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MELDUNG/277: Paläontologie - Weltweit größte fossile Augenfliege entdeckt (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 10.04.2014

Schau Dir in die Augen, Fliege - Weltweit größte fossile Augenfliege entdeckt



Dresden, den 10.04.2014. Der Biologe Dr. Christian Kehlmaier vom Senckenberg Forschungsinstitut in Dresden hat drei neue Arten fossiler Augenfliegen entdeckt. Eine der Neuentdeckungen ist die bislang größte versteinerte Augenfliege weltweit. Die zugehörigen Studien wurden in den Fachjournalen "The Canadian Entomologist" und "Arthropod Systematics & Phylogeny" veröffentlicht.

Augenfliegen sind skurrile Geschöpfe: Ihr großer Kopf macht beinahe ein Drittel des Körpers aus und besteht fast komplett aus Augen. Mit diesen enormen Facettenaugen machen sich die Fliegen auf die Suche nach Zikaden und Schnaken, die ihnen als mobile Aufzuchtsstationen für ihre Larven dienen.

Weltweit gibt es über 1400 beschriebene Arten der großäugigen Zweiflügler. Forscher gehen aber davon aus, dass es noch einmal so viele, bisher unbeschriebene Arten gibt.

"Doch fossile Formen der Augenfliegen werden nur sehr selten gefunden", erklärt Dr. Christian Kehlmaier von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen in Dresden. Umso mehr freut sich der Biologe, dass er in letzter Zeit gleich drei neue, längst ausgestorbene Arten beschreiben und benennen konnte.

"Fossilien ermöglichen einen spannenden Einblick in die stammesgeschichtliche Entwicklung einer Tiergruppe. Und das Tollste an den neuen Funden: Unter ihnen ist eine der ältesten und die bislang größte fossile Augenfliege der Welt!", ergänzt Kehlmaier.

Das gemeinsam mit seinen Kollegen S.B. Archibald und R.W. Mathewes von der Simon Fraser Universität beschriebene Insekt Metanephrocerus belgardeae hat eine Flügellänge von 9,3 Millimetern und stammt mit etwa 50 Millionen Jahren aus der erdgeschichtlichen Zeit des Unteren Eozäns.

Benannt wurde die Fliege nach Azure Rain Belgarde, einer Schülerin der Paschal Sherman Indian School in Collville, Washington, die das Fossil während einer Schulexkursion zu den Lagerstätten der Kleinstadt Republic gefunden hatte.

"Anhand des charakteristischen Musters der dunkel gefärbten Flügel konnten wir Metanephrocerus belgardeae deutlich von anderen Arten abgrenzen.", erläutert der Dresdner Wissenschaftler. "Meistens sind für Artbestimmungen - auch bei fossilen Tieren - aber aufwendigere Methoden notwendig."

So auch bei den zwei neuen Arten Metanephrocerus groehni und Metanephrocerus hoffeinsorum, die - eingeschlossen in baltische Bernsteine aus dem Mittleren Eozän - mithilfe von Mikrocomputertomographie von Kehlmaier und seinen Kollegen J.H. Skevington von den Canadian National Collection of Insects, Arachnids and Nematodes in Ottawa und M. Dierick von der Universität Gent untersucht wurden.

Durch diese modernste Methode konnten die Wissenschaftler sogar Genitalstrukturen sichtbar machen, die normalerweise von außen nicht erkennbar sind und bei frischem Material nur durch Präparation der Genitalkapsel einsehbar werden.

"Das sind schon ganz besondere Details, die wir an den etwa 40 bis 50 Millionen Jahren alten Tieren zeigen konnten", sagt Kehlmaier und ergänzt: "Die Lebensweise und das Aussehen der Augenfliegen haben sich vor zirka 70 Millionen Jahren entwickelt. Die nun neu beschriebenen fossilen Arten lassen vermuten, dass schon relativ kurz nach der Etablierung der großäugigen Tiere ein reichhaltiges Artenspektrum existiert haben muss, das dem heutigen in keiner Weise nachsteht."

Publikationen
S.B. Archibald, C. Kehlmaier & R.W. Mathewes: Early Eocene big headed flies (Diptera: Pipunculidae) from the Okanagan Highlands, western North America.
The Canadian Entomologist, available on CJO2014.
doi:10.4039/tce.2013.79.

KEHLMAIER C., DIERICK M. & SKEVINGTON J.H. 2014. Micro-CT studies of amber inclusions reveal internal genitalic features of big-headed flies, enabling a systematic placement of Metanephrocerus Aczél, 1948 (Insecta: Diptera: Pipunculidae).
Arthropod Systematics & Phylogeny 72 (1): 23-36

Weitere Informationen unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Judith Jördens, 10.04.2014
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2014