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POLITIK/480: UN-Konvention im Mittelpunkt - Die behindertenpolitischen SprecherInnen (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 1/2010

UN-Konvention im Mittelpunkt

Die behindertenpolitischen SprecherInnen


Neue und alte Gesichter finden sich unter den behindertenpolitischen SprecherInnen der im Bundestag vertretenen Parteien. Sozusagen Aktuellste in der Runde ist Maria Michalk, die erst seit Mitte Februar als Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion feststand und die Nachfolge von Hubert Hüppe antritt, der auch ohne politisches Mandat zum Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen ernannt wurde. Ebenfalls neu in der Runde ist Gabriele Molitor von der FDP, die die Nachfolge von Dr. Erwin Lotter übernimmt. Markus Kurth, Silvia Schmidt und Dr. Ilja Seifert gehören zu den "alten Hasen". Einig sind sich die neuen wie alten SprecherInnen der Bundestagsfraktionen darin, in der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention den Schwerpunkt zu Beginn dieser Legislaturperiode zu sehen. Die PolitikerInnen waren eingeladen, in der Selbsthilfe einen kurzen Ausblick auf ihre zukünftige Arbeit zu geben. Natürlich ist klar, dass eine Spalte in der Zeitschrift nicht ausreicht, um das ganze Engagement darzustellen. Deshalb empfehle ich, einen Blick auf die entsprechenden Internetseiten.


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Gabriele Militor, FDP

Umsetzung der UN-Konvention ist prägendes Thema

"Wenn sich die Welt für mich ändern muss, so lautete das Thema einer Tagung zur Umsetzung der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung. Diese Formulierung verdeutlicht sehr gut den Perspektivwechsel, den die UN-Konvention für das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung eingeleitet hat. Die UN-Behindertenrechtskonvention und ihre Umsetzung in Deutschland mittels konkreter Aktionspläne, wird prägendes Thema der nächsten Zeit sein. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, wird die Umsetzung dieser Konvention im Mittelpunkt unserer Politik stehen.


Bewusstsein schärfen

Als Sprecherin für Menschen mit Behinderungen der FDP-Bundestagsfraktion möchte ich mich besonders für eine verbesserte berufliche Teilhabe und für eine verstärkte inklusive Bildung von Menschen mit Behinderung einsetzen. Mit meiner Arbeit möchte ich dazu beitragen, das Bewusstsein in unserer Gesellschaft dafür zu schärfen, dass Teilhabe von Menschen mit Behinderung von jedem Mitglied unserer Gesellschaft abhängt. Die Belange behinderter Menschen waren mir auch in meiner kommunalpolitischen Arbeit ein wichtiges Anliegen. Ich freue mich sehr auf einen intensiven Austausch mit allen Beteiligten.

www.gabi-molitor.de


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Dr. Ilja Seifert, DIE LINKE

Behindertenpolitik ist ein Querschnittsthema

Ich bin überzeugt, dass Behinderten- und linke emanzipatorische Menschenrechtspolitik zusammen gehören. Es geht um volle Teilhabe und die Möglichkeit, die eigene Persönlichkeit frei entfalten zu können. Wenn erforderlich, müssen dazu behinderungsbedingte Nachteile ausgeglichen werden. Lösen wir die Probleme von Menschen mit den unterschiedlichsten Beeinträchtigungen, nützen wir auch allen anderen. Soziale Herkunft oder körperliche Verfasstheit von Frauen und Männern sind meines Erachtens Merkmale gesellschaftlichen Reichtums. Von besonderem Interesse ist in dieser Wahlperiode die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, dafür müssen mindestens 300 Gesetze und Verordnungen in Bund, Ländern und Kommunen geändert werden. Diese Konvention ist ein geeigneter Kompass zur Schaffung von guten Bedingungen für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen. Die fünf wichtigsten Eckpunkte dabei sind:

1. Ein eigenständiges Teilhabesicherungsgesetz, als ein einkommens- und vermögensunabhängiges Leistungsgesetz des Bundes.

2. Ein inklusives Schulsystem.

3. Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen (Verkehr, Bildung/Arbeit, Kommunikation etc.).

4. Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

5. Selbstbestimmtes Wohnen mitten in der Gemeinde.

Es ist ersichtlich, dass Behindertenpolitik ein Querschnittsthema ist. Deshalb bin ich auf vielen Politikfeldern tätig. Erforderlich ist breite Aufklärungsarbeit.

www.ilja-seifert.de


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Markus Kurth, B90/Grüne

Mit Betroffenen für selbstbestimmte Teilhabe

Grüne Politik ist seit jeher gekennzeichnet durch den Anspruch auf Selbstbestimmung und Teilhabe. Wir streben einen investierenden, befähigenden Sozialstaat an, der eine solche Zielsetzung ermöglicht. Dieser programmatische Leitsatz geht nahtlos in den Bereich der Politik für Menschen mit Beeinträchtigungen über. Insofern ist dieses Politikfeld für uns alles andere als ein Nischenthema. Im Gegenteil. Die Vielzahl parlamentarischer Initiativen, die wir bereits in den Deutschen Bundestag eingebracht haben, zeigt das. Wir werden in dieser Wahlperiode Schwerpunkte auf die Bereiche "gesundheitliche Versorgung", "Teilhabegesetz für Menschen mit Behinderungen", "personenzentrierte Hilfen", "Gleichbehandlung", "Bildung" sowie auf den Themenkomplex "Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen" legen.


Austausch gesucht

Hierfür sucht die Fraktion noch stärker als bisher den Austausch mit den betreffenden Organisationen. Unter Schwarz-Gelb wird es nach unserer Auffassung hauptsächlich um die Verteidigung bestehender Rechte der mehr als 8,5 Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung gehen. Oberster Maßstab in diesem Politikfeld ist die UN-Behindertenrechtskonvention. Rückschritte in diesem Bereich sind fortan Menschenrechtsverletzungen.

www.markus-kurth.de


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Maria Michalk, CDU/CSU

Standard halten und wo möglich verbessern

Seit März 2009 gilt in Deutschland die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Bund und Länder haben sich verpflichtet, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen sicherzustellen, Benachteiligungen zu verhindern und zweckentsprechende Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstige Maßnahmen zu treffen. Im vereinten Deutschland gibt es seit langem das Bemühen, die Belange von Menschen mit Behinderung zu thematisieren und die Rahmenbedingungen zu verbessern. Hervorragend ausgestattete Einrichtungen, Werkstätten, Wohneinheiten und ambulante Dienste sowie die Verbesserung der Barrierefreiheit im öffentlichen Leben und nicht zuletzt die verbesserten medizinischen Chancen sind Zeugnis dafür. Diesen Standard zu halten und wo nötig, zu verbessern, ist eine Aufgabe, der ich mich widmen werde, und das aus meinem Verständnis vom christlichen Menschenbild und der Achtung vor dem Leben und der Würde des Menschen. Die Einstellung der Gesellschaft zu ihren behinderten Mitgliedern wird noch mehr als durch Gesetze durch das allgemeine Bewusstsein bestimmt. Deshalb will ich darauf hinwirken, dass Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit oder gar fehlende Sensibilität zurückgedrängt werden und sich Verständnis, Offenheit und Rücksichtnahme durchsetzen. Als Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie Arbeit und Soziales ist es mir aber genauso wichtig, darauf zu achten, dass die eigenen Fähigkeiten unserer behinderten Mitbürgerinnen und Mitbürger zur Selbstbestimmung für eine mögliche selbständige Lebensführung gestärkt werden.

www.maria-michalk.de


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Silvia Schmidt, SPD-MdB

Personenzentriert, barrierefrei und bedarfsgerecht

Als Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion setze ich mich seit 1998 im Deutschen Bundestag für Menschen mit Behinderung ein. So war ich in der rot-grünen Bundesregierung vor allem an der Erarbeitung des SGB IX beteiligt und habe in der letzten Legislaturperiode das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sowie die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention vorangetrieben. Als Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales ist es mein wichtigstes Anliegen für die aktuelle Wahlperiode, dass die UN-Konvention nun unter Beteiligung der Betroffenen konkret umgesetzt wird. Die Reform der Eingliederungshilfe muss jetzt angepackt werden und im Ergebnis darf niemand schlechter gestellt sein als zuvor!

Leistungen müssen personenzentriert, barrierefrei und bedarfsgerecht erbracht werden. Es darf auch nicht sein, dass säumige Firmen die Ausgleichsabgabe nicht zahlen müssen. Damit Menschen mit Behinderung nicht länger zu Sozialhilfeempfängern werden, fordere ich zudem eine Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII sowie ein einkommens- und vermögensunabhängiges Teilhabegeld. Es gibt aber viele weitere Punkte, die in dem Aktionsplan der Regierung bearbeitet werden müssen. Wir brauchen generell mehr Barrierefreiheit, um ein selbstbestimmtes Leben "Daheim statt Heim" für alle Menschen zu ermöglichen. Nicht zuletzt müssen alle Rehabilitations- und Gesundheitsleistungen auf die Erfordernisse der alternden Gesellschaft überprüft werden. Prävention und Rehabilitation müssen mit der Pflege verknüpft werden!

www.silviaschmidt.de


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Quelle:
Selbsthilfe 1/2010, S. 14-15
Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
Herausgeber: BAG Selbsthilfe
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/31 00 6-0, Fax: 0211/31 00 6-48
E-Mail: info@bag-selbsthilfe.de
Internet: www.bag-selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2010