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STUDIE/247: ADHS-Erkrankung ist eine Belastung für die ganze Familie (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2009

Europäische Elternbefragung

ADHS-Erkrankung ist eine Belastung für die ganze Familie


Eine Erhebung unter Familien mit ADHS-Kindern zeigt, dass
Aufklärung zum Thema eine zentrale Rolle spielt.


Eine Aufmerksamkeitsdefizit-1 Hyperaktivitätsstörung (ADHS) des Kindes hat Auswirkungen auf das persönliche Leben der Eltern, die Beziehung der Partner untereinander sowie auf das gesamte familiäre Umfeld. Dies ist eine der Kernbotschaften aus der von Shire pic unterstützten Erhebung, in deren Rahmen mehr als 500 Eltern und Erziehungsberechtigte von ADHS-Kindern in vier europäischen Ländern befragt wurden. Die Ergebnisse wurden auf dem 2. Internationalen ADHS-Kongress in Wien im Rahmen eines Journalistenworkshops vorgestellt. Besonders viele Abstriche müssen die Erziehungsberechtigten offenbar im Hinblick auf ihre eigenen Bedürfnisse machen - rund die Hälfte haben wegen der Erkrankung weniger Zeit für sich selbst und verbringen deshalb auch weniger Zeit mit ihrem Partner.

Im Fokus der Erhebung steht die Wahrnehmung der Erkrankung Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und deren Auswirkungen aus der Perspektive der Eltern und Erziehungsberechtigten betroffener Kinder. Die Befragung von mehr als 500 Personen dieser Zielgruppen in Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien wurde in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen in den jeweiligen Ländern durchgeführt. Dabei stammten 117 der Teilnehmer aus Deutschland. Die Befragungsergebnisse für Deutschland zeigen, dass sich die durch ADHS bedingten Probleme nicht allein auf die schulische Umgebung konzentrieren, sondern sich die Erkrankung eines Kindes auch stark auf das familiäre Beziehungsgefüge und das persönliche Leben der Eltern auswirkt: Die Erkrankung macht es "die meiste Zeit schwieriger", Zeit für sich selbst (54 Prozent der Befragten), für den Partner (46 Prozent) und für den Rest der Familie bzw. die übrigen Kinder (38 Prozent) zu haben.

Die Erziehung und Betreuung von Kindern mit ADHS nimmt also erhebliche zeitliche Ressourcen in Anspruch und führt dadurch zu Defiziten in anderen Lebensbereichen. Dieser Umstand legt einen starken psycho-sozialen Druck und ein erhöhtes Konfliktpotenzial in den betroffenen Familien nahe. Aus wissenschaftlichen Studien ist auch bekannt, dass sich die Eltern von Kindern mit ADHS häufiger scheiden lassen als Eltern von nicht betroffenen Kinder. Ein von elterlichen Auseinandersetzungen geprägtes familiäres Umfeld stellt wiederum eine zusätzliche Belastung für die an ADHS erkrankten Kinder dar - dies ist ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt.

Im Sinne einer Deeskalation von ADHS-bedingten Konflikten kommt dem Thema Aufklärung der betroffenen Familien eine zentrale Rolle zu. Neben weitreichenden Informationen zur Erkrankung und ihren Ursachen sind auch z. B. Hilfestellungen zum besseren Umgang mit der Erkrankung im Alltag nützlich. Einen wichtigen Beitrag können hier durch den Arzt abgegebene Servicematerialien leisten, die Informationen und Tipps zur Alltagsbewältigung geben sowie Kontaktmöglichkeiten zu Selbsthilfegruppen und Initiativen auflisten.

Wie die Ergebnisse der Elternbefragung zeigen, wird Unterstützung in dieser Form bislang noch nicht ausreichend genutzt: Knapp ein Drittel der Eltern in Deutschland gab an, vom Arzt in dem Beratungsgespräch nach Diagnosestellung gar keine Unterlagen ausgehändigt bekommen zu haben. Nur knapp die Hälfte erhielt schriftliche Informationen speziell für Familien, lediglich 30 Prozent bekam Hinweise auf Selbsthilfegruppen oder Materialien, die sich direkt an das erkrankte Kind richteten. Insgesamt schlecht fiel die Bewertung des eigenen Wissensstandes zur Erkrankung durch die Eltern unmittelbar nach erfolgter ADHS-Diagnose aus: Nur die Hälfte der befragten Eltern fühlte sich nach der Diagnosestellung gut oder sehr gut über die Erkrankung informiert. Dies könnte ebenfalls abgestellt werden etwa durch die Aushändigung von schriftlichem Informationsmaterial.   (PM)


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200911/h091104a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt November 2009
62. Jahrgang, Seite 52
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2009