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POLITIK/456: Risikoausgleich durch Gesundheitsfonds (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 2/2009

BUNDESTAGSWAHL 2009:
Parteien stehen Rede und Antwort

Silvia Schmidt von der SPD

Risikoausgleich durch Gesundheitsfonds


GESUNDHEITSPOLITIK

Solidarisches Gesundheitssystem

Die SPD vertritt das Konzept einer Bürgerversicherung seit vielen Jahren. Auch im aktuell verabschiedeten Regierungsprogramm für den Wahlkampf 2009 heißt es: "Wir wollen alle Einkommen zur Finanzierung der Gesundheitsaufgaben heranziehen und deshalb den Steueranteil für die gesetzliche Krankenversicherung erhöhen. Im Rahmen des Gesundheitsfonds wollen wir den neuen Risikoausgleich, der die unterschiedlichen Krankheitsrisiken berücksichtigt ("morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich"), weiterentwickeln und die private Krankenversicherung einbeziehen."


Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich

Wie den Ausführungen zu Frage 1 zu entnehmen ist, will die SPD den Morbi-RSA weiterentwickeln. Dass eine zuförderst den Interessen der Patientinnen und Patienten an qualitativ hochwertiger und flächendeckender Gesundheitsversorgung dienende Weiterentwicklung das Ziel sein muss, steht außer Frage. In welchem Ausmaß jedoch der Katalog der Krankheitsrisiken erweitert oder modifiziert werden muss, sollte unter Beteiligung der Fachverbände in der kommenden Legislatur konkret erörtert werden.


Hilfsmittelversorgung

Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, dass die Hilfsmittelversorgung individuell bedarfsgerecht ausgestaltet wird. Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist die Hilfsmittelversorgung stärker wettbewerblich ausgerichtet worden. Im Interesse einer effizienteren und qualitativ hochwertigen Hilfsmittelversorgung hatte der Gesetzgeber den Krankenkassen aufgegeben, im Hilfsmittelbereich verstärkt das Instrument der Ausschreibungen anzuwenden, um hierdurch noch vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen. Von vielen Menschen mit Behinderung und ihren Verbänden ist die Angst zum Ausdruck gebracht worden, dass die Ausschreibungen zum Nachteil der bedarfsorientierten und zweckmäßigen Bereitstellung von Hilfsmitteln werden.

Deshalb hat die SPD schon im Gesetzgebungsverfahren darauf bestanden, dass Ausschreibungen kraft Gesetz nur dann durchgeführt werden, wenn sie auch zweckmäßig sind. Nach intensiven Gesprächen mit Patientenvertretern, Leistungserbringern und Krankenkassen zu aktuellen Problemen im Versorgungsgeschehen wurde deutlich, dass einige Klarstellungen und Veränderungen im Hilfsmittelbereich nötig sind, die nun mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) eingeführt wurden:

A. Umwandlung des Ausschreibungsgebotes in eine Kann-Vorschrift:
Das Ausschreibungsgebot wird in eine "Kann-Vorschrift" umgewandelt, damit die Krankenkassen sich nicht zum vorrangigen Abschluss von exklusiven Versorgungsverträgen im Wege der Ausschreibung verpflichtet sehen, wenn sie eine wirtschaftliche Versorgung auch auf andere Weise sicherstellen können.

B. Präqualifizierungsverfahren:
Für Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich soll ein Präqualifizierungsverfahren eingeführt werden. Damit wird überflüssiger bürokratischer Aufwand bei den Krankenkassen und Leistungserbringern vermieden, der ansonsten durch die Prüfung der Eignung bei jedem einzelnen Vertragsschluss entsteht. Die nähere Ausgestaltung des Verfahrens regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer im Vereinbarungswege gemeinsam.

C. Beitrittsrecht zu existierenden Verträgen:
Leistungserbringern wird außerdem ein Beitrittsrecht zu den auf dem Verhandlungswege abgeschlossenen Verträgen eingeräumt. Dies sichert einen diskriminierungsfreien Zugang zu Verträgen mit den Krankenkassen, die ab dem 1. Januar 2009 Voraussetzung für eine Teilnahme an der Versorgung sind. Das Beitrittsrecht gilt nicht im Falle von Ausschreibungen.

D. Übergangsregelung und Verlängerung der bestehenden Übergangsfrist:
Weil das Präqualifizierungsverfahren erst neu geschaffen werden muss, ist hierfür eine Übergangsregelung in Form einer Übergangsfrist erforderlich. Danach gelten bis zum 30. Juni 2010 für Leistungserbringer, die am 31. März 2007 über eine Zulassung verfügten, die gesetzlichen Eignungsanforderungen an Vertragspartner grundsätzlich als erfüllt. Die Übergangsfrist ist so bemessen, dass in der Zwischenzeit ein Präqualiflzierungsverfahren etabliert wird.

E. Erarbeitung eines Zweckmäßigkeitsbegriffes unter Beteiligung der Patientenvertreter:
Darüber hinaus sollen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Spitzenorganisationen der Leistungserbringer gemeinsame Empfehlungen für die Zweckmäßigkeit von Ausschreibungen heraus geben, um bestehende Unklarheiten auszuräumen. Mit der Regelung soll der Durchführung unzweckmäßiger Ausschreibungen durch gemeinsame Empfehlungen des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der Spitzenorganisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene entgegengewirkt werden. Da durch die Empfehlungen zur Zweckmäßigkeit von Ausschreibungen im Hilfsmittelbereich auch die Belange der Patientinnen und Patienten betroffen sind, ist eine beratende Mitwirkung der maßgeblichen Patienten und Selbsthilfeorganisationen auf Bundesebene vorgesehen.

Mit den jetzt vorliegenden Regelungen wurde den in den vergangenen Monaten beobachteten Fehlentwicklungen und geäußerten Sorgen begegnet. Die im GKV-OrgWG vorgestellten Änderungen werden auch weiterhin das Ziel verfolgen, Wirtschaftlichkeitsreserven zu heben und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige sowie praktikable Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Die Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion steht den Verbänden der Menschen mit Behinderung weiterhin aktiv zur Seite, um diese avisierten Verbesserungen zu begleiten und auch von den Kassen einzufordern.


Arzneimittelversorgung

Als Behindertenbeauftragte meiner Fraktion setze ich mich dafür ein, dass ein diskriminierungsfreier, barrierefreier und verlässlicher Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen für Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten möglich wird. Ihre Anregungen werde ich sehr gern in die Beratungen zur nächsten Gesundheitsreform mit aufnehmen und mich dafür einsetzen, dass Menschen mit Behinderung nicht mit den Kosten und der Bürokratie der behinderungsbezogenen Medikamentierungen belastet werden. Das ist für mich eine Frage der Menschenwürde.


"Sprechende Medizin"

Auch diese Anregung werde ich sehr gern in die Beratungen zur nächsten Gesundheitsreform aufnehmen, da auch ich den vertrauensvollen Kontakt und Dialog zwischen Patient und behandelndem Arzt und die Bedeutung einer entsprechenden vergütungsfähigen Leistung anerkenne.


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TEILHABE BEHINDERTER MENSCHEN

Inklusive Bildung

Im Regierungsprogramm für die 17. Wahlperiode des Bundestages der SPD heißt es: "Inklusive Bildung. Wir werden dafür eintreten, dass möglichst alle Kinder mit Behinderungen gemeinsam mit Kindern ohne Behinderungen zur Schule gehen."

Ich setze mich in meiner Fraktion dafür ein, dass dieses Bekenntnis zur Inklusiven Bildung der UN-Konvention umgesetzt wird und von den Ländern eingefordert wird. Umgesetzt werden muss es jedoch in den Ländern, die für den Schulbereich die Gesetzgebungskompetenz haben. Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass sich kein Land mit Hinweis auf die Anwendbarkeit der UN-Konvention dieser Forderung entzieht. Die UN-Konvention gilt in ihrem Anspruch an die nationalen Gesetzgeber auch für die Länder, die ihren Willen zur Umsetzung mit dem Bundesratsbeschluss bekräftigt haben.


Pflegeversicherung

Die Pflegeversicherung muss Rehabilitationsträger im Sinne des SGB IX werden, damit die Weichenstellungen der Pflegereform 2008 greifen können. Wir wollen mehr ambulantes Wohnen, bessere und bedarfsgerechte Versorgung sowie eine Ausrichtung der Leistungsstrukturen an der Person des behinderten oder pflegebedürftigen Menschen. Wir wollen in diesem Prozess das Wunsch- und Wahlrecht zur obersten Prämisse machen und dem SGB IX zur Entfaltung seiner vollen Wirkung verhelfen. Dabei sind die Betroffenen unbedingt einzubeziehen. Ein wichtiger Meilenstein hier wird die Neudefinition des Pflegbedürftigkeitsbegriffes darstellen. Ich setze mich dafür ein, dass die Interessen der pflegebedürftigen Menschen mit Behinderung einbezogen werden.


Behindertenrechtskonvention

Ich setze mich als Behindertenbeauftragte meiner Fraktion dafür ein, dass die Bundesregierung schnellstmöglich die vorgesehenen "Focal Points" installiert und eine leistungsfähige Monitoring-Stelle eingerichtet wird. Am 13. Mai wird es zu Kernpunkten der Konvention eine Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion gehen, in der ein überblicksartiger Impuls gegeben werden soll. Gleichzeitig fokussieren wir den Umsetzungshedarf mit den Veranstaltungen und Informatiunsmaterialien der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung.

Weiterhin wird ein Aktionsplan entwickelt, der den Fahrplan der Umsetzung in den von der Bundesregierung zu verantwortenden gesetzlichen Regelungsbereichen zeitlich und inhaltlich darstellen soll.


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FREIWILLIGES SOZIALES ENGAGEMENT

Selbsthilfe

Die bestehenden Regelungen des SGB V erlauben bereits heute eine Förderung der Selbsthilfe im Gesundheitswesen. Sie dokumentieren dies auf ihrer Internetseite selbst und weisen daraufhin, welche gesetzlichen Grundlagen dafür bestehen. Daher ist nicht erkennbar, welchen Bereich der Förderung sie als nicht ausreichend oder unverlässlich bezeichnen würden. Unabhängig davon bin ich sehr dafür, die Rolle bürgerschaftlichen Engagements in der Gesundheitsversorgung und Pflege der Zukunft noch stärker zu betonen sowie diese vor Ort mit den professionellen Leistungs- und Qualifizierungsstrukturen noch stärker zu vernetzen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Anerkennung ehrenamtlich geleisteter Arbeit zukünftig durchaus auch steuerlich ausgedrückt werden kann. Über einen entsprechenden Rahmen müsste im Wege eines konkreten Gesetzgebungsverfahrens beraten werden.


Jugendfreiwilligendienste

Da diese Forderung erstmalig an mich heran getragen wurde, möchte ich dieses Anliegen eingehender prüfen. Sollte eine objektive und ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vorliegen, würde ich mich sehr gern für eine Korrektur einsetzen.


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Quelle:
Selbsthilfe 2/2009, S. 18-19
Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
Herausgeber: BAG Selbsthilfe
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/31 00 6-0, Fax: 0211/31 00 6-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Juli 2009