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PROJEKT/696: Bielefeld-Bethel - Zwei Wochen Autismus-Ferienprogramm (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
September 2014

Aaron lädt zu selbst gebackenem Kuchen ein
Zwei Wochen Autismus-Ferienprogramm

Von Petra Wilkening



Aaron hat sich für einen Moment zurückgezogen. Ganz allein sitzt er draußen auf der Schaukel, einen Kopfhörer aufgesetzt, und lauscht der Musik seiner Lieblingsband Big Time Rush. Gerade noch war er mitten im Trubel in der Küche und hat heißen Pudding auf einen Biskuitteig gestrichen. Der muss jetzt abkühlen, und Aaron nutzt die Gelegenheit für das, was er noch lieber macht als backen. Die kleine Ruhepause zwischendurch tut ihm gut. Der 18-Jährige hat am Autismus-Ferienprogramm teilgenommen, das zwei Wochen lang in der Mamre-Patmos-Schule in Bielefeld-Bethel stattfand.


Klara war vorhin auch schon in der Küche. Die Neunjährige ist ein Wirbelwind und kann nicht lange stillsitzen. Nur kurz hatte sie mit ihrer ehrenamtlichen Betreuerin in einer Ecke in der Schule am Tisch gespielt, dann sah man sie schon wieder mit wedelnden Armen draußen herumlaufen und schließlich an der Küchentür rütteln. "Klara ist in der Küche glücklich, und es macht ihr Spaß, den anderen zuzugucken", sagt Gesine Scheuer. Die 22-jährige Studentin der Fachhochschule der Diakonie begleitet Klara während des Ferienprogramms. Sie hat Recht: Das Mädchen sitzt jetzt - zumindest für einen Augenblick - neben ihr ganz entspannt am Tisch, trinkt seinen Saft und schaut zu, wie Aaron und Jule am Küchenblock geschäftig mit Milch und Zucker hantieren. Aaron hat heute seinen großen Tag. Für den Nachmittag hat er die anderen Kinder und Jugendlichen zum Kuchenessen eingeladen, und schon seit gestern wird in der Schulküche gebacken. "Gleich kommt noch die Vanillesoße 'rein", erklärt er, während er energisch die erhitzte Milch im Kochtopf umrührt. Dass der Löffel hineinfällt, nimmt er mit Humor: "Oh, Schiff versenkt!" Vanessa Grab, ebenfalls Studentin der Fachhochschule der Diakonie im vierten Semester, hilft ihm. Sie ist im Ferienprogramm für Aaron zuständig. "Es ist wirklich eine schöne Erfahrung, wenn man eine Einzelbetreuung machen kann. Man kann einem Menschen viel besser gerecht werden."


Viel unterwegs

In der ersten Ferienwoche hatte die 23-jährige Studentin ein Kind betreut, das am liebsten Bus und Bahn fuhr. So waren die beiden viel unterwegs. Auch am heutigen Morgen sind einige Kinder und Jugendliche mit ihren ehrenamtlichen Helferinnen zu Ausflügen gestartet: etwas weiter weg nach Rietberg in den Gartenschaupark oder auch einfach nur in die Bielefelder City nebenan zum Drogeriemarkt. Die 17-jährige Alina möchte sich dort einen Deostift kaufen, und weil der kleine Carlos Alina so gerne mag - sie macht immer so lustige Faxen - begleitet er sie - ein ungleiches Gespann, aber sie kommen gut miteinander klar.

Offenes Angebot

Die Kinder und Jugendlichen sind ganz unterschiedlich. Manche sind lieber für sich allein, andere auch gerne mit anderen zusammen. Die meisten nehmen die ganzen zwei Wochen an dem Ferienprogramm teil. Das Angebot ist auch für junge Menschen offen, die nicht von Bethel betreut werden. Dieses Mal waren es in der ersten Woche 16, in der zweiten 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Alter zwischen 5 und 18 Jahren. Organisiert wird das Betheler Ferienprogramm seit 13 Jahren vom Fachdienst Autismus, der dafür mit den Familienorientierten Diensten Bielefeld, Herford und Gütersloh zusammenarbeitet. "Dass wir für unser Angebot die Mamre-Patmos-Schule nutzen können, ist ideal", freuen sich die Leiterinnen des Ferienprogramms, Uschi Shunyam Murmann vom Fachdienst Autismus, und Silja Nurmse, Lehrerin der Mamre-Patmos-Schule. Die weitläufigen Räumlichkeiten bieten genug Platz, um auf alle Kinder und Jugendlichen individuell eingehen zu können. Außerdem stehen besondere Einrichtungen zur Verfügung, wie die Schulküche, ein Snoezelen-Raum oder der Wasserraum, den Klara besonders liebt.

Die beiden Organisatorinnen des Programms werden von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern unterstützt, die die Teilnehmer begleiten. "Wir schreiben unter anderem Fachschulen an, aber unser Angebot hat sich inzwischen herumgesprochen", so Uschi Shunyam Murmann. Für die ehrenamtlichen Helfer - Auszubildende sozialer Berufe oder Studenten aus dem Bereich der Sozialen Arbeit - ist der Einblick in die Praxis eine wertvolle Erfahrung. "Ich hätte nicht gedacht, dass man bei der Betreuung so viel Spaß hat und dass das Ferienprogramm so abwechslungsreich ist", sagt Vanessa Grab, die Betreuerin von Aaron. "Die Kinder bestimmen das Programm."

Aaron freut sich schon auf heute Nachmittag. Er ist stolz, dass er der Gastgeber ist. Die Einladung hat er mit Vanessa Grab aus Karton und Glitzerpapier gebastelt. Backen und Kochen findet der 18-Jährige gut, und wenn ihn seine Betreuerin dann noch fragt, ob er probieren möchte, gibt es - fast - nichts Besseres.

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Quelle:
DER RING, September 2014, S. 18-19
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2014