mellitus und Bluthochdruck auf. Jüngere Erwachsene rauchten häufiger als anderswo. Die zweite Untersuchungswelle (SHIP-1) fand im Zeitraum von 2002 bis 2006 mit 3.300 Teilnehmern statt, die dritte Phase (SHIP-2) mit 2.333 bereits untersuchten Probanden (Folgeuntersuchungen).
Davon unabhängig wurde zwischen 2008 und 2012 eine neue Gruppe von 4.420 Männern und Frauen untersucht (SHIP-Trend-0). Der Altersbereich lag wiederum zwischen 20 bis 79 Jahren. Ein zentrales Ziel dieser Studie ist es, den Verlauf der bekannten Risikofaktoren zu überprüfen.
"Im Jahre 2013 wird die nächste SHIP-Runde eingeläutet", informierte der Leiter des Institutes für Community Medizin an der Universität Greifswald, der Epidemiologe Prof. Wolfgang Hoffmann (Foto). "Nachdem die Untersuchungen der letzten 15 Jahre überwiegend durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wurden, wird SHIP-3 durch Forschungsmittel der Universitätsmedizin Greifswald und des Landes Mecklenburg-Vorpommern finanziert."
Ebenfalls ab 2013 werden im Rahmen des Konzeptes SHIP INTERNATIONAL Partnerstudien in unterschiedlichen Regionen der Welt etabliert. Das erste Partnerprojekt der SHIP wird in der Region Blumenau/Pomerode in Brasilien starten.
Zentrale Ergebnisse der Untersuchungsgruppe (SHIP-0)
Bezugsbasis: 2002
Die von 2008 bis 2012 laufende Untersuchungswelle wurde in einer weltweit einzigartigen Bandbreite durchgeführt. Dazu gehörten vielfältige Analysen auf genetische Grundlagen häufiger Erkrankungen und Stoffwechselstörungen, erstmalig eine Ganzkörperuntersuchung durch einen Magnetresonanztomographen (MRT) sowie die Erfassung von Körperdaten im modernen Bodyscanner.
Auf jeden Fall ein Weltrekord: Haben SHIP-Trend-Probanden alle Studienangebote angenommen, so sind sie insgesamt 25 Stunden lang untersucht worden. Der Greifswalder Datenschatz erreicht inzwischen eine Speicherkapazität von 25 Terabyte (das sind 25.000.000.000.000 Byte oder mehr als 40.000 CD-ROM).
Das SHIP-Team, bestehend aus mehr als 50 Mitarbeitern, arbeitet mit zahlreichen Kooperationspartnern zusammen. In rund 400 wissenschaftlichen Publikationen sind die Ergebnisse der Untersuchungen veröffentlicht worden.
Etwa 50 Forschungseinrichtungen weltweit nutzen in Kooperation mit der Greifswalder Universität die anonymisierten Datensätze für ihre Arbeit und auf der Suche nach Therapien häufiger oder bisher unheilbaren Krankheiten.
Der bevölkerungsbasierte Ansatz erlaubt nicht nur die Schätzung der Häufigkeiten von Risikofaktoren und Erkrankungen in der Bevölkerung, sondern auch die Erstellung von Referenzwerten (Normalwerte - Was ist normal in der Bevölkerung?). Besondere Bedeutung werden dabei die MRT-Befunde erlangen, für die es in vielen Bereichen keine belastbaren Referenzwerte gibt.
Das umfangreiche Untersuchungsprogramm fördert das Zusammenrücken verschiedener Fachdisziplinen. Beispiele: Zahnerkrankungen fördern das Entstehen systemischer Erkrankungen (z. B. Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes). Eine gute zahnärztliche Versorgung kann dem erfolgreich entgegenwirken.
Anderes Beispiel: Die Verfettung der Leber (Fettleber) steht in engem Zusammenhang mit hormonellen Veränderungen, Diabetes und Gefäßverkalkungen. In enger internationaler Zusammenarbeit mit anderen führenden Studien wurden genetische Veränderungen r x identifiziert, die bei der Entstehung häufiger Erkrankungen eine Rolle spielen. Herausragende Beispiele dafür sind genetische Faktoren für Gicht, Fettleber und Schilddrüsenveränderungen. Diese Ergebnisse ermöglichen neue Forschungsansätze zur Entstehung dieser Erkrankungen und stellen die Basis für eine künftige individualisierte Medizin dar.
Weitere Infos zu SHIP unter
http://ship.community-medicine.de
Universitätsmedizin Greifswald
Institut für Community Medicine
Study of Health in Pomerania (SHIP)
Projektleiter: Prof. Dr. med. Henry Völzke
Walter-Rathenau-Straße 48, 17475 Greifswald
E voelzke@uni-greifswald.de
www.medizin.uni-greifswald.de
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Die Ganzkörperuntersuchung im MRT ab 2008 hat die Gesundheitsstudie qualitativ auf ein neues Niveau gehoben.
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Bundesgesundheitsblatt SHIP
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Constanze Steinke, 04.12.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2012