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ENTWICKLUNG/730: Blutprobe im Nanotest (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 3/2010

Blutprobe im Nanotest

Von Christian Meier


Handlich, schnell und sehr empfindlich - so stellt Kannan Balasubramanian sich ein Messgerät für Blutanalysen vor. Am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart entwickelt sein Team Nanosensoren, mit denen ein solches Gerät ein Blutbild erstellen oder Krankheitserreger nachweisen kann.


Oft ist es nur lästig, manchmal aber auch gefährlich. Wer heute einen Bluttest macht, wird meistens mit den Worten verabschiedet: "Die Ergebnisse erhalten Sie dann in ein paar Tagen." Das will Kannan Balasubramanian ändern, denn der Physiker am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart verfolgt ein visionäres Ziel: ein Diagnose-Labor, das auf einen fingernagelgroßen Chip passt. Mit nur einem Tröpfchen Blut könnte das winzige Labor in Minutenschnelle das Blutbild eines Patienten bestimmen, Krankheitsrisiken einschätzen oder bedrohliche Virusinfekte nachweisen.

Ärzte könnten den Test in der Praxis vornehmen, oder die Patienten machen ihn gar im heimischen Wohnzimmer - einfach, indem sie an der Fingerspitze einen Bluttropfen entnehmen. Aus diesem Tropfen hätte ein handygroßes Messgerät kurz darauf alle relevanten Messwerte ermittelt.

"Schon in fünf bis zehn Jahren wollen wir anwendungsreife Chips entwickelt haben, mit denen man solche portablen Diagnoselabors verwirklichen kann", sagt Kannan Balasubramanian, der die Juniorforschungsgruppe "Nanoskalige Diagnostik" leitet, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Einige der wesentlichen Hürden auf dem Weg haben die Wissenschaftler in den vergangenen drei Jahren schon überwunden. Andere müssen sie erst noch nehmen.


Virusnachweise dauern noch zu lange

Vor allem das Tempo der Untersuchung mit dem tragbaren Labor brächte einen großen Fortschritt in der Medizin. Nur ein Beispiel: "Im Krankenhaus dauert der Nachweis einer Virusinfektion oft tagelang", sagt der aus Indien stammende Max-Planck-Forscher. Denn das Erbgut der Krankheitserreger, sprich ihre DNA oder RNA, liegt nur in sehr geringer Konzentration im Blut der Patienten vor. Mit herkömmlichen Analyse-Methoden lässt es sich nicht nachweisen. Deshalb muss das in einer Blutprobe mutmaßlich enthaltene Viruserbgut mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion, kurz PCR, bis über die Nachweisgrenze hinaus vermehrt werden. Der ganze Test, von der Probe bis zum Ergebnis, dauert daher Tage.

"Ärzte wünschen sich, dass das deutlich schneller geht, damit sie die Infektion möglichst schnell behandeln können", so Balasubramanian. Sein Team entwickelt daher Sensoren, die ohne PCR auskommen und Virus-RNA in kleinsten Konzentrationen nachweisen können. Mit einem hochempfindlichen Diagnosechip könne man näher zu den Menschen gehen, da die Analyse viel einfacher wäre. "Wenn eine Epidemie herrscht, wären schnelle Reihenuntersuchungen möglich", sagt der 32-Jährige. Zudem müsse ein Patient für ein Blutbild nicht zehn Milliliter Blut oder mehr abgeben.


Nanoröhrchen für empfindliche Sensoren

Um sein Ziel zu erreichen, braucht Balasubramanian Sensoren, die auf einzelne oder einige wenige Moleküle eines bestimmten Stoffes ansprechen, etwa auf ein Molekül der Virus-Erbsubstanz oder auf ein Protein, das auf das Risiko für einen Herzinfarkt hinweist. Das fünfköpfige Team des Forschers setzt dabei auf ein Material, das heute zur Verstärkung ultraleichter Tennisschläger oder Fahrradrahmen eingesetzt wird: Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT).

Die Röhrchen haben eine faszinierende Eigenschaft, die sie für hochempfindliche Sensoren prädestiniert: Sie sind ganz und gar Oberfläche. Ihre Wand könnte dünner nicht sein, denn sie besteht aus einer einzigen Schicht von Kohlenstoffatomen. Das ganze Röhrchen bietet sich seiner Umwelt als Angriffsfläche dar, kein Einziges seiner Atome sitzt geschützt in seinem Innern. Und wenn sich fremde Moleküle mit der Oberfläche eines Kohlenstoff-Nanoröhrchens verbinden, beeinflusst das seine Eigenschaften als Ganzes.

Insbesondere sein elektrischer Widerstand ändert sich stark, wenn sich Moleküle an seiner Oberfläche festsetzen. Das ergibt sich aus der Struktur eines Nanoröhrchens: Seine Kohlenstoffatome bilden ein regelmäßiges Gitter, das an Honigwaben erinnert. Die Regelmäßigkeit bewirkt, dass jedes Kohlenstoffatom ein Elektron zu einer Elektronenwolke beisteuert, die sich über das gesamte CNT erstreckt und durch die sich die Elektronen ungehindert bewegen können. Das Röhrchen leitet Strom daher sehr gut.

Bindet nun ein fremdes Molekül an ein Kohlenstoffatom des Nanoröhrchens, unterbricht es das Honigwaben-Muster an dieser Stelle. Das Anhängsel stört so die freie Fahrt der Elektronen über die Oberfläche des Kohlenstoffröhrchens. Bildlich gesprochen erhält die Elektronenrennbahn eine Schikane - der elektrische Widerstand des Röhrchens steigt. Je mehr Fremdmoleküle sich an das Röhrchen heften, desto stärker wächst der Widerstand.

Die Änderung des Widerstands und damit die Konzentration an Fremdmolekülen lässt sich messen, wenn das Nanoröhrchen zwei Elektroden überbrückt. Das ist die Grundidee hinter den Sensoren aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen, die Balasubramanians Team entwickelt.

Um allerdings einem CNT-Sensoren brauchbare Information zu entlocken, muss das Nanoröhrchen wählerisch sein. Schließlich soll es nicht auf irgendwelche Moleküle im Blut reagieren, sondern nur auf spezielle - etwa eine Virus-RNA oder das Blutzucker-Molekül Glucose. Fachleute nennen diese Eigenschaft Selektivität. Einem Kohlenstoff-Nanoröhrchen diese Eigenschaft beizubringen, scheint auf den ersten Blick unmöglich, bietet doch ein CNT seine Oberfläche allen Molekülen einer Blutprobe dar.


Rezeptoren spezialisieren die Nanoröhrchen

Doch die Natur hilft den Forschern, die Röhrchen mit einer selektiven Wahrnehmung auszustatten. Viele Biomoleküle besitzen eine Art Kompagnon, ein zweites Molekül, in das sie hineinpassen wie der Schlüssel in ein Schloss. Das Erbgutmolekül DNA etwa besteht aus zwei Einzelsträngen, die zusammen eine Doppelhelix bilden. Einer der Einzelstränge passt wie ein Puzzlestein zum gegenüberliegenden Strang - und zu keinem anderen. Ein anderes Beispiel: Auf der Oberfläche von Fremdkörpern im Blutstrom befinden sich Proteine, sogenannte Antigene, die der Organismus mithilfe von Antikörpern bekämpft. Ein Antikörper ist ein Protein, das sich wie eine Gussform über das Antigen stülpen lässt. Generell nennen Forscher ein Molekül, das selektiv ein gesuchtes Molekül an sich bindet, Rezeptor.

"Wir machen die CNTs selektiv, indem wir einen Rezeptor, etwa für Blutzucker, an sie heften", erklärt Balasubramanian. Die Rezeptoren erhöhen an sich schon den Widerstand des Nanoröhrchens. Den erhöhten Widerstand erklären die Forscher zur neuen Nulllinie. Bindet nun der gesuchte Stoff, der Analyt, an den Rezeptor, verändert sich die Verteilung der Elektronen auf dem Kohlenstoffröhrchen noch stärker als durch den Rezeptor allein, und die Leitfähigkeit sinkt weiter.

Auf diese Weise können die Forscher Sensoren für bestimmte Stoffe herstellen. Doch Balasubramanian möchte einen Chip bauen, der in einem Blutstropfen nach mehreren Analyten gleichzeitig sucht, um etwa ein komplettes Blutbild in einem Test zu erstellen. Dafür braucht der Chip mehrere mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen verbundene Elektrodenpaare, zwischen denen der Stromfluss separat gemessen werden kann. Die Röhrchen zwischen den Elektroden müssten jeweils unterschiedliche Rezeptoren tragen.

Doch wie lassen sich die Nanoröhrchen mit verschiedenen Anhängseln versehen, und zwar so, dass man anschließend auch weiß, wo welcher Rezeptor sitzt? Den Chip in eine Lösung zu tauchen, die alle Rezeptoren auf einmal enthält, wäre sinnlos. Denn die Rezeptoren würden wahllos mit den Kohlenstoffröhrchen reagieren, und keiner wüsste nachher, wo welcher sitzt. Folglich ließe sich auch nicht erkennen, welcher Analyt eine gemessene Widerstandsänderung bewirkt. Doch Balasubramanian und sein Team fanden einen erstaunlich einfachen Weg, die Rezeptoren gezielt zu platzieren.

Die Forscher tauchen einen Chip mit vielen Elektrodenpaaren, die sie bereits mit Nanoröhrchen verbrückt haben, in die Lösung eines Rezeptors. Nun berühren sie eine der Elektroden mit der Spitze einer elektrisch geladenen Metallnadel, sodass Elektronen von der Nadel in das Röhrchen und von dort in den Rezeptor fließen. Der elektronische Reiz macht den Rezeptor besonders reaktionsfreudig, und er verbindet sich sehr leicht mit dem Röhrchen, das ihm den Ladungsschub gegeben hat. Nun tauschen die Forscher die Rezeptorlösung und spezialisieren auf die gleiche elektrochemische Weise den nächsten Sensor.


Messgeräte für den pH-Wert und den Blutzuckerspiegel

Damit haben die Stuttgarter Physiker aber noch nicht alle Probleme gelöst. Denn die Natur der Kohlenstoff-Nanoröhrchen stellt ihnen eine weitere Hürde in den Weg: Nanoröhrchen ist nicht gleich Nanoröhrchen! Je nachdem, welchen Winkel die Waben des Kohlenstoffgitters mit der Röhrenachse bilden, leiten die Röhrchen Strom wie ein Metall oder wie ein Halbleiter. Bei ihrer Herstellung entsteht gewöhnlich ein Gemisch aus metallischen und halbleitenden Röhrchen.

Prinzipiell kann man zwar beide Sorten verwenden, um Sensoren zu bauen. Doch die metallischen Röhrchen brauchen eine Sonderbehandlung: Sie reagieren nur auf einen Analyt, wenn sie feste chemische Bindungen, sogenannte kovalente Bindungen, mit ihren Rezeptoren eingehen. Die Forscher um Balasubramanian suchten also nach einer Methode, die das sicherstellt.

Eine solche fanden sie ebenfalls in der Elektrochemie. Mit ihr lässt sich nämlich kontrollieren, ob bei der Reaktion zwischen CNT und Rezeptor Elektronen zugeführt oder entzogen werden, ob es sich also um eine Reduktion oder eine Oxidation handelt. "Wenn wir den Rezeptor mit einem Diazoniumsalz versehen und die Reaktion als Reduktion ablaufen lassen, dann entsteht zwischen dem Rezeptor und dem metallischen CNT eine kovalente Bindung", erläutert Balasubramanian.

Mit den elektrochemischen Methoden haben die Wissenschaftler bereits einen Nanosensor gebaut, der den pH-Wert einer Lösung misst, und einen anderen, der die Blutzuckerkonzentration bestimmt. Letzterer dient allerdings in erster Linie Demonstrationszwecken. Denn auf dem Markt gibt es bereits handliche Streifen, die den Blutzuckerspiegel messen.

"Allerdings sucht man noch nach Sensoren, die den Blutzuckerspiegel über längere Zeit hinweg überwachen", sagt Balasubramanian. Diese könnten dann in Geräte eingebaut werden, die bei Bedarf selbstständig Insulin spritzen. "Da gibt es bislang nur Testsysteme, die weniger als eine Woche lang funktionieren", sagt Balasubramanian. Denn die Sensoren basierten auf Enzymen, die nicht langzeitstabil seien. Nanosensoren aus CNTs hingegen halten deutlich länger. Sie eignen sich daher möglicherweise für die ständige Insulin-Überwachung.

Um Geräte für den Bluttest in Serie zu produzieren, reicht es aber nicht, Demonstrationsexemplare im Labor bauen zu können. "Wir wollten unser Verfahren daher noch so weiterentwickeln, dass es für die industrielle Herstellung von Nanosensoren taugt", sagt Kannan Balasubramanian. Der erste Schritt macht da noch keine Probleme. Platinelektroden auf eine Siliciumscheibe, einen sogenannten Wafer, zu setzen, ist mit Standardmethoden der Chip-Produktion möglich.

Doch dann beginnt das technische Neuland: Zwischen jedes Elektrodenpaar muss nun mindestens ein CNT gelangen, damit keine toten Sensoren entstehen. Denn die Industrie erwartet ein Verfahren, das möglichst keinen Ausschuss produziert. "100 Prozent Durchsatz ist ein K.-o.-Kriterium für die Industrie", sagt Balasubramanian.

Das Aufbringen der CNTs ähnelt einer Jagd mit der Schrotflinte: Wie ein Jäger eine Garbe von Projektilen auf die Beute schießt und hofft, dass eines schon treffen wird, versuchen die Forscher Nanoröhrchen zwischen den Elektroden zu platzieren. Der Schrotladung entspricht die Mischung - eine Dispersion - von Kohlenstoff-Nanoröhrchen und Wasser. Als Gewehr greifen die Forscher zu einer Methode namens Dielektrophorese. Ein ungleichmäßiges elektrisches Feld, das in der Lösung erzeugt wird, treibt die Nanoröhrchen zu den Elektroden. Durch Zufall treffen einige so zwischen die Elektroden, dass sie genau in die Lücke passen.

Da sich die Nanoröhrchen in der Dispersion nicht gleichmäßig verteilen, sondern gerne verklumpen, gelangt nicht zu jedem Elektrodenpaar ein Röhrchen. "Bis vor Kurzem konnte man mit der Dielektrophorese nur rund 30 bis 60 Prozent Durchsatz erreichen", sagt Balasubramanian. Mindestens ein Drittel der Sensoren war also tot. "Wir haben dann aber einen Weg gefunden, eine Dispersion ohne verklumpte Nanoröhrchen zu produzieren", erklärt der Forscher. Dann verteilen sich die Röhrchen so gleichmäßig, dass garantiert mindestens eins zwischen jedem Elektrodenpaar landet.


Jeder Sensor muss einzeln kalibriert werden

Auf diese Weise lassen sich routinemäßig 100 Prozent Durchsatz erreichen. Momentan können auf einem Wafer mit zehn Zentimeter Durchmesser zuverlässig bis zu 40 Sensoren ohne Ausschuss hergestellt werden. Damit haben die Nanosensoren einen wichtigen Schritt in Richtung Serienproduktion getan.

Allerdings gibt es ein weiteres Problem, mit dem die Nanotechnologie grundsätzlich zu kämpfen hat und für das auch die Stuttgarter Forscher noch keine perfekte Lösung gefunden haben. Jeder Sensor ist ein Einzelstück: Die Nanoröhrchen werden nicht auf vollkommen kontrollierte Weise, wie es vielleicht der Arm eines Nanoroboters könnte, positioniert. Vielmehr bleibt es mehr oder weniger dem Zufall überlassen, wie und in welcher Anzahl sie sich zwischen die Elektroden klemmen. Daher entsteht ein heilloses Mischmasch: Sensoren mit unterschiedlich vielen CNTs, solche mit mehr oder weniger großem Anteil an metallischen CNTs oder andere mit einem Wirrwarr an übereinander liegenden oder sich verzweigenden CNTs.

"Deshalb muss jeder Sensor einzeln kalibriert werden", sagt Balasubramanian. Dies sei aber weniger aufwendig, als es klingt. "Ich schätze, man kann ein Diagnosegerät mit CNT-Sensoren für den doppelten oder dreifachen Preis herstellen wie heutige Systeme, die mit Lasern arbeiten", sagt der Forscher. Dafür wäre ein solches Gerät klein, würde sehr sensitiv und schnell arbeiten und käme mit wenig Blut aus. Zudem ließe es sich einfach bedienen, da der Analyse eine einfache elektrische Messung zugrunde liegt.

Diese Vorteile könnten Geräte mit Nanosensoren nicht nur in der medizinischen Praxis, sondern auch in der Grundlagenforschung ausspielen. Etwa, um die Aktivität von Enzymen zu testen. Denn mit herkömmlichen Methoden untersucht man den Effekt von sehr vielen Enzymen in einer Lösung. Mithilfe der Nanosensoren lässt sich nun erforschen, wie aktiv einzelne Enzyme sind. Die Leitfähigkeit eine Kohlenstoff-Nanoröhrchens, an dem ein Enzym befestigt wird, ändert sich nämlich, wenn sich ein Molekül an das Enzym anlagert. "Somit lässt sich in Echtzeit beobachten, wann Moleküle an das Enzym binden", erläutert Balasubramanian: "So kann man die Aktivität eines einzelnen Enzyms bestimmen."


Wie entsteht das Signal im Detail?

Bevor die Nanosensoren in der Praxis eingesetzt werden können, warten allerdings noch wichtige Aufgaben auf das Stuttgarter Team. Zwar hat es bewiesen, dass die Nanosensoren funktionieren und in industrienahen Prozessen hergestellt werden können. Aber die Forscher haben die physikalischen Prozesse, die sich bei der Signalentstehung auf den Nanoröhrchen abspielen, noch nicht im Detail verstanden. "Wir brauchen ein theoretisches Modell für die Abhängigkeit des Sensorsignals von der Analyt-Konzentration", sagt Balasubramanian. Nur dann lasse sich nachweisen, dass man tatsächlich misst, was man vorgibt zu messen.

Damit es die Diagnosegeräte zur Marktreife bringen, müssen die Wissenschaftler nicht zuletzt über ihren Tellerrand blicken. "Es reicht nicht, einen Nanosensor zu bauen", sagt Balasubramanian. "Wir müssen uns schon heute fragen, in welchem Gerät unser Sensor morgen arbeiten wird." Und die Technik müsse flexibel sein und es erlauben, später Schnittstellen hinzuzufügen.

Eine Vision zu verwirklichen bringt also viel Detailarbeit mit sich. Auch als Kannan Balasubramanian in den 1990er-Jahren am Birla Institute of Technology and Science im nordindischen Pilani Informatik studierte, hatte er schon einen Traum. Er wollte am Bau eines Nanocomputers mitwirken. Ihn faszinierte die Vision einer Rechenmaschine, die aus Schaltern in Molekülgröße besteht - ein Rechner, der nur unter dem Mikroskop sichtbar und dennoch so leistungsfähig wie ein Personal Computer wäre.

Daher ging er nach Deutschland und wurde Physiker am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung. Dort hat er seinen ursprünglichen Traum so angepasst, dass er sich innerhalb eines Jahrzehnts verwirklichen lässt. Aber wer weiß: Vielleicht wird es in Jahrzehnten Nanocomputer geben. Vielleicht werden sie Nanosensoren enthalten, um mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Und vielleicht werden einige dieser Nanosensoren die Handschrift der Stuttgarter Max-Planck-Forscher tragen.


GLOSSAR

Überlagerung
Teilchen nehmen nicht einen Zustand ein, sondern alle möglichen Zustände zur selben Zeit - so lange, bis eine Messung die Überlagerung zerstört.

Verschränkung
Zwei oder mehr Teilchen bilden ein Gesamtsystem, Messungen an einem Teilchen wirken sich instantan auf die verschränkten Partner aus - egal wie weit die Partikel voneinander entfernt sind.

Supraleitung
Unterhalb der sogenannten Sprungtemperatur, die meistens unter minus 260 Grad Celsius liegt, leiten viele Metalle Strom ohne Widerstand. Diese konventionelle Form der Supraleitung verstehen Physiker sehr gut, die unkonventionelle Form der Supraleitung dagegen noch nicht. Sie tritt unter anderem in Kupferoxid-Keramiken auf, von denen der Rekordhalter immerhin schon bei minus 110 Grad Celsius seinen elektrischen Widerstand verliert.

Superfluidität
Das Phänomen wurde zuerst bei zwei Isotopen des Heliums beobachtet. Aufgrund quantenmechanischer Effekte fließt eine Flüssigkeit oder ein Gas ohne Reibung.


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 3/2010, Seite 70-76
Herausgeber: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2011