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MEDIEN/212: 50 Jahre DER RING - Bauboom und neues Denken Anfang der Siebzigerjahre (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - März 2011

50 Jahre DER RING 1961-2011

Bauboom und neues Denken Anfang der Siebzigerjahre


In Bethel wird gebaut, und DER RING berichtet in der Januarausgabe 1972: "Das Bethel-Zentrum ist verbaut und überaltert und bedarf dringend der Sanierung." Altes muss weichen, um für Neues Platz zu schaffen. "Mit dem Abreißen alter Bauten geht viel Liebgewordenes verloren", schreibt der damalige Anstaltsleiter Alex Funke. Er zeigt Verständnis für die ortsansässigen Mitarbeiter, denen es schwerfalle zuzuschauen, wie das alte Bethel sein Gesicht verliere. Mittlerweile baufällig gewordene Gebäude aus der Zeit Vater Bodelschwinghs zu sanieren sei jedoch teurer als neu zu bauen.


Die Bagger graben überall - im Ortskern, wo das neue Brüderhaus Nazareth entsteht und der Gebäudekomplex Ophir umgebaut wird, am Bethelweg, wo neue Wohnheime für Schwestern sowie Krankenpflegeschüler und -schülerinnen errichtet werden. DER RING schwärmt im Dezember 1971, dass Bethel nun eine einzige Baustelle sei. Und die Leserschaft wird detailliert über alle Vorhaben informiert. Ein besonderes Augenmerk richtet das Mitteilungsblatt auf die Planungen für ein neues Kinderkrankenhaus unterhalb der Promenade und die zentrale Hauptverwaltung. Letztere, so ist nachzulesen, solle auf dem Eckgrundstück zwischen Königsweg, Kantensiek und Jägerbrink errichtet werden, an der Stelle des alten Dankorts.

Dazu schreibt Dr. Hans-Ulrich Grundmann, Leiter der Abteilung Wirtschaft und Finanzen, im Januar 1972: "Der bis zu fünfgeschossige Neubau schlägt, sich an das vorgegebene Gelände anpassend, einen hakenförmigen Bogen, der zum Königsweg offen ist. In diesen offenen Bogen hinein soll als pavillonartiger Vorbau der Baukörper für eine Buchhandlung gesetzt werden, der damit nicht nur funktionsgerecht, sondern ein baukünstlerischer Blickpunkt zu werden verspricht." Der baukünstlerische Blickpunkt wird jedoch von einem kleinen Gebäude gestört - dem ehemaligen Auskunftshäuschen am Betheleck. Das, betont Dr. Grundmann, werde man wohl nicht erhalten können. "Denn vor einem Betonbau gelegen, verträgt es sich nicht mit dem Gesamtbild."

In Bethel wird nicht nur gebaut, sondern auch gefeiert. Das ist selbstverständlich, denn die kirchlichen Feiertage geben alle Jahre wieder Anlass für fröhliche Feste. 1971 passiert jedoch etwas noch nie Dagewesenes. DER RING unterrichtet in der Märzausgabe, dass die Häuser Kidron, Waldesruh, Garizim, Mahanaim, Libanon und Morija im Assapheum zusammen Karneval gefeiert haben. "Bevor das Fest stattfand, gab es zahlreiche Diskussionen. Einige meinten, Bethel sei immer noch christlich, Karneval passe nicht zu Bethel; andere hielten dagegen, auch Christen könnten Karneval feiern. Was meinen Sie dazu?", ruft der Autor die Leserinnen und Leser auf, ihren Standpunkt der Redaktion mitzuteilen.

Und tatsächlich kommen etliche Rückmeldungen. Zum Beispiel die eines Lesers, der gegen ein Kostümfest zwar nichts einzuwenden hat, aber "Karneval in Bethel ist nicht in Einklang zu bringen mit den Bethel gestellten Aufgaben, weder vom medizinischen Standpunkt her noch und erst recht nicht vom christlichen Glauben aus betrachtet." Noch deutlicher äußert sich ein anderer Leser zur Unsitte des Karnevals. Sein Brief nimmt eine ganze Seite im RING ein. "Der Karneval, den ich meine, kommt aus dem Heidentum und ist ein nur mit Wasser getaufter christianisierter Heide geblieben."


Fräulein und Herrlein

DER RING bietet den Mitarbeitenden immer wieder eine Plattform, um über Reizthemen "Luft abzulassen". Häufig schicken sie Leserbriefe an die Redaktion. Darin äußern sie zum Beispiel Kritik am Verkauf von Glückssymbolen auf dem "Jekamifest" in Eckardtsheim, Unbehagen über die Verkehrsprobleme in Bethel oder Misstrauen gegenüber Neuem in der Psychiatrie, wie dem autogenen Training. Eine Schreiben unter dem Kürzel M.L.B. erinnert in den 70er-Jahren an den Runderlass des Innenministers von Nordrhein-Westfalen. Er empfiehlt, alle Frauen, egal ob verheiratet oder unverheiratet, nur noch mit Frau anzureden. "Jedes weibliche Wesen, das die Pubertät längst hinter sich hat, hat ebenso gut wie jedes männliche Wesen Anspruch auf die zutreffende Bezeichnung." Man sage ja schließlich auch nicht Herrlein oder Männlein, so die Autorin.


Du oder Sie?

Der Umgangston in Bethel ist ein weiteres Mal Anlass, um im RING zu berichten. Eine Mode greift um sich, die nicht alle begrüßen. Die Mitarbeiterschaft wechselt vom "Sie" zum "Du"; Grund genug für Alex funke, im Oktober 1975 in der Rubrik Aus Bethel - für Bethel dazu Stellung zu beziehen. In seinem Artikel über die Spielregeln des Miteinanders schreibt er: "Unter Teenagern und Twens - Studenten eingeschlossen - redet man sich selbstverständlich mit Du an." Das findet der Anstaltsleiter auch ganz in Ordnung. Aber den anderen Mitarbeitenden gibt er den guten Rat, bedachtsam vorzugehen, statt drauflos zu sprechen. "Mit wem habe ich es zu tun? Wie stehe ich zu ihm? Welche Einstellung zu ihm kann er mit Fug und Recht von mir erwarten? Welchen Respekt? Welches Maß an Entgegenkommen, an Freundlichkeit, an Anerkennung, an Rücksichtnahme? Jeder von uns hat eine Skala von Testfragen durchzugehen, ehe er Du oder Sie sagt."


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Mit dem RING machte ich bereits mit 21 Jahren Bekanntschaft. Nach Abitur und Redakteursausbildung begann ich 1971 in Bethel mit dem Theologiestudium. Durch Vermittlung des erfahrenen Redakteurs Eugen Schmidt, der viel für den RING schrieb, wurde der damalige Schriftleiter Bernhard Gramlich auf mich aufmerksam. So kam ich zu der Ehre, für Bethels renommierte Mitarbeiterzeitschrift über Gastvorlesungen prominenter Professoren zu berichten. Die RING-Redaktion half mir damals durch die gekannte Bearbeitung meiner Texte sehr, auf dem Weg zur journalistischen Professionalität einige Schritte weiter zu kommen. Heute ist mir neben zahlreichen anderen Publikationen, die ich als Chefredakteur von UNSERE KIRCHE zur Kenntnis nehmen muss, die Lektüre des RING eine der wichtigsten. Über die Entwicklungen in den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel bin ich auf diese Weise immer bestens orientiert. Ohne den RING wäre es mir nahezu unmöglich, angesichts der vielfältigen Arbeit Bethels wenigstens einigermaßen den Überblick zu behalten. Am RING überzeugt mich vor allem, dass er nicht in bloße "Bethel-PR" abgleitet, sondern journalistisch qualifiziert auch solche Themen angeht, die unter den Mitarbeitenden Bethels strittig sind. Eine solche journalistische Professionalität ist für Kirche und Diakonie auch in Zukunft unverzichtbar. Herzlichen Glückwunsch zum 50. Geburtstag! Und: Weiter so!

Wolfgang Riewe

(Chefredakteur von UNSERE KIRCHE, Geschäftsführer des Magazins zeitzeichen)


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Quelle:
DER RING, März 2011, S. 16-17
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
Telefon: 0521/144-35 12, Fax: 0521/144-22 74
E-Mail: presse@bethel.de
Internet: www.bethel.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2011