Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → BIOLOGIE

FORSCHUNG/871: Mikroben im Marianengraben (idw)


Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie - 17.03.2013

Mikroben im Marianengraben

Eine erstaunlich aktive bakterielle Gemeinschaft lebt am tiefsten Punkt des Meeresbodens



Das Sediment des tiefsten Punktes der Erde, des Challengertiefs im Marianengraben, zeigt eine erstaunlich hohe mikrobielle Aktivität. Ein internationales Forscherteam um Professor Ronnie Glud von der Universität von Süddänemark, unter Beteiligung von Dr. Frank Wenzhöfer von der HGF-MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen und des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, konnte zeigen, dass Mikroben in dieser von extremem Druck gekennzeichneten Umgebung zahlreich und sehr aktiv sind.

Ihre Forschungsergebnisse haben sie nun in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht.Ein internationales Forscherteam stellt seine Ergebnisse von einem der unzugänglichsten Platz auf unserer Erde vor: dem Meeresboden des Marianengrabens im Westpazifik, auf fast 11000 m Tiefe unter dem Meeresspiegel, was ihn zum tiefsten Punkt der Erde macht. Ihre Ergebnisse zeigen, dass eine höchst aktive Mikrobengemeinschaft die Sedimente des Grabens bewohnt, und das, obwohl dort ein extrem hoher Druck, 1100 mal so hoch wie auf Meeresspiegelhöhe, herrscht. In den Sedimenten des Grabens fanden die Forscher eine vielfach höhere Anzahl von Bakterien als in den umliegenden Sedimenten der Tiefseeebene auf "nur" 6000 Meter Tiefe.

Foto: © Frank Wenzhöfer

Der Tiefsee-Lander nach erfolgreicher Mission und dreistündigem Aufstieg durch die Wassersäule. Die Wissenschaftler an Bord des FS Yokosuka konnten damit auf insgesamt vier Tauchgängen viele wissenschaftliche Daten und Proben sammeln
Foto: © Frank Wenzhöfer


Hohe mikrobielle Aktivität in Tiefseegräben

Tiefseegräben sind Orte von hoher mikrobieller Aktivität, denn der Eintrag von organischem Material ist ungewöhnlich hoch. Dazu zählen absinkende Kadaver von Meerestieren, aber auch Reste von Algen, die sporadisch immer wieder in großen Mengen auf den Meeresboden sinken. An den Grabenhängen kann dieses Material, durch Erdbeben mobilisiert, in die tiefsten Stellen des Grabens abrutschen. Demnach haben Tiefseegräben, obwohl sie nur etwa 2 % der Fläche der Ozeane der Erde ausmachen, einen relativ großen Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf, so Professor Ronnie Glud von der Universität Süddänemark. Zusammen mit seinen Kollegen aus Deutschland (HGF-MPG Brückengruppe für Tiefsee-Ökologie und -Technologie des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung), Japan (Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology), Scotland (Scottish Association for Marine Science) und Dänemark (Universität Kopenhagen) erkundete er den mikrobiellen Kohlenstoffumsatz im tiefsten Graben der Ozeane.


Technologische Herausforderung

Die Forscher maßen die Sauerstoffverteilung im Sediment des Grabens und an einer Referenzstelle auf 6000 m Tiefe und nahmen Sedimentkerne mit einem autonomen Probenahmegerät, welches mit einer Videokamera ausgestattet war. "Wir können aus der Sauerstoffverteilung die bakterielle Sauerstoffaufnahme, also die Atmung, berechnen," sagt Dr. Frank Wenzhöfer. "Zusammen mit der Information über den Gehalt an organischem Kohlenstoff im Sediment können wir so die mikrobielle Aktivität im Sediment abschätzen". Natürlich sind die Messungen in solch großen Tiefen eine technische und logistische Herausforderung. " Wenn wir Proben vom Meeresboden heraufholen, um sie im Labor zu untersuchen, überleben viele der an die Tiefseebedingungen angepassten Organismen die Temperatur- und Druckveränderung nicht. Deshalb haben wir Geräte entwickelt, die vorprogrammierte Messabläufe autonom auf dem Meeresboden bei hohem Druck ausführen.", erklärt Ronnie Glud. Das Forscherteam hat mit mehreren Firmen zusammen einen Unterwasser-Roboter entwickelt, der beinahe 4 m groß ist und 600 kg wiegt. Dieser Roboter führte unter anderem die Sauerstoffmessungen mit ultraempfindlichen Sensoren durch.

"Auf unseren Videos aus der Tiefe sind kaum größere Tiere zu sehen", sagt Ronnie Glud. "Wir haben es also mit einer Welt zu tun, die von Mikroorganismen dominiert ist, die in hohem Grade an für die meisten höheren Organismen feindlichen Bedingungen angepasst sind."

Für Dr. Frank Wenzhöfer ist die Erforschung der Tiefseegräben nicht nur wichtig, um deren Einfluss auf den globalen Kohlenstoffkreislauf genauer definieren zu können. "Die Tiefseegräben sind nach wie vor einige der letzten weißen Flecken auf der Landkarte. Wir möchten gerne die bakteriellen Gemeinschaften dort genauer charakterisieren und verstehen, wie sie sich an ein Leben in diesem außergewöhnlichen Lebensraum angepasst haben. Außerdem möchten wir herausfinden, ob der mikrobielle Kohlenstoffumsatz in der Tiefsee Auswirkungen auf unser Klima hat. Dazu sind Expeditionen zu weiteren Tiefseegräben, zum Beispiel dem Kermadec-Tonga-Graben bei den Fiji-Inseln, geplant."

Originalarbeit
High rate of microbial carbon turnover in sediments in the deepest oceanic trench on Earth, 2013. Ronnie N. Glud, FrankWenzhöfer, Mathias Middelboe, Kazumasa Oguri, Robert Turnewitsch, Donald E. Canfield and Hiroshi Kitazato. Nature Geoscience
DOI: 10.1038/NGEO1773

Beteiligte Institute

Weitere Informationen unter:
http://www.mpi-bremen.de
- Webseite Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution536

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie,
Dr. Manfred Schloesser, 17.03.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. März 2013