Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → PRESSE

FRAGEN/185: Führerscheinprüfungen sind für Menschen mit und ohne Behinderung gleich (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2013

Führerscheinprüfungen sind für Menschen mit und ohne Behinderung gleich

Interview mit Peter Glowalla



Wer den Führerschein machen möchte, ist zunächst einmal auf der Suche nach einer guten Fahrschule. Denn das sichere Führen eines Fahrzeuges will schließlich gelernt sein. Da braucht es kompetente Ausbilder, denn die jungen Menschen setzen ihr gesamtes Vertrauen in den Fahrlehrer.
Was für gesunde Menschen wichtig ist, ist für Menschen mit Behinderungen aber erst recht unverzichtbar. Denn sie müssen sich darauf verlassen können, dass die gewählte Fahrschule in der Lage ist, sich auf die jeweils individuelle Behinderung des Fahrschülers einzustellen und diesen kompetent auszubilden.
Ist es schwierig, eine solche Fahrschule zu finden und unterscheidet sich das Fahrtraining von gesunden und behinderten Menschen?
Wir haben Peter Glowalla, den ersten stellvertretenden Vorsitzenden der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V., dazu befragt.


Selbsthilfe: Herr Glowalla, wie viele Fahrschulen in Deutschland bieten ein Fahrtraining auf behindertengerechten Fahrzeugen an?

Peter Glowalla: Jede Fahrschule in Deutschland darf Menschen mit Behinderungen ausbilden. In der Regel übernehmen derartige Ausbildungen nur Fahrschulen, die sich spezielle Kenntnisse angeeignet haben. Die Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e. V (BVF) veröffentlicht in regelmäßigen Abständen eine Liste derjenigen Verbandsfahrschulen, die sich einer Selbstauskunft unterworfen haben. Auf dieser Liste sind regelmäßig zwischen 150 und 180 Fahrschulen gelistet. Unterschieden werden muss zwischen einem Fahrtraining mit Menschen die eine Behinderung nach dem Erwerb eines Führerscheins erworben haben (z. B. Schlaganfall, Unfall) und solchen, die mit einer bereits vorhandenen Behinderung eine Fahrerlaubnis erwerben wollen. Bei ersteren muss dann noch unterschieden werden, ob die Fahrerlaubnis noch vorhanden ist oder neu erworben werden muss.


Selbsthilfe: Gibt es Fördermaßnahmen für Fahrschulen für die Anschaffung von speziellen Fahrzeugen?

Peter Glowalla: Solche speziellen Fördermaßnahmen sind mir nicht bekannt. Es gibt aber Autohersteller, die beim Kauf eines neuen Ausbildungs- und Prüfungsfahrzeugs Standardeinbauten für die Ausbildung von Menschen mit Behinderungen (z. B. Bremspedal links) nicht berechnen oder begünstigen.

Beim Kauf eines umgerüsteten Fahrzeugs durch Privatpersonen gibt es allerdings Fördermaßnahmen unterschiedlichster Art. Das hängt davon ab, wie eine Behinderung entstanden ist und ob ein Verschulden anderer vorliegt (Unfälle, Berufsunfälle). Menschen mit Behinderungen müssen darauf achten, immer zuerst einen eventuell vorhandenen Kostenträger zu kontaktieren, bevor sie irgendwelche Verträge eingehen, auch bevor sie eine Fahrschule aufsuchen.


Selbsthilfe: Wie hoch ist ungefähr der Anteil von behinderten Fahrschülern an der Gesamtheit?

Peter Glowalla: Die UN-Behindertenrechtskonvention nennt eine Zahl, dass jeder zehnte Mensch auf der Erde Behinderungen hat. Es gibt aber keine Statistik über den Anteil behinderter Fahrschüler.


Selbsthilfe: Wo liegen die Schwierigkeiten für die Fahrschulen bei der Fahrausbildung von behinderten Menschen (sich auf die individuellen Behinderungen einzustellen?

Peter Glowalla: Für Fahrschulen, die sich intensiv mit derartigen Ausbildungen befassen, gibt es keine Schwierigkeiten. Sie sind darauf eingestellt, mit großer Zuwendung und der notwendigen Geduld sich diesen Menschen zuzuwenden. Fahrschulen, die die Ausbildung von Menschen mit Behinderungen als schwierig empfinden, müssen nachdenken, ob sie das dann überhaupt tun sollten.


Selbsthilfe: Gibt es generelle Unterschiede beim Fahrtraining?

Peter Glowalla: Natürlich, jede Behinderung ist individuell unterschiedlich in ihren Auswirkungen und kann die Eignung, ein Kraftfahrzeug zu führen, heftig beeinflussen.


Selbsthilfe: Sind umgebaute Autos nur von Behinderten zu fahren oder auch generell nutzbar?

Peter Glowalla: Grundsätzlich ja, sofern alle Ein- und Umbauten im Fahrzeugschein von der zuständigen Behörde eingetragen sind. Zu empfehlen ist das aber nicht.


Selbsthilfe: Wie läuft die Prüfung ab? Ist das ein speziell ausgebildeter Prüfer?

Peter Glowalla: Ein behinderter Mensch (Fahrschüler oder Neuerwerber) muss die gleichen Anforderungen erfüllen, die auch ein "normaler" Fahrerlaubnisbewerber zu erfüllen hat. Er muss zeigen, dass vorhandene Behinderungen ggf. unter Nutzung spezieller Um- bzw. Einbauten im Fahrzeug sowie intellektueller Fähigkeiten kompensiert werden können. Auch bei den Prüfern sind es Einzelne, die sich dieser Thematik zuwenden.


Selbsthilfe: Nach welchen Kriterien stellt der Prüfer die Fahrtauglichkeit fest?

Peter Glowalla: Nach den gleichen wie bei jedem
Fahrerlaubnisbewerber.


Selbsthilfe: Was wird im Führerschein eingetragen und wie kann ein Polizist im Falle eines Unfalls (oder einer allg. Fahrzeugkontrolle) prüfen, ob der behinderte Fahrer das richtige (seins) Fahrzeug gefahren hat und nicht z.B. das seines behinderten Nachbarn?

Peter Glowalla: Im Führerschein werden Schlüsselzahlen eingetragen, aus denen hervorgeht, welche speziellen Erfordernisse an die Person (z. B. Sehhilfe, Orthese, Insulinausweis usw.) und welche technischen Erfordernisse im Fahrzeug vorhanden sein müssen. Im Fahrzeugschein müssen alle technischen Veränderungen eingetragen sein. Stimmen Schlüsselzahlen mit den Eintragungen im Fahrzeugschein überein, würde es auch keine Rolle spielen, wenn es sich um das Fahrzeug eines anderen Menschen mit Behinderung handeln würde. Allerdings dürfte das selten vorkommen.


Selbsthilfe: Ist das Prozedere bei Motorradfahrern dasselbe? Wenn nicht, wodurch unterscheidet es sich?

Peter Glowalla: Grundsätzlich handelt es sich um das gleiche Prozedere.


Selbsthilfe: Gibt es Ihrer Ansicht nach gravierende Defizite bei der Fahrausbildung von behinderten Menschen?

Peter Glowalla: Nein.


Selbsthilfe: Was würden Sie sich für das Fahrtraining in der Zukunft von behinderten Menschen für die Fahrschulen wünschen?

Peter Glowalla: Mehr fachkundige Ansprechpartner bei Ärzten, Behörden und Technischen Prüfstellen für den Kraftfahrzeugverkehr.


Selbsthilfe: Vielen Dank für das Interview.


Interviewpartner Peter Glowalla ist erster stellvertretender Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände e.V. (www.fahrlehrerverbaende.de)


ADRESSEN
Eine aktuelle und nach Postleitzahlen sortierte Liste der Fahrschulen in Deutschland, die sich auf das Fahrtraining von behinderten Menschen spezialisiert haben, ist unter www.fahrlehrerverbaende.de erhältlich.

*

Quelle:
Selbsthilfe 4/2013, S. 18-19
Zeitschrift der BAG SELBSTHILFE e.V.
Herausgeber: Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
BAG SELBSTHILFE
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Telefon: 0211/3 10 06-0, Fax: 0211/3 10 06-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de
 
Die "Selbsthilfe" erscheint mit 4 Ausgaben pro Jahr.
Jahresbezugspreis:
Inland: 18,00 Euro zzgl. Porto und Versand
Ausland: 22,00 Euro zzgl. Porto und Versand
Einzelpreis: 5,00 Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2014