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BERICHT/372: Inklusion ist auch in Kleinbetrieben möglich (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 2/2013

ARBEITSMARKT & INKLUSION
Inklusion ist auch in Kleinbetrieben möglich
Kein Handicap für Arbeit...

Von Lisa Klauss



"Zimmerei Aumüller, guten Tag. Was kann ich für Sie tun?" Rufen Kunden des bayerischen Familienbetriebs im Büro an, werde sie von Uwe Eckardt begrüßt. Früher arbeitete er in der Zimmerei als Hochbautechniker - bis er zwei Betriebsunfälle erlitt und vor dem beruflichen Aus stand. Dass es anders kam, hat er seinem Chef zu verdanken, der ihn mit unternehmerischem Mut und einem völlig neuen Geschäftsbereich in der Zimmerei halten konnte. Für dieses Engagement zur Weiterbeschäftigung seines Mitarbeiters wurde Konrad Aumüller zuletzt mit dem Inklusionspreis "Unternehmen fördern Inklusion" ausgezeichnet. "Er zeigt, dass Inklusion keine Frage der Betriebsgröße ist", so das Urteil der Jury.


Fünf Jahre ist der Arbeitsunfall her, bei dem Uwe Eckardt fast drei seiner Finger verlor. Vor drei Jahren kam der Bruch eines Brustwirbels hinzu. Dann folgten zwei Jahre mit krankheitsbedingtem Ausfall und Gesprächen mit der Berufsgenossenschaft. Danach war klar: "Meine gesundheitlichen Einschränkungen sind zu groß - ich kann in meinem Beruf nicht mehr arbeiten." Wie es für den 49-Jährigen weitergehen sollte, war ungewiss. Aber auch für Konrad Aumüller, Geschäftsführer der Zimmerei Aumüller GmbH, bedeutete dieser Satz nahezu eine Katastrophe. Seine Zimmerei ist hauptsächlich im Hallenbau tätig, die meisten der 25 Mitarbeiter müssen deshalb längere Montagereisen im In- und Ausland in Kauf nehmen - durchaus eine Hürde, um neue Fachkräfte für das ständig wachsende Unternehmen zu finden: "Seit Jahren warten wir vergeblich auf Bewerbungen, obwohl wir dringend neue Mitarbeiter bräuchten", erzählt der 44-Jährige. Umso mehr setzt er auf seine Angestellten: "Die Gesundheit unserer Mitarbeiter ist unser Kapital."


Verantwortung übernehmen

Die Weiterbeschäftigung seines Mitarbeiters war dem Unternehmer allein schon aus diesem Grund wichtig. Aber auch aus persönlicher Verantwortung heraus - schließlich wurde Uwe Eckardt bei Unfällen im eigenen Betrieb arbeitsunfähig. Eine Idee war schnell gefasst: Die Einrichtung eines neuen Planungsbüros sollte Uwe Eckardt eine neue Tätigkeit am alten Arbeitsplatz ermöglichen und der Zimmerei langfristig neue Aufträge sichern. Seine Erfahrungen als Hochgerätebauer und langjähriger Mitarbeiter könnte er dort nutzen, um technische Zeichnungen zu verwirklichen und Konstruktionspläne zu erstellen. Von Anfang an stand fest, dass ein solches Vorhaben mit hohem finanziellen Aufwand - und damit mit unternehmerischem Risiko verbunden ist; wirtschaftliche Erfolge würden sich frühestens nach Jahren zeigen. Für einen Kleinunternehmer wie Konrad Aumüller ein großer Schritt - "aber das ist eben unternehmerisches Denken. Welcher Unternehmer geht denn kein Risiko ein?"

Für die neue Stelle musste Uwe Eckardt umgeschult und das Planungsbüro räumlich vorbereitet werden. Am Anfang galt es für den kleinen Handwerksbetrieb daher, Informationen über Seminare, Kosten und mögliche Partner einzuholen. Unterstützung fand die Zimmerei bei der Berufsgenossenschaft BG Bau sowie der Handwerkskammer und dem Integrationsamt Schwaben. So konnten die organisatorischen Aufgaben gestemmt werden und zudem gab es für ihn Hilfestellung bei der Beantragung finanzieller Mittel. "Bürokratische Angelegenheiten fallen uns Handwerkern einfach schwer - ohne die große Unterstützung hätte ich manche Anträge vielleicht gar nicht gestellt", ist Konrad Aumüller noch heute dankbar.

Und Uwe Eckardt ist in der kleinen Zimmerei kein Einzelfall: Auch für andere Mitarbeiter sucht Konrad Aumüller nach neuen Tätigkeiten im eigenen Betrieb - und wer sucht, der wird auch fündig, wenn der betreffende Mitarbeiter bereit für eine Neuqualifizierung ist. Behinderte und nicht-behinderte Mitarbeiter arbeiten ganz selbstverständlich zusammen, weil am Ende die gute Leistung aller Mitarbeiter das Gesamtergebnis erzielt. Dass Arbeit mehr als bloßer Broterwerb ist und eine Behinderung noch lange kein Handicap ist, um zu arbeiten, erlebt Konrad Aumüller dabei tagtäglich bei seinen zufriedenen Mitarbeitern: "Man kann sich gar nicht vorstellen, was eine Beschäftigung im Leben eines Menschen ausmacht.

Das unternehmerische Risiko hat sich übrigens gelohnt. Das Planungsbüro ermöglicht Lösungen für Aufgabenbereiche, die in der Branche stetig wachsen. Uwe Eckardt arbeitet hochmotiviert, der Erfolg ist auch sein Verdienst. Für Chef Konrad Aumüller Grund genug, anderen Arbeitgebern Mut zu machen, Verantwortung für ihre Angestellten zu übernehmen - in Gesundheit und Krankheit, ob behindert oder nicht. Das ist für ihn gelebte Inklusion. Als Unternehmer weiß er, dass er auf jeden seiner Mitarbeiter angewiesen ist. "Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Das gilt auch für Unternehmen." Diese Einstellung brachte ihm 2012 den verdienten "Inklusionspreis" des UnternehmensForum ein.

AUTORIN: Lisa Klauss, Zeichensetzen/UnternehmensForum


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EIN PREIS FÜR DEUTSCHLANDS INKLUSIVE UNTERNEHMEN

Der Inklusionspreis für Unternehmen will zeigen, dass Menschen mit Behinderung einen selbstverständlichen Platz in der Wirtschaft haben. Zum zweiten Mal lobt das UnternehmensForum daher 2013 den Inklusionspreis aus, um gute Beispiele für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung öffentlich zu machen. In diesem Jahr wird der Preis gemeinsam mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände vergeben. Schirmherr ist der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Hubert Hüppe. Prämiert werden beispielhafte Aktionen zur Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Handicap.

Der Inklusionspreis richtet sich an Unternehmen aller Größen. Er soll deutlich machen, dass große, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen innovative und vorbildliche Ideen haben, um Inklusion am Arbeitsplatz zu verwirklichen. "Wir wollen zeigen, dass es nicht nur um soziales Engagement geht", so die Organisatoren. "Gerade in Zeiten des demografischen Wandels sind Firmen auf das ganze Potenzial gut qualifizierter Fachkräfte angewiesen." Behindertengerechte Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen zu schaffen, sei daher keine alleinige Kompetenz von großen Unternehmen.

Vorschläge können noch bis zum 1. August 2013 unter dem Stichwort "Inklusionspreis" beim UnternehmensForum eingereicht werden.

Weitere Informationen: www.unternehmensforum.org/inklusionspreis

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Quelle:
Selbsthilfe 2/2013, S. 20-21
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE e.V.
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2013