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PROJEKT/699: InMoBS - Smartphone-App und Infrastruktur im Praxistest für Blinde (idw)


Technische Universität Braunschweig - 16.12.2014

Erleichterung für Blinde und Sehbehinderte im Straßenverkehr

Forschungsprojekt »InMoBS« stellt Smartphone-App und Infrastruktur im Praxistest vor



Blinde und sehbehinderte Verkehrsteilnehmer können auf mehr Mobilität hoffen: ein Smartphone könnte zukünftig mithilfe einer speziellen App zu einem Assistenzsystem für die sichere und komfortable Navigation im Stadtverkehr werden. Einen Prototypen und einen Online-Routenplaner sowie die dazugehörige technische Infrastruktur wurden in den vergangen drei Jahren im Rahmen des Forschungsprojektes "InMoBS" von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Technischen Universität Braunschweig, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt Braunschweig und dem Industriepartner Siemens entwickelt und erprobt.

Mit Smartphone und App: mehr Mobilität für Blinde und Sehbehinderte

Für Blinde und Sehbehinderte findet die Teilnahme am öffentlichen Leben zumeist schon in Fragen der Mobilität ihre Grenzen. Bereits alltägliche Besorgungen, wie der Weg zum Bäcker oder ein Arztbesuch, fordern sie weit mehr als ihre sehenden Mitmenschen. Der so genannte Langstock ist ihnen dabei ein wichtiger Begleiter. Künftig könnte ein weiteres Hilfsmittel etwas mehr Erleichterung verschaffen und dazu mehr Mobilität ermöglichen: Denn für blinde und sehbehinderte Verkehrsteilnehmer, erklärt Projektkoordinator Steffen Axer von der TU Braunschweig, beschränke sich der Aktionsraum meist auf vorher eingeübte Wege. Mit dem nun entwickelten Assistenzsystem, bestehend aus einer Smartphone-Applikation und einem Routenplaner, könnte man diese Wege nun komfortabler und unbekannte Wege sicherer beschreiten, so Axer weiter.

Bekannte und neue Wegstrecken könnten mit dem "InMoBS"-System am Heimcomputer individuell geplant und auf dem Smartphone mittels der ebenfalls barrierefreien App abgerufen werden. "Barrierefreie Apps sind bei Blinden und Sehbehinderten mittlerweile wertvolle Helfer und fast alle Smartphones verfügen über GPS-Empfänger und Vibrationsalarm, so dass wir mit unserer Software gut auf diese Plattform aufsetzen konnten.", erklärt Jörg Belz und ergänzt "Die Navigationsdaten werden durch die App umgesetzt und über das Smartphone als Vibration und Ansage an den Nutzer ausgegeben." Außerdem, so der für die App- Entwicklung zuständige DLR-Ingenieur, könne man auch wichtige Wegpunkte abspeichern und Umgebungsinformationen abrufen.

Erleichterung auch beim Überqueren von Kreuzungen

Kreuzungen gelten für Blinde und Sehbehinderte Verkehrsteilnehmer als besondere Gefahrenpunkte, erläutert Roland Wunder, der sich seitens des Industriepartners Siemens mit technischen Lösungen zum sichereren Überqueren von Ampelkreuzungen auseinandergesetzt hat. "Mittels W-LAN kann das Smartphone an diesen sensiblen Verkehrsknotenpunkten das Ampelsignal abrufen, mit den hinterlegten Kartendaten kombinieren und an den Nutzer ausgeben", erklärt Wunder. "Auf diese Weise kommen auch bei vielen Umgebungsgeräuschen die wichtigen Informationen beim Nutzer an", ergänzt der Siemens-Experte für kooperative Verkehrssysteme.

Zur Erprobung konnte die von Wunder und Kollegen entwickelte Lösung als Baustein in die Braunschweiger "Anwendungsplattform Intelligente Mobilität" des DLR integriert werden und steht damit auch Zukünftig weiteren Projekten zur Verfügung. "Wir freuen uns, dass wir einen Beitrag zum 'InMoBS'-System leisten konnten. Unser Projektbeitrag verbessert als Bestandteil des AIM-Testfelds künftig auch die Möglichkeiten für die Erforschung und Entwicklung kooperativen Verkehrssysteme für Blinde und Sehbehinderte", fasst Roland Wunder zusammen.

Wichtige Grundlagen gelegt, weitere Forschung nötig

"Mit 'InMoBS' haben wir nicht nur die vorhandene Plattformen wie etwa Smartphone und Lichtsignalanlage zusammengeführt und für die Anforderungen blinder und sehbehinderter Verkehrsteilnehmer untersucht. Unser Projekt hat mit einem funktionierenden Prototypen und entsprechender Serverinfrastruktur die Grundlagen für ein künftiges Assistenzsystem gelegt." Dennoch, so Axer, sei bis zum Erreichen der Anwendungsreife noch einige Forschungsarbeit zu leisten.

Beispielsweise musste die spezielle Serverstruktur, die sich hinter App und Routenplaner verberge, erst einmal mit entsprechendem Kartenmaterial versorgt werden. Dabei, so der Projektkoordinator weiter, konnte man nicht einfach auf kommerzielle oder freiverfügbare Kartendaten zurückgreifen. "Unser System benötigt hochgenaue digitale Karten, die wir in zusätzlichen Arbeitsschritten erstellen mussten. Hier wollen wir in Zukunft die bestehenden Prozesse optimieren und auf größere Verkehrsnetze adaptieren. Ebenso müssen Ortungstechnologien im städtischen Umfeld zuverlässiger arbeiten und günstiger werden. Ein nächster wichtiger Schritt ist auch die Einbindung des öffentlichen Verkehrs in die App", so der Projektleiter abschließend.

Zum Forschungs- und Entwicklungsprojekt "InMoBS"

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt "Innerstädtische Mobilitätsunterstützung für Blinde und Sehbehinderte" (InMoBS) wurde unter der Leitung des Instituts für Verkehr und Stadtbauwesen und mit Beteiligung der Abteilung Ingenieur- und Verkehrspsychologie der Technischen Universität Braunschweig sowie in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt am Standort Braunschweig, dem Industriepartner Siemens sowie den Ingenieurbüros Transver und OECON durchgeführt. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vom 01. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2014 mit einer Summe von rund 1,9 Millionen Euro gefördert. Ferner waren Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband und die ITS Niedersachsen GmbH als Unterauftragnehmer an dem Projekt beteiligt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution179

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Technische Universität Braunschweig, Stephan Nachtigall, 16.12.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2014


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