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WERKSTATT/263: Stuhlflechterei in Bethelwerkstatt (Bethel)


Pressemitteilung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - 12.05.2010

Stuhlflechterei in Bethelwerkstatt

Neue Sitze für den Designerstuhl


Bielefeld-Bethel. Im 19. Jahrhundert entwarf der deutsche Tischlermeister Michael Thonet den Stuhl Nr. 14, auch "Kaffeehausstuhl" genannt. Der Stuhl aus gebogenem Buchenholz und einem Sitz aus Rohrgeflecht gilt als der Archetyp modernen Möbeldesigns und ist eines der erfolgreichsten Industrieprodukte aller Zeiten. Zwar hält die geflochtene Sitzfläche eine Menge aus, ist aber trotzdem nicht unendlich haltbar. Wenn sie nicht mehr trägt, gehört der Stuhl deshalb noch lange nicht auf den Sperrmüll, empfiehlt die Stuhlflechterei am Haller Weg. Denn die Werkstatt der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld bietet Reparaturarbeiten an.

Hanna Steiner beugt sich über den Stuhlrahmen und begutachtet die Flechtarbeit. "Die Spannung der Fäden ist super. Und es ist sehr sauber gearbeitet", lobt die gelernte Erzieherin die neue Mitarbeiterin Stephanie Göttlicher. Die 31-Jährige ist eine von 27 Menschen mit Behinderung, die in der Stuhlflechterei einen Arbeitsplatz gefunden haben. "Durchhaltevermögen und Fingerspitzengefühl braucht man, wenn man in der Stuhlflechterei arbeiten möchte", sagt Stephanie Göttlicher.

Die alte Chaiselongue mit der Rückenlehne aus Rattan, der moderne Korbstuhl aus Peddigrohr oder der robuste Hocker mit einem Sitz aus Binsengeflecht - die Kunden der Betheler Stuhlflechterei vertrauen den Werkstattmitarbeitenden viele unterschiedliche Möbel an. Auch Heizkörperverkleidungen sind dabei. Und ab und zu haben es die Stuhlflechter-Profis sogar mit teurem Design zu tun, wie mit dem Freischwinger im Bauhausstil aus Stahlrohr und Rattangeflecht, der rund 500 Euro kostet. Am häufigsten aber würden antike Stühle zur Reparatur gebracht, unterstreicht Hanna Steiner. "Wenn kleinere Tischlerarbeiten anfallen, wie das Verleimen eines wackeligen Stuhlbein, dann erledigen wir das auch."

Ein reparierter Stuhl muss nachher so aussehen wie vorher. Schließlich soll er weiterhin zu den anderen Stühlen am Esszimmertisch passen. Deshalb wird mit Farbe angeglichen. "Auch das Flechtwerk von Lehne und Sitzfläche muss farblich abgestimmt sein. Sonst sieht das nicht aus", sagt Birgit Kahl. Die behinderte junge Frau ist seit zwei Jahren in der Werkstatt beschäftigt und arbeitet sehr akkurat. Das qualifiziert sie als die Frau für schwierige Fälle. "Der Stuhl, an dem ich gerade arbeite, ist eine Herausforderung. Die Löcher, in denen die Rattanfäden im Rahmen befestigt werden, sind alt und ausgefranst. Die müssen zuerst geglättet werden. Sonst gehen die Fäden kaputt."

Die ersten Lagen mit den vier Millimeter breiten Rohrfäden hat Birgit Kahl schon gespannt. Die Enden werden mit roten Haltekeilen in den Bohrungen befestigt. Dann flicht sie Lage auf Lage - horizontal, vertikal und diagonal -, bis ein achteckiges Muster zu erkennen ist. Das kann einige Tage dauern. "Das Achteck- oder Wienergeflecht ist für mich nicht schwer zu flechten. Sonnen- und Sternengeflechte sind schwieriger", sagt die geschickte Handwerkerin. Fast alle Arbeiten kann sie selbstständig bewältigen. "Bis auf die Binsenflechterei. Dafür braucht man nämlich viel Kraft, und man bekommt Schwielen an den Händen." Jeden Tag freue sie sich aufs Neue auf ihren Arbeitsplatz in der Betheler Stuhlflechterei, schwärmt Birgit Kahl. "Das ist das Beste, das mir passieren konnte."


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Quelle:
Pressemitteilung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel vom 12.05.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Mai 2010