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BERICHT/371: Plötzlich behindert - was dann? (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 1/2013

FRAPORT AG:
Wie man Mitarbeiter mit Handicap erfolgreich weiterbeschäftigen kann
Plötzlich behindert - was dann?

Von Astrid Jaehn



Er ist erst 28, als er seinen zweiten Bandscheibenvorfall erleidet - zwei Jahre schwerer Krankheitszeit folgen, am Ende hat er einen Behinderungsgrad von 30. Für Peter Wagner war schnell klar, dass er nicht mehr in den Gepäckdienst bei Deutschlands größtem Flughafenbetreiber Fraport zurückkehren konnte. Drohte nach der Schwerbehinderung nun auch der Verlust seines Berufs? "Nein", erklärt Reinhard Wagner, Arbeitgeberbeauftragter der Fraport AG und zufälliger Namensvetter: "Als Unternehmen machen wir uns stark für die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Man muss nur die richtige Lösung finden." Bei Peter Wagner hieß diese: eine berufliche Rehabilitation zum Elektroniker und anschließend die Weiterbeschäftigung in einer anderen Abteilung.


Seit mehr als einem Jahr arbeitet der heute 33-Jährige inzwischen als Elektroniker bei Fraport - und ist glücklich damit. Als Mitarbeiter im Field Service gehört er quasi zu den Feuerwehrmännern unter den Technikern: "Wir sind dafür zuständig, dass alle Telefon- und Planschaltungen funktionieren. Wenn Störungen auftreten, lösen wir das Problem." Auch Büroarbeiten gehören zu seinem Tätigkeitsfeld, beispielsweise wenn er die Arbeitsmaterialien vorbereiten muss.

Noch vor fünf Jahren sah sein Beruf ganz anders aus: Da stemmte er noch rund 1.000 Koffer täglich im Gepäckdienst des Flughafenbetreibers. Nach zehn Jahren spielte sein Rücken schließlich nicht mehr mit. Zwei Bandscheibenvorfälle, zwei Operationen - ohne den Rückhalt seiner Familie hätte er die lange Zeit der Krankheit nicht überstanden: Die Krankheit kostete Peter Wagner Kraft - und das nicht nur körperlich. "Mir ist zu Hause fast die Decke auf den Kopf gefallen", erinnert sich der Vater von zwei Kindern. Hinzu kam die Unsicherheit, wie es mit der Behinderung beruflich konkret weitergehen würde. Dass sein Arbeitgeber hinter ihm stand und gemeinsam mit ihm nach einer neuen beruflichen Perspektive gesucht hat, hat ihm in dieser Zeit sehr geholfen.


Jedes Jahr 200 Behinderungsfälle

"Jedes Jahr haben wir bei der Fraport rund 200 Behinderungsfälle, die auf Verschleißerscheinungen im Wirbel-Skelett-Bereich zurückzuführen sind", erklärt der Arbeitgeberbeauftragte Reinhard Wagner. So gut wie alle betroffenen Mitarbeiter arbeiten nach der Diagnose weiter im Unternehmen, die Schwerbehindertenquote von 11,3 Prozent zeigt deutlich, wie groß der Anteil von Menschen mit Handicap ist. Schon lange vor der gesetzlichen Einführung praktizierte der Frankfurter Flughafenbetreiber bereits das Prinzip des "Runden Tisches", um Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, die aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht mehr an ihrem alten Arbeitsplatz eingesetzt werden können. Am "Runden Tisch" kommen alle Beteiligten zusammen. So war es auch bei Peter Wagner, der mit seinem Vorgesetzten, dem Arbeitgebervertreter sowie dem Betriebsrat und einem Arbeitsmediziner zu einem Klärungsgespräch zusammen saß. Am Ende war klar: Peter Wagner würde sich zum Elektroniker ausbilden lassen, um anschließend in eine andere Abteilung seines Unternehmens wechseln zu können. Das Berufsfeld war ihm nicht ganz fremd - schließlich war er von Haus aus KFZ-Mechaniker und der Umgang mit Technik sowie das Warten von Geräten machen ihm Freude.


Nahtloser Übergang an den neuen Arbeitsplatz

Seinen neuen Beruf erlernte er im Berufsförderungswerk Frankfurt am Main. Zwei Jahre dauerte die Qualifizierung dort. Den letzten Praxisschliff bekam er dann wieder bei der Fraport AG, wo er sein Praktikum absolvieren musste. Wie reibungslos die Zusammenarbeit zwischen seinem Arbeitgeber und dem Berufsförderungswerk klappt, konnte Peter Wagner beim Wechsel von der Ausbildung an seinen neuen Arbeitsplatz feststellen: Gerade einmal zwei Wochen vergingen nach der erfolgreichen Abschlussprüfung, bis er seine Tätigkeit als frisch gebackener Elektroniker aufnahm. Ein Jahr ist das jetzt her - und keine Sekunde lang hat der 33-Jährige den Wechsel bereut: "Mein neuer Beruf macht mir richtig Spaß." In der neuen Abteilung fühlt er sich wohl - und vor allem: Als Elektroniker arbeitet er vor allem im Sitzen - und damit schonend für seinen Rücken. "Diese Arbeit kann ich bis zu meiner Rente ausüben", ist sich Peter Wagner sicher. Sein Chef hätte nichts dagegen. Thomas Neumann, Leitung Service und neuer Vorgesetzter von Peter Wagner, ist sehr zufrieden mit seinem Mitarbeiter. "Herr Wagner hat sich so bewährt, dass er bei uns weiterkommen wird."


"Ich komme prima klar"

Heute spielt seine Behinderung für Peter Wagner im Berufsalltag keine große Rolle mehr, auch wenn er immer einmal wieder kleinere Rückenbeschwerden hat. "Ab und zu gehe ich zur Krankengymnastik, mache meine Übungen und ansonsten komme ich prima klar." Sein Rückentraining kann er übrigens direkt bei Fraport machen, denn der Konzern hat eine umfangreiche Palette an Gesundheitsangeboten für die Beschäftigten. "Es ist uns wichtig, für unsere Mitarbeiter Gesundheitsangebote sowohl im Sinne von Prävention als auch zur positiven Unterstützung bei chronischen Erkrankungen vorzuhalten", erklärt dazu der Fraport-Arbeitgeberbeauftragte Reinhard Wagner. Mit Blick auf den demografischen Wandel und längere Lebensarbeitszeiten sei der dauerhafte Leistungserhalt der Mitarbeiter ebenso wie die Weiterbeschäftigung von Menschen mit Behinderung für Unternehmen zu einer unverzichtbaren Aufgabe geworden. In einem sind sich die beiden Wagners - sowohl der Arbeitgeberbeauftragte als auch der Mitarbeiter - daher einig: "Wenn sich gesundheitliche Probleme bemerkbar machen, sollte man rechtzeitig mit dem Arbeitgeber sprechen." Peter Wagner selbst ist das beste Beispiel dafür, dass sich das lohnt - und dass eine Behinderung keine Rolle spielt, wenn der Arbeitsplatz stimmt.


KASTEN
 
Das UnternehmensForum...

... wurde 2002 als branchenübergreifender Zusammenschluss großer und mittelständischer Unternehmen initiiert. Gemeinsam setzen sich die Mitglieder für die Ausbildung, Beschäftigung und Weiterbeschäftigung von Menschen mit Behinderung in der Wirtschaft ein - mit dem Ziel, ein Bewusstsein für das Potenzial dieser Menschen für die Arbeitswelt zu schaffen. Das UnternehmensForum dient dabei als bundesweite Plattform, um Erfahrungen auszutauschen, gute Beispiele zu erarbeiten und konkrete Anregungen zu entwickeln. Einen besonderen inhaltlichen Fokus setzt der Zusammenschluss auf die Ausbildung schwerbehinderter Schulabgänger, die Beschäftigung und Beschäftigungssicherung einer älter werdenden Belegschaft, das betriebliche Eingliederungsmanagement, den demografischen Wandel sowie die Integration von Menschen mit Behinderungen in Unternehmen. Neben der Fraport AG sind im UnternehmensForum auch Boehringer Ingelheim, BASF, RWE, ZDF, die Deutsche Bahn AG, Galeria Kaufhof, das Paul-Ehrlich-Institut, die KfW Bankengruppe, Schott AG, die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden und andere vertreten.

(Weitere Informationen: www.unternehmensforum.org)

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Quelle:
Selbsthilfe 1/2013, S. 20-21
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE e.V.
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2013