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FORSCHUNG/826: Hauptakteur der Proteinfaltung identifiziert (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 8. März 2012

STRUKTURBIOLOGIE | ZELLBIOLOGIE

Hauptakteur der Proteinfaltung identifiziert

Max-Planck-Forscher haben einen Faltungshelfer, das molekulare Chaperon DnaK, genauer unter die Lupe genommen


Proteine sind die molekularen Baustoffe und Maschinen der Zelle und an praktisch allen Lebensprozessen beteiligt. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, müssen sie in eine komplexe dreidimensionale Struktur gefaltet werden. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) in Martinsried bei München haben jetzt einen der Hauptakteure dieses Faltungsprozesses analysiert: das molekulare Chaperon DnaK. "Das Verständnis dieser Mechanismen ist von großem Interesse, vor allem im Licht der vielen Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson, bei denen die Proteinfaltung nicht korrekt abläuft", sagt F.-Ulrich Hartl, Direktor am MPIB. Die Ergebnisse seiner Arbeitsgruppe wurden jetzt in 'Cell Reports' veröffentlicht.

Das Chaperon DnaK bindet neue Proteine und führt deren Faltung herbei. Proteine, die es nicht falten kann, transportiert DnaK zu GroEL, einer hochspezialisierten Faltungsmaschine. - Abbildung: © F.-Ulrich Hartl / MPI für Biochemie

Das Chaperon DnaK bindet neue Proteine und führt deren Faltung herbei. Proteine, die es nicht falten kann, transportiert DnaK zu GroEL, einer hochspezialisierten Faltungsmaschine.
Abbildung: © F.-Ulrich Hartl / MPI für Biochemie

Proteine sind für fast alle biologischen Funktionen verantwortlich. Die Zellen des menschlichen Körpers produzieren kontinuierlich Tausende unterschiedliche Proteine in Form von langen Aminosäureketten. Damit ein Protein funktionsfähig ist, müssen diese Ketten in die jeweils korrekte, dreidimensionale Struktur gefaltet werden. Wenn in diesem komplexen Prozess Fehler auftreten, können nutzlose oder gar gefährliche Proteinklumpen entstehen. Alle Zellen, von der Bakterienzelle bis hin zu menschlichen Zellen, haben daher ein Netzwerk aus molekularen "Anstandsdamen", die Chaperone, entwickelt. Chaperone, selbst auch Proteine, helfen anderen Proteinen, sich richtig zu falten.

MPIB-Wissenschaftler haben jetzt die Organisation dieses Netzwerks in dem Bakterium 'Escherichia coli' untersucht. Durch Analysen des Proteoms (Gesamtheit aller Proteine) konnten die Forscher zeigen, wie verschiedene Chaperone während des Faltungsprozesses zusammenarbeiten. "Wir konnten das Hsp70-Protein DnaK als Hauptakteur des Netzwerkes identifizieren", erklärt F.-Ulrich Hartl. "Es funktioniert wie eine Art Dreh- und Angelpunkt." DnaK bindet bis zu 700 verschiedene Proteinketten während sie gebildet werden. Darüber hinaus führt DnaK die Faltung der meisten dieser Proteinketten herbei. Die, die es nicht falten kann, werden zu einem anderen Chaperon transportiert: dem tonnenförmigen GroEL, eine hoch spezialisierte Faltungsmaschine. GroEL bildet einen Nano-Käfig, in dem einzelne Proteinketten vorübergehend eingeschlossen sind. So können sie sich ohne störende Einflüsse von außen falten.


Fehler im Chaperon-Netzwerk

Die Wissenschaftler haben außerdem untersucht, was passiert, wenn das Chaperon-Netzwerk gestört wird. Entfernen die Forscher beispielsweise GroEL aus den Zellen, häufen sich seine 'Kunden-Proteine' an DnaK an. DnaK überführt sie anschließend zu Proteasen. Das sind Proteine, die für den Abbau von defekten oder nicht mehr benötigten Proteinen verantwortlich sind. "Anscheinend erkennt DnaK, dass diese Proteinketten niemals zu funktionsfähigen Molekülen heranreifen werden", sagt der Biochemiker. Ähnliche, jedoch sehr viel kompliziertere Chaperon-Netzwerke kontrollieren das Proteom menschlicher Zellen. Das Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen ist von großem Interesse - besonders vor dem Hintergrund der vielen neurodegenerativen Krankheiten, bei denen der Faltungsprozess nicht fehlerfrei abläuft.


Originalveröffentlichung
G. Calloni, T. Chen, S.M. Schermann, H. Chang, P. Genevaux, F. Agostini, G.G. Tartaglia, M. Hayer-Hartl and F.U. Hartl
DnaK Functions as a Central Hub in the E. coli Chaperone Network
Cell Reports, March 8, 2012 DOI: 10.1016/j.celrep.2011.12.007

Ansprechpartner

Prof. F. Ulrich Hartl
Cellular Biochemistry
Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried
E-Mail: uhartl@biochem.mpg.de

Anja Konschak
Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried
E-Mail: konschak@biochem.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 8. März 2012
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2012