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FORSCHUNG/843: Paläontologie - Eine harte Nuss, die Evolution der Panzerfische (idw)


Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns - 12.07.2012

Eine harte Nuss: die Evolution der Panzerfische



Als die Dinosaurier die Kontinente bevölkerten, waren sie die Herrscher der Ozeane: die Panzerfische. Diese Vertreter der Knochenfische, waren mit harten Knochenschuppen gepanzert, deren Oberfläche zusätzlich mit einer zahnschmelzähnlichen Substanz belegt war und bei großen Formen bis zu einem Zentimeter dick sein konnte. Viele Fossilien dieser ungewöhnlichen Fische sind aus der Zeit des Erdmittelalters bekannt, von der Trias (vor etwa 230 Millionen Jahre) bis in die obere Kreidezeit (vor etwa 70 Millionen Jahre), aber bisher waren ihre Diversität und ihre Evolution weitgehend im Dunkeln. Die Forscher klassifizierten die meisten Fossilien in zwei Artgruppen, für die die Namen Semionotus und Lepidotes gebraucht wurden.

Foto: © SNSB

(Lepidotes gigas.tiff): Sehr schön erhaltenes Exemplar von Lepidotes gigas im Paläontologischen Museum München. Dies ist einer der typischen gepanzerten Fische aus dem unteren Jura, der die Flachmeere bevölkerte, von denen heute der in Süddeutschland wei t verbreitete sogenannte Posidonienschiefer Zeugnis ablegt. Die typische, aus knöchernen Schuppen bestehende Panzerung ist gut erkennbar.
Foto: © SNSB

In einem gerade erschienen Artikel in der wissenschaftlichen Zeitschrift PLoS ONE untersucht die Münchener Paläontologin Dr. Adriana López-Arbarello (Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie) die Verwandtschaftsverhältnisse dieser bedeutenden Fischgruppe aus dem Erdmittelalter. Ihre Analyse führt zu überraschenden Ergebnissen: nicht nur sind die Panzerfische sehr viel diverser als bisher angenommen, sondern viele von den bekannten Formen lassen sich auch in die Vorfahrenreihe der heutigen Knochenhechte einreihen. "Die beiden Gattungen Semionotus und Lepidotes waren bisher so etwas wie "Mülleimertaxa" für Fische des Erdmittelalters, die harte, knöcherne Schuppen besaßen", erklärt López-Arbarello: "Meine Arbeit zeigt, dass diese Tiere in Wirklichkeit zu zahlreichen separaten Entwicklungslinien gehören, und sowohl die Artenvielfalt, als auch die ökologischen Anpassungen sind sehr viel größer, als wir bisher wussten." Viele der unter diesen beiden Namen zusammengefassten Arten brauchten daher neue Namen.

Aber nicht nur diese Erkenntnis erstaunte die Forscher. Viele der Panzerfische des Erdmittelalters entpuppten sich als Verwandte der Knochenhechte, einer Gruppe von Fischen, die heute mit nur noch sieben Arten in Flüssen und Seen Nordamerikas vorkommen. "Währen die heutigen Knochenhechte gegenüber den etwa 27.000 Arten der modernen Knochenfische kaum eine Rolle spielen, gehört ihre fossile Stammlinie im Erdmittelalter zu den erfolgreichsten Fischgruppen überhaupt," so López-Arbarello: "Zu jener Zeit besiedelten die Ahnen der Knochenhechte zahlreiche ökologische Nischen, sowohl im Süßwasser, als auch in den Ozeanen, und das praktisch weltweit."

Obwohl Fische zu den häufigsten Fossilien überhaupt gehören und auch heute mit etwa 28.000 Arten fast die Hälfte der bekannten Wirbeltiere stellen, ist diese Gruppe immer noch vergleichsweise wenig erforscht. "Was die Fische des Erdmittelalters angeht, so wissen wir, trotz zahlreicher Funde, immer noch erschreckend wenig, und nicht nur die evolutiven Zusammenhänge, sondern häufig auch die Vielfalt der Arten ist bisher unklar", sagt López-Arbarello: "Dabei ist dies die Zeit, in der sich die modernen Fischgruppen etablieren, und ein besseres Verständnis der Evolution der Fische dieser Zeit würde auch den Ursprung der heutigen Fischfaunen erhellen." Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert.

Link zum Artikel:
http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0039370

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1697

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns,
Dr. Eva-Maria Natzer, 12.07.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012