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MEDIEN/217: 50 Jahre DER RING 1661-2011 - Mit ISDN und "Super-MRT" in das Millennium (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - September 2011

50 Jahre DER RING 1661-2011

Mit ISDN und "Super-MRT" in das Millennium

von Gunnar Kreutner


In den dunklen Winternächten im Jahr 1996 - der "Eisige Erich" sorgt für klirrende Kälte und schwere Schneefälle - gehen Wachmann Peter und "Rotti" Chris in Bielefeld-Bethel "Streife". Im Auftrag der Betheler Betriebe schauen der 49-jährige gelernte Maurer und sein muskulöser Rottweiler nach dem Rechten, um Dieben und Randalierern die krummen Touren zu vermiesen. Beschaffungskriminalität und mutwillige Zerstörungen halten das Duo besonders auf Trab.


Alkohol lehnt Wachmann Peter entschieden ab. Zu oft hat er erlebt, wie er Menschen verändern kann. Und auch sein Begleiter Chris steht nicht auf Schnapsfahnen. "Wohnungslose werden immer jünger und aggressiver", berichtet Peter einer RING-Redakteurin, die ihn im Februar 1996 auf einem seiner nächtlichen Rundgänge begleitet. Heute seien schon die 20-Jährigen obdachlos, früher ging es erst ab 40 aufwärts los. Draußen oder in der Tiefgarage erlebt er immer wieder junge Pärchen, die Platte machen, weil sie keine Unterkunft finden.

Die Ursachen für Wohnungslosigkeit werden Mitte der Neunzigerjahre längst nicht mehr allein persönlichen Defiziten zugeschrieben. Forschungen haben belegt, dass eine Vielzahl gesellschaftlicher Faktoren verantwortlich ist für schwierige Lebenslagen. Man müsse immer das Schicksal des einzelnen Betroffenen im Blick haben, fordert auch Bundespräsident Roman Herzog bei seinem Bethel-Besuch am 9. Juni 1998, über den DER RING im Juli ausführlich berichtet. Im persönlichen Gespräch mit Bewohnern des Quellenhofs macht sich der Bundespräsident ein Bild von der Betheler Wohnungslosenhilfe - und ist beeindruckt von der fortschrittlichen und vorausschauenden Arbeitsweise.

Die v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel haben bereits im Sommer 1996 auf den Paradigmenwechsel mit der Neugestaltung ihrer Hilfeleistungen reagiert. Im August 1996 informiert Bethel-Vorstandsmitglied Dr. Rolf Engels in einem RING-Interview über die neue Struktur. Alle Wohnungslosenhilfe-Angebote werden gebündelt und gehen in einem "regionalen Gesamthilfe-System" auf. Die Klienten sollen in den jeweiligen Teilanstalten nur noch eine Anlaufstelle haben, die sämtliche Leistungen anbietet. Die Übergänge zwischen vollstationärer, teilstationärer und ambulanter Hilfe werden vereinfacht, damit die Unterstützung individueller und bedarfsgerechter ist.


Große Schwesternschaft

Zurück zu Wachmann Peter und "Rotti" Chris: Das Gespann ist eigentlich nur für die Betriebe zuständig. Aber wenn es ihr Zeitplan erlaubt, springen die beiden auch woanders ein. So erreicht sie schon einmal ein Hilferuf der Diakonissen aus dem Haus Martharuh, weil sich dort ein Exhibitionist herumtreibt. Derartige Vorfälle gehören aber zu den Ausnahmen, und die Schwesternschaft kann allgemeinhin ungestört ihrem Wirken nachgehen - wenn auch nicht mehr in so hoher Mitgliederzahl wie in ihren Anfangsjahren. Bei den Diakonissen fehlen die Nachwuchskräfte. Ganz anders sieht es bei der zweiten Schwesternschaft unter dem Sarepta-Dach aus, wie DER RING im Januar 1996 feststellt. Die Ravensberger Schwesternschaft erfreut sich Mitte der Neunziger einer großen Nachfrage. Mit 318 Mitgliedern ist sie eine der größten diakonischen Schwesternschaften im Kaiserswerther Verband.


Reform der VEM

"Ein historischer Schritt auf dem langen Weg zur Partnerschaft" titelt DER RING im Juli 1996. Die Vollversammlung der Vereinigten Evangelischen Mission beschließt im Assapheum in Bethel die Umbenennung in die "Vereinte Evangelische Mission". Aus Afrika, Asien und Deutschland sind die Delegierten von 32 Mitgliedskirchen und den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel zusammengekommen, um ihre Verfassung grundlegend zu reformieren. Aus dem deutschen Missionswerk wird eine internationale Gemeinschaft unter einer Leitung und mit einem gemeinsamen Rat mit je acht Delegierten aller drei Kontinente.


Erstes Bethel-Hospiz

In den Jahren von 1996 bis 2000 werden in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel viele neue Wege beschritten - zum Beispiel in der Hospizarbeit. Gut sechs Monate, nachdem die Hospizbewegung in Bethel ihr zehnjähriges Jubiläum feierte, kann DER RING im Juli 1998 über die Eröffnung des stationären Hospizes im umgebauten Haus Zuversicht berichten. Neben einer Einrichtung in Paderborn ist das Haus Zuversicht in Bethel mit zehn Plätzen das einzige Hospiz in Ostwestfalen. Bundesweit gibt es rund 50 stationäre Hospize.

DER RING hält seine Leserschaft über die großen Entwicklungen und Ereignisse auf dem Laufenden. Im Juli 1997 brennt zum ersten Mal ein "olympisches Feuer" auf dem Gadderbaumer Sportplatz in Bielefeld-Bethel. Rund 230 Teilnehmende sind zu den "Bethel athletics" gekommen, dem ersten überregionalen Sportfest für Menschen mit Behinderung. Dabei sind auch Schülerinnen und Schüler der Patmos- und der Mamreschule in Bethel. Für beide Einrichtungen beginnen im April 1998 die Bauarbeiten für einen gemeinsamen Neubau. In der Patmosschule werden schwer behinderte Kinder unterrichtet, in der Mamreschule leichter behinderte Schüler. In dem neuen Haus sollen alle Kinder gemeinsam unterrichtet werden.

Mit einem Finanzvolumen von rund 24 Millionen Mark, davon zwei Millionen Landeszuschuss und acht Millionen Darlehen sowie allein 14 Millionen Mark Spenden ist die Mamre-Patmos-Schule die größte vorrangig aus Spenden finanzierte Baumaßnahme in Bethel. Im Juli 2000 können zumindest die Schüler der Mamreschule bereits in einen ersten fertigen Gebäudekomplex umziehen. Im Sommer 2002 soll das Projekt abgeschlossen sein.

Die letzten fünf Jahre vor dem Millennium sind innerhalb der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel von grundlegenden Strukturreformen gekennzeichnet. Zu den wichtigsten Schlagwörtern im RING gehören "Regionalisierung" und "Dezentralisierung"; der Grundsatz "ambulant vor stationär" gewinnt zunehmend an Gewicht. Insbesondere die Hilfen für Menschen mit geistigen Behinderungen und chronisch psychisch kranke Menschen sollen künftig dort angeboten werden, wo die Menschen leben.


Regionen-Lösung

Im Januar 1998 verkündet Bethels Vorstandsvorsitzender Pastor Friedrich Schophaus im RING, dass "die Zeit der Teilanstalten vorbei ist". Gut eineinhalb Jahre später, im August 1999, ist ihre Auflösung beschlossene Sache. "Regionen-Lösung statt Teilanstalten" lautet der neue Grundsatz. Bis zum 1. Januar 2001 sollen die beiden Teilanstalten Bethel und Eckardtsheim schrittweise aufgelöst werden. Ihre Aufgaben gehen in fünf neuen Arbeitsfeldern des Unternehmensbereichs "Region Ostwestfalen" auf. Auch eine "Region Ruhrgebiet", die unter anderem die Teilanstalt Homborn einschließt, wird zum 1. Januar 2001 entstehen. In der letzten Ausgabe vor dem großen Datum bereitet DER RING seine Leser auf die neuen Strukturen vor. Der neue Stiftungsbereich proWerk wird ebenso vorgestellt wie der "Fachbereich V" - ein Arbeitstitel für den späteren Stiftungsbereich Bethel vorOrt.

Kurz vor dem Millennium rüstet sich Bethel auch technologisch für die Zukunft: Dank ISDN wird in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel ab November 1999 anders gewählt. Es gilt ein gemeinsamer Rufnummernplan für die Bereiche Bielefeld, Freistatt und Homborn - die Geburtsstunde der 144er-Nummern. Über die neuen vierstelligen Nebenstellennummern können auch Freistatt und Hornborn direkt angewählt werden.


Radio Antenne Bethel

4,20 Meter lang, 2,35 Meter hoch und 5,5 Tonnen schwer ist der neue Magnetresonanztomograf (MRT) der Gesellschaft für Epilepsieforschung in der Betheler Klinik Mara. Er ist der einzige seiner Art auf dem europäischen Festland, der bisher ausschließlich für Epilepsie-Patienten benutzt wird. Mit diesem hochempfindlichen Gerät können Ärzte schichtweise Aufnahmen des Gehirns machen, um epilepsietypische Veränderungen zu erkennen - ein Quantensprung für die Diagnostik. "Wir sind 2000-fähig!", stellt Pastor Friedrich Schophaus im Dezember-RING 1999 fest.

Über derartig große Meilensteine berichtet seit dem 4. November 2000 auch Radio Antenne Bethel. Um genau 11.11 Uhr geht das integrative Radio auf UKW 9413 MHz zum ersten Mal auf Sendung. Die Landesanstalt für Rundfunk Nordrhein-Westfalen hat Bethel eine eigene Hörfunkfrequenz zugeteilt. Damit gibt es erstmalig in der deutschen Hörfunklandschaft ein Einrichtungsradio für eine Ortschaft - und die RING-Redaktion berichtet nicht mehr alleine über Ereignisse, die Bethel bewegen.


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Quelle:
DER RING, September 2011, S. 15-18
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2011